Theater in Bresel. Gerhard Gemke

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Theater in Bresel - Gerhard Gemke

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drei vor halb vier fror das Räderwerk der Ottonium-Uhr ein. Gleichzeitig knackte 31 Kilometer südwestlich eine Glasscheibe im zweitobersten Stockwerk des Turms von Burg Knittelstein, der hoch über dem Städtchen Bresel in den Nachthimmel stach. Als wollte er den fetten Mond aufspießen.

      Jo öffnete die Augen und blinzelte verschlafen durchs Zimmer. Es schimmerte im silbrigen Mondlicht wie eine Schwarzweiß-Fotografie. Nichts rührte sich. Das elfjährige Mädchen drehte sich um und schlief augenblicklich wieder ein. Und träumte von schwarzen Mönchen, die ihre Gräber verließen und durch die eiskalten Höhlen und Stollen unter Burg Knittelstein irrten. Das Mädchen fror im Schlaf.

      Irgendwo tief unter der Burg lösten sich im Breselberg ein paar Steine von den Wänden und kullerten einen kohleschwarzen Gang entlang. Als hätte ein Luftzug sie angestoßen. Eine Fledermaus segelte vor ihnen davon bis zum Ende des Stollens unter dem Breselner Rathaus. Dem bleichen Rathausgiebel gegenüber bimmelten müde die Glocken von Sankt Urban ihre vier hohen und vier tiefen Schläge (und träumten vom Ostersonntagskonzert).

      Darunter, mitten auf dem Marktplatz, wachte der eiserne Ritter Kunibald über den Schlaf der Breselner. Das Mondlicht glitzerte in seinen Augen, und für einen Moment sah es fast so aus … nein, ein eiserner Ritter träumte nicht mehr.

      Wer vermochte zu sagen, welcher dieser Träume in Erfüllung ging?

      Bald würde Bresel erwachen. In ein paar Stunden. Und noch ein paar Stunden später, pünktlich um zehn Uhr, würde sich der Stadtrat im großen historischen Rathaussaal versammeln.

      BPB

      Bimmelebimmelebim! Die goldene Rathausglocke in der Hand von Bürgermeister Radolf Müller-Pfuhr läutete die letzte Sitzung des Stadtrats vor der Weihnachtspause ein. Versammelt hatte sich die komplette Bürger-Partei-Bresel.

      Die BPB regierte das Städtchen, seit sich König Ludwig II. im Starnberger See ertränkt hatte. Und das war weit länger her, als die meisten Breselner sich erinnern konnten.

      Zu Radolfs Linken saß seine rechte Hand Doktor Jorgonson, seines Zeichens Kassenwart und Protokollführer. Zu seiner Rechten zupfte sich Agathe das geblümte Dirndl zurecht. Sie verkörperte den gesamten weiblichen Teil der BPB. Wenn man mal von Martina Dall absah. Was man heute wie so oft auch konnte. Agathe war Radolfs bessere Hälfte, wie man so sagt.

      Ebenfalls auf Einladung des Bürgermeisters anwesend eine Fotografin und zwei Reporter vom Breselner Volksblatt, die an der Fensterfront des Saals leise vor sich hin murmelnd Platz genommen hatten.

      Bimmelebimmelebim! Der Bürgermeister zielte mit seinem hervorragenden Kinn der Reihe nach auf jeden Anwesenden.

      „Wie ich sehe sind wir …“ Die Saaltür wurde aufgerissen. Vierundzwanzig Köpfe drehten sich wie von einem gemeinsamen Faden gezogen. In einer Wolke aus Mehl schnaufte Bäckermeister Blume herein, stapfte einmal halb um den Ratstisch und ließ sich in seinen Stuhl fallen. Allgemeines Husten.

      „Wie ich sehe …“ Fünfundzwanzig Köpfe wanderten zurück, Radolfs Augenbrauen stellten sich steil, „… sind wir inzwischen so gut wie vollzählig und freuen uns, jemanden in unserer Mitte begrüßen zu dürfen, der für unsere geliebte Stadt und besonders für das Historische Museum Bresel Großartiges geleistet hat.“ Radolf erhob sich und machte eine einladende Bewegung etwa in die Richtung von Bäckermeister Blume, der verwirrt durch seine Brezelbrille blinzelte. Neben ihm rückte ein Herr mit mundumkreisenden Bart seinen Stuhl zurück und stand auf. Mit leichtem Kopfnicken dankte er dem Applaus, den die BPB auf die Tische trommelte. Bäckermeister Blume sackte erleichtert in seinen staubigen Stuhl zurück.

      „Der ehrenamtliche Vorsitzende des Historischen Museums Bresel, Herr Clemens Zuffhausen!“ Das Trommeln verebbte. „Sie haben das Wort.“ Radolf Müller-Pfuhr setzte sich wieder und gespanntes Schweigen machte die Runde. Sozusagen.

      Clemens Zuffhausen wischte etwas Mehl von seinem Ärmel und räusperte sich.

      „Meine Herren“, begann er, „meine Dame. Das alte Jahr neigt sich seinem Ende zu, und, wie Sie alle wissen, liegen turbulente Ereignisse hinter uns, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Bis auf eines. Es betrifft unser überregional bekanntes und bedeutendes Kloster Sankt Florian. Vor etwa zwei Monaten verließen die letzten sechs Florian-Mönche – teilweise lebend, teilweise … nun ja – jedenfalls steht seit dem das Kloster Sankt Florian leer.“

      Der versammelte Stadtrat nickte sorgenvoll in Erinnerung an die turbulenten Ereignisse des vergangenen Herbstes [die in dem Buch Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel für die Nachwelt überliefert sind].

      „Was einerseits bedauerlich ist.“ Clemens Zuffhausens Stirn warf Falten, „andererseits aber auch Chancen für die Zukunft bietet.“

      Beim Stichwort Zukunft leuchtete das Gesicht von Bürgermeister Müller-Pfuhr wie eines seiner Wahlplakate, unter dem Dank meiner umsichtigen Politik stand. Die Fotografin ließ ihren Fotoapparat dreimal schnell hintereinander klicken. Clemens nickte Radolf zu und fuhr fort.

      „Zum einen schätzen sich die Archäologen des Historischen Museums Bresel glücklich, in den nächsten zwei Monaten die Klosteranlage auf Herz und Nieren untersuchen zu können – dank ihrer freundlichen Unterstützung.“

      Clemens blickte in die Runde. Der gesamte Stadtrat nickte unterstützend. Clemens hustete ein wenig Mehl von den Stimmbändern.

      „Zum anderen hatten der Herr Bürgermeister …“, strahlendes Lächeln – Klick, „… und meine bescheidene Wenigkeit die Idee, das Klostergebäude zu einem zentralen Treffpunkt für die Bürger unserer geliebten Stadt Bresel umzubauen.“ Clemens nahm einen Schluck aus dem bereitgestellten Wasserglas. „Aus dem Schwimmbad im Keller entstünde eine Erlebnistherme mit Saunabereich. Konzerte, Ausstellungen, Dichterlesungen und Volkshochschulkurse würden das Breselner Leben bereichern. Und nicht zuletzt böten die unterirdischen Stollen bis hinauf ins Knittelsteiner Labyrinth, ja bis zur legendären wiederentdeckten Tropfsteinhöhle im Breselberg – dank der Aufgeschlossenheit der neuen Baronenfamilie – glänzende Attraktionen für den für unsere geliebte Stadt so wichtigen - …“, Herr Zuffhausen holte sichtlich bewegt Luft, „… Tourismus.“

      Allgemeines Nicken. Bäcker Blume nieste.

      „Die Jugend“, flüsterte Agathe Müller-Pfuhr quer über den Tisch. „Vergessen Sie die Jugend nicht!“

      Clemens schluckte und hustete in Agathes Richtung. „Richtig. Wie Sie ja alle wissen, bin ich im Hauptberuf Direktor des hiesigen Gymnasiums. Am vergangenen Freitag fand in der Aula des Adalbertinums eine Konferenz aller Breselner Schulleiter statt. Dort wurde der Wunsch geäußert, die Jugend in das Klosterprojekt einzubeziehen. Der Herr Bürgermeister …“, Klick! Die Fotografin war wieselflink, „… hat schon grünes Licht gegeben. Und so möchte ich die heute freundlicherweise anwesenden Damen und Herren des Breselner Volksblattes bitten, in ihrer Zeitung auf ein besonderes Angebot des Historischen Museums hinzuweisen. Wir suchen interessierte Schüler, die in ihrer Freizeit die Archäologen unterstützen möchten. Als Grabungshelfer. Eine einmalige Gelegenheit, davon bin ich überzeugt. Alles Weitere entnehmen sie bitte dem Faltblatt an ihrem Tisch. Ich danke Ihnen.“

      Nachdem der Stadtrat den Sitzungssaal verlassen (und Bäcker Blume seinen Sitzungsstuhl entstaubt) hatte, baten die Reporter den Herrn Bürgermeister und Clemens Zuffhausen zu einem Foto. Am besten – angesichts des strahlenden Wetters – mitten auf dem Marktplatz vor dem Kunibaldbrunnen. Dort standen nun die beiden Herren,

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