Theater in Bresel. Gerhard Gemke

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Theater in Bresel - Gerhard Gemke

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Chef“, hustete Carlo. „Zu viele von uns.“

      „Augsburg ist voll von Weihnachtsmännern und Tannenbaumverkäufern“, stellte der Mann fest, den Carlo Chef nannte. Er hieß Eggbert Kniest. Er war Besitzer der Firma Hand und Fuß und herrschte über annähernd hundertfünfzig Männer und Frauen, die er weitervermittelte. Als Bauarbeiter, Türsteher, Spargelstecher oder Weihnachtsmänner. Je nach Saison.

      „Und nun, Chef?“ Ede kratzte sich unter den Achseln. Dann begann er die Fichtenskelette auszusortieren und auf einen Handwagen zu laden. Carlo schaute ihm trübsinnig zu. Ja, was nun?

      Eggbert tippte Carlo auf die Schulter. Carlo sah ihn mit großen fragenden Augen an. Eggbert versenkte seinen väterlichen Blick in Carlos Pupillen.

      „Hilf deinem Kollegen bei der Arbeit.“ Carlo nickte. „Und dann kommt ihr beide in mein Büro. Ich habe mit euch zu reden.“

      Carlo starrte ihn immer noch an. Eggbert wandte sich zum Gehen. Dann blieb er noch einmal stehen.

      „Ach, noch was. Möchte einer von euch mal eine Frau sein?“

      Sibylle klagte und klagte. Über alles und jedes, über Gott und die Welt. Einmal in Fahrt war sie nicht mehr zu bremsen. Sie konnte ohne Luft zu holen eine geschlagene Stunde klagen. Zum Beispiel das Wetter. Das war natürlich unerträglich. Genau wie ihre Stützstrümpfe. Und die Qualität der Weihnachtsbäume erst. Der absolute Tiefpunkt. Und keiner kam sie besuchen. Also kein Mensch. Und deshalb starb sie vor Langeweile und besaß noch immer keinen Weihnachtsbaum.

      „Und Rosalinde redet auch nicht mit mir“, setzte sie noch einen drauf.

      „Rosalinde?“ Adelgundes Blick schweifte über Burg-Knittelstein-in-Öl-auf-Leinwand, als wünschte sie das Fräulein hoch oben auf den Burgturm.

      „Nur manchmal“, sagte Sibylle. „Manchmal sieht es so aus.“

      „Was?“, fragte Adelgunde verständnislos.

      „Als ob sie spricht.“

      „Rosalinde?“, hakte Adelgunde noch einmal nach, doch Sibylle versank längst im nächsten Sumpf von Klagen und Jammern. Adelgunde stellte die Ohren auf Durchzug. Sie kannte das alles bis zum Überdruss. Ihre Augen kletterten müde den Burgturm hinauf. Und während Sibylles Redestrom an ihr vorbeirauschte, wurde Adelgundes Herz schwer.

      Burg Knittelstein. Wie oft hatte sie dort oben gestanden. Ihre ganze Kindheit über war das ihr Lieblingsplatz gewesen. Sie erinnerte sich an den weiten Blick über das Breselner Land. An klaren Tagen bis zu den Voralpen, den Gipfeln von Großhorn und Rotspitz. Dort oben war der einzige helle und schöne Ort der Burg, hoch über den düsteren Gängen und Sälen, in denen sie mit Schwester Tusnelda ihre Jugend verbrachte. Ach ja, Tusnelda. Adelgunde seufzte tief.

      Sie hatte gehört, dass es heute freundlicher sein sollte auf Knittelstein. Heute – nach Tusneldas Tod. Freundlicher jedenfalls, als zu der Zeit, als Kuno der Kühne vom Breselberg noch lebte. Ihr Vater. Und Adelheid, ihre Mutter. Und als Tante Sibylle sie mit strenger Hand unterrichtete. Noch immer klang ihr diese plärrende Stimme in den Ohren.

      Adelgunde, Tusnelda, wascht euch die Finger! Macht eure Hausaufgaben!

      Und heute? Tusnelda war tot, wie gesagt. Und Burg Knittelstein im Besitz des Witwers. Eduard. Baron Eduard. Und seiner Tochter aus erster Ehe – wie hieß die noch gleich? Josephine oder so. Ein schreckliches Mädchen.

      Und dieser Eduard hatte nach Tusneldas Dahinscheiden keinen Monat gebraucht. Ruckzuck hatte er eine Neue. Und schon wohnte die auf die Burg. Und der Gipfel? Es war die Schwester seiner ersten Frau. Ausgerechnet! Und natürlich alles ohne Trauschein. Was für Familienverhältnisse!

      Adelgunde starrte auf Burg Knittelstein, während sich auf dem Sofa darunter Sibylles Mund unentwegt öffnete und schloss. Öffnete und schloss.

      „Was starrst du so auf das Bild?“

      Adelgunde erschrak. Als hätte Sibylle ihre Gedanken gelesen.

      „Ich wette, du hast mir nicht eine Sekunde zugehört!“

      Adelgunde schluckte und versuchte, statt einer Antwort ein aufmerksames Gesicht zu machen.

      „Was hab ich nicht alles für euch getan!“ Sibylles Stimme geriet eine Spur zu schrill. „Für dich! Für deine Schwester Tusnelda! Gott hab sie selig!“ Sibylle schnaufte. „Und Tusneldas Mann. Und sein missratenes Töchterchen!“ Sibylles Wangen liefen rot an. „Und kaum ist Tusnelda unter der Erde, hat der Kerl schon eine Neue. Und schwupps! gehört unsere Burg diesen …“ Sie suchte nach einem passenden Ausdruck für die beiden, fand aber offensichtlich keinen. Damit ihre Wut nicht erlahmte, ergänzte sie: „Und diese Göre!“

      Sibylle schlug mit der flachen Hand hinter sich gegen das Ölbild. Das Bild verrutschte um einige Zentimeter und Adelgunde umklammerte schwer atmend die Armlehnen ihres Stuhls.

      „Und schwupps! ist keiner der alten Knittelsteiner mehr auf der Burg. Nicht du und nicht ich. Ach, jaja, komm mir jetzt nicht oberschlau und sag, ich sei gar keine echte Knittelsteinerin. Sehr richtig, ich bin dort nicht geboren. Aber ich bin eine Blutsverwandte, und …“, Sibylle rang mit ihrer Bedeutung und reckte ihr Kinn, „… und ich habe viel für Knittelstein getan. Sehr viel! Und deshalb steht auch im Testament deines Vaters …“

      (Sibylle prüfte die Wirkung ihrer Worte auf Adelgunde. Die nickte schicksalsergeben)

      „… im Testament deines Vaters steht: Wenn Tusnelda keine Nachkommen hat, dann krieg ich die Hälfte. Ich!“

      Sibylle war aufgesprungen und bohrte ihren Zeigefinger quer über den Wohnzimmertisch.

      „Du hast damals das Geld gewählt, als du die Burg verlassen hast. Und Tusnelda? Starb kinderlos! Also steht die Burg wem zu?“

      Sibylles Logik ließ nur eine Antwort zu. Ihr selbst. Wem sonst?

      „Mir selbst. Wem sonst?“

      Adelgunde ging das jetzt wirklich zu weit.

      „Wenn die drei bloß nicht wären …“, fügte Sibylle knurrend hinzu.

      Adelgunde versuchte, ihren Griff um die Armlehnen zu lockern und möglichst entspannt in den Sessel zu sinken.

      „Aber … du hast doch jetzt ein schönes Häuschen mit einem hübschen Garten und …“, sie suchte nach weiteren Vorzügen von Sibylles Behausung, um die Tante zu beruhigen, „… und einen niegelnagelneuen Wintergarten.“

      Den hatte nämlich Humberts Firma kürzlich dem Fräulein ganz nach ihren Wünschen gebaut.

      „Hör mir auf!“ Sibylles Augen funkelten böse. „Du musst gerade reden. Du sitzt hier in deiner Villa. Und erfreust dich zweier süßer Kinder.“ Sie lächelte säuerlich. „Mehr noch, dein Humbert ist Geschäftsführer geworden. Bei dieser Firma – wie heißt die noch?“

      „Hand und Fuß.“

      „Jaja“, grunzte Sibylle, verärgert über ihr zunehmend schlechter werdendes Gedächtnis.

      Es stimmte. Humbert hatte einen einträglichen Posten ergattert, in einer Firma, die Arbeitskräfte verlieh. An alle erdenklichen Unternehmen, die

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