Das letzte Schuljahr. Wilfried Baumannn

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Das letzte Schuljahr - Wilfried Baumannn

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Flutlicht.

      Aber erst am letzten Tag ihres Urlaubs empörten sie sich maßlos über dieses übertriebene Licht aus zahlreichen Scheinwerfern. Da waren sie auch in Sibiu (Herrmannstadt), Mamaia und Suceava gewesen. Da wussten sie, dass die Rumänen nur 42 KW Strom im Monat verbrauchen durften. Das ist der monatliche Energiebedarf eines Kühlschrankes!

      Das rumänische Fernsehen, welches kurz vor 20 Uhr mit seinem Programm den Äther beleidigte, war auch für den, der kein Wort Rumänisch verstand, ein absolutes Brechmittel. Zuerst kam heroische Marschmusik, der sich noch ein Chor zugesellte, und danach wurde in den Nachrichten das Lob Elena und Nicolae Ceaucescus gesungen vor einem Neubau, auf einem Feld, und man sah immer wieder grinsende, zufriedene Gesichter.

      Die Hofberichterstattung ist hier ja noch schlimmer als bei uns, dachte sich Müller, aber sie konnte sehr schnell auch in der DDR solche Formen annehmen, wenn der Generalsekretär der Partei anders hieße.

      In Sibiu erfuhren sie, dass es dort kaum Milch und Eier zu kaufen gäbe. Nach drei Happen aus einem Schnellimbiss war es Müller mehrere Tage schlecht ergangen. Der Magen hatte sich umgestülpt.

      Im Hotel gab es jeden Tag Ei und Milch.

      „Wir essen den Rumänen alles weg“, schämten sich Müllers und aßen ohne Appetit.

      In Mamaia erfuhren sie erstmals, dass diese schwarzen Dacias mit den freundlichen Fahrern im schwarzen Anzug auch noch andere Aufgaben hatten. Das junge Mädchen, das sie als Reisebegleiterin zugeteilt bekamen, hatte Mut. Erstmals lernten sie einen neuen Begriff kennen: „SECURITATE“.

      Am Schwarzen Meer lernten sie auch ein nettes Seniorenehepaar aus Brašov (Kronstadt), der berüchtigten Stadt des Grafen Dracula, kennen.

      Sie sprachen fließend Deutsch, da sie zur Volksgruppe der Siebenbürgener Sachsen gehörten. Sie betätigten sich als Reiseleiter. Ihren Enkel hatten sie mitgenommen, damit er endlich einmal gutes Essen kennen lernt.

      Sie waren sehr unglücklich, dass er nicht viel aß und ständig herummäkelte.

      Müllers empfanden die Zustände in den Schwarzmeerkurorten empörend normal. Hier gab es gutes Essen, ein reichliches Warenangebot, Abwechslung und vielseitige Möglichkeiten der Erholung. Ein deutscher Urlauber prahlte in penetrant lauter und angeberischer Weise:

      „Ich fahre schon über 30 Jahre hierher. Rumänien ist ein wundervolles Land!“

      Hat der Mann in den 30 Jahren überhaupt etwas von diesem Land mitbekommen, von seinen Problemen und dem Frust der hier lebenden Menschen?

      Müllers waren froh, als sie in der kleinen AN in den Norden nach Suceava fliegen konnten.

      Zum Hotel „Arcašul“ („Der Bogenschütze“) fuhr sie wieder ein Dacia mit schwarzer Farbe und gelber Nummer. Beide dachten nur: „Securitate“ und schwiegen.

      Dem Hotel gegenüber befand sich eine kleine griechisch-orthodoxe Kirche, der gerade, als sie aus dem Hotelfenster schauten, Frauen in dunkelfarbenen Kopftüchern und Männer mit den typischen Gesichtern bäurischer rumänischer Abstammung entströmten.

      Sie versammelten sich draußen vor einem steinernen Kreuz und hielten Liebesmahl.

      Neugierig geworden, wollten Müllers die Szene näher betrachten. Ein Mann führte sie in das vom Weihrauch geschwängerte Kirchlein, entpuppte sich aber schnell als ein Schnorrer, der unbedingt Zigaretten haben wollte. In der Kirche dauerte es lange, bis sich Müllers an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

      Zwei Tage später war hier eine Trauerfeier. Das Schauspiel berührte sie eigenartig. Männer trugen Kirchenfahnen voran. Der Tote wurde auf offener Trage zum Sarg gebracht und auf der Straße eingesargt. Hinter ihm folgten die Angehörigen mit dem schwarz gekleideten Popen und den Trauergästen. Ein mit einem Baldachin überdachter von vier schwarzen Pferden gezogener Leichenwagen bewegte sich, die Trauergemeinde nach sich ziehend, zum Friedhof.

      Der Friedhof von Suceava schien nur aus Gruftgräbern zu bestehen, über denen oft kleine Kapellen gebaut waren, in denen man nach dem Aufschließen still Andacht halten und des Verstorbenen gedenken konnte. Die Grüfte waren durch große, mit Henkeln versehene Platten abgedeckt. Horst Müller konnte sich jetzt gut die Horrorvisionen der Draculafilme vorstellen, in denen eine Leichenhand den Deckel hochhob. Carolin war deshalb froh, als sie wieder in die Stadt zurückkehrten.

      „Du, „, bemerkte sie nachdenklich, „fällt dir nichts an den Häusern hier auf? Die sehen alle so merkwürdig neu aus. Hier stimmt doch irgendetwas nicht.“

      Müller konnte sich das ebenfalls nicht erklären.

      Am Sonntagabend besuchten sie die Versammlung einer freien evangelischen Gemeinde. Der wunderschöne Gesang hatte sie angelockt. Sie fanden auch gleich Kontakt und wurden eingeladen.

      Die Unterhaltung war in Englisch.

      „Wo könnten wir uns treffen?“

      „Wir wohnen im ,Arcašul’.“

      „Nein, dort auf keinen Fall. Das gehört der Securitate.“

      „Dann vor dem Kino.“

      Müllers hatten es seitlich vom Hotel entdeckt, als sie in die Stadt gingen.

      „O, ja, das ist gut.“

      Lange warteten sie zum verabredeten Termin vor dem Kino. Sie verstanden nicht, warum sie sich nicht vor dem Hotel treffen sollten. Der Mann, mit dem sie sich in der Kirchgemeinde unterhalten hatten, kam nicht.

      Carolin wollte ihren Mann bewegen, nicht mehr länger zu warten und zu gehen. Da rannte ein Sportler, nur mit einer kurzen Turnhose bekleidet, am Kino vorüber. Zuerst beachteten die Beiden ihn nicht, doch dann erkannten sie in ihm den Bekannten. Er winkte ihnen heimlich mit einer knappen Handbewegung, und sie folgten ihm. An der Ecke parkte ein weißer Dacia, dessen Fahrer sie sofort einsteigen hieß. Es war der Pfarrer der Gemeinde. Der Bekannte zog sich so schnell wie möglich im Wagen Hemd und lange Hose an und fragte:

      „Folgt uns jemand?“

      „Nein, es scheint alles gut gegangen zu sein.“

      Noch unverständlicher war es für sie, dass sie lange Zeit vor dem Neubaublock, in dem der Bekannte wohnte, im Auto sitzen mussten und erst aussteigen durften, als „die Luft rein“ war. Auch im Fahrstuhl und Treppenhaus musste alles geräuschlos und ohne Aufsehen vor sich gehen.

      „Bitte entschuldigen Sie unser absonderliches Verhalten. Bei Ihnen zu Hause wird das wahrscheinlich als unnormal empfunden. Hier aber darf ein Rumäne unangemeldet keine Ausländer empfangen. Das ist streng verboten.“

      Müllers waren sehr betroffen. Hoffentlich hatten sie die beiden Männer aus der von ihnen besuchten Kirche nicht in Gefahr gebracht.

      Die rumänischen Christen schütteten nun ihr ganzes Herz aus. Müllers erfuhren, dass rumänische Autobesitzer nur zehn Liter Benzin im Monat verbrauchen durften. Dem Pfarrer schenkten seine Gemeindemitglieder hin und wieder Benzin, damit er Alte und Kranke besuchen konnte. Dann brach die ganze angestaute Not heraus. Die Kinder bekommen kaum Milch. Es fehlt an Grundnahrungsmitteln wie Eier, Butter, Obst und Gemüse um vom Fleisch gar nicht zu reden. Der Stromverbrauch ist beschränkt. Ein Mehrverbrauch wird bestraft.

      Der Kirchgemeinde fehlte es vor allem an rumänischen

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