Das letzte Schuljahr. Wilfried Baumannn

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Das letzte Schuljahr - Wilfried Baumannn

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erarbeiten und im Schuljahr realisieren.

      Niederschlag fanden diese Aufgaben auch im Klassenleiterplan des Klassenlehrers. Die Leitungen setzten sich aus den verschiedenen Funktionären zusammen, dem Gruppenratsvorsitzenden (in der FDJ dann der FDJ-Sekretär), den Stellvertreter, den Schriftführer und Funktionären für Kultur, Wandzeitungsarbeit usw.. Zwei aus der Pioniergruppe wurden in den Freundschaftsrat gewählt, der die Pioniere der ganzen Schule vertrat. Bei der FDJ war das dann die GOL, d.h. die Grundorganisationsleitung der FDJ. Die Organisation von Lernbrigaden gehörte auch zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendorganisation mit dem Ziel, lernschwachen Mitschülern zu helfen, damit sie ihr Klassenziel erreichen. Diese Schüler wurden auch oftmals verpflichtet, sich ein Lernziel zu stellen, über dessen Ergebnis sie Rechenschaft ablegen mussten. Wenn das alles zusammen war, konnte erst das Schuljahr richtig beginnen. Die Kinder- und Jugendorganisationen führten nun nach dem zentralen Auftrag, dem Kampfprogramm, Gruppennachmittage durch, deren Hauptverantwortung der Klassenleiter hatte. Manchmal halfen ihm auch Eltern oder die Patenbrigade aus einem VEB, die das als Pluspunkt zur Erlangung des Titels „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ verbuchen konnte. Das betraf z.B. Exkursionen, Klassenfahrten, Besuche von Kino- und Theatervorführungen. Dafür erhielten die Gruppen und Klassen von der Schule die entsprechenden Fahrkarten ausgehändigt, so dass für den Einzelnen die Fahrten meist umsonst waren. Klassenfahrten wurden von der Abteilung Volksbildung finanziell unterstützt. Kein Schüler musste also aus diesen Gründen zu Hause bleiben.

      Die Pionier- und FDJ-Nachmittage waren oft thematisch, z.B. Behandlung der Lebensläufe von Kommunisten wie Ernst Thälmann oder Lenin, oder historische Ereignisse der Arbeiterbewegung. Außerschulisch existierten auch eine Reihe von Arbeits- und Sportgemeinschaften. Schüler der höheren Klassenstufen konnten auch in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) sich vormilitärisch bilden lassen. Viele nutzten dort die günstigen Bedingungen zur Erlangung des Führerscheins, der in der DDR Fahrerlaubnis genannt wurde. Angestrebt wurde, dass alle Schüler sich außerhalb des normalen Schulablaufs sinnvoll beschäftigen. Damit einher ging auch die ständige Folge irgendwelcher Gedenktage, die vorbereitet werden mussten. Gefordert war auch die Teilnahme an Großdemonstrationen für die oberen Klassen, wie dem 1. Mai, dem Marsch zum Friedhof der Sozialisten Anfang Januar zum Gedenken an die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg 1919 u.a. Die Demonstrationen wurden staatlich angeordnet, und das Fußvolk erhielt bunte Winkelemente, d.h. bunte Papierfähnchen mit DDR-Emblem (Hammer, Zirkel, Ährenkranz auf Schwarz, Rot, Gold) oder dem, was gerade erforderlich war, wenn z.B. ein ausländischer Staatsgast die Stadt besuchte. Manche mussten auch ein Transparent mit einer vom ZK, dem Zentralkomitee der SED, herausgegebenen Losung gut sichtbar tragen. Meistens war das rot mit weißer Schrift. Nach dem Vorbeimarsch an der Tribüne, wo die Herrschenden jovial lächelnd saßen und winkten, ein Sprecher dem Sozialismus lobhudelte und einzelne Betriebe und deren Kampftruppen hoch-hoch-hoch-leben ließ, begleitet vom Marschrhythmus der Arbeiterkampflieder, war die Demonstration beendet. In den Ferien wurden die Kinder durch die Ferienspiele im Schulhort betreut. Der Tagessatz betrug eine Mark. Dafür bekamen die Kinder Mittagessen, Kinobesuch, Besuch des Schwimmbades usw.. Betriebe besaßen Betriebsferienlager. So war für die Kinder das ganze Jahr über gesorgt. Größere Schüler beteiligten sich am Schülersommer, d.h. sie arbeiteten für einige Wochen in einem Betrieb, der sie angefordert hatte. Ferientätigkeiten waren aber stets freiwillig, denn viele Eltern fuhren mit ihren Sprösslingen in den Urlaub.

      Die Lehrpläne wurden erst nach gründlicher Erprobung in ausgewählten Schulen in der Praxis erprobt, Verbesserungen eingearbeitet und dann schließlich Gesetz. Einen wichtigen Beitrag leisteten dafür die Expertengruppen an der Pädagogischen Akademie der Wissenschaften (APW), die sich aus Wissenschaftlern der einzelnen Fachgebiete, wissenschaftlichen Mitarbeitern und aktiv im Schuldienst arbeitenden Pädagogen zusammensetzten.

      Die Lehrpläne galten für das ganze Land. Der Vorteil bestand darin, dass Schüler, die mit ihren Eltern in einen anderen Teil der Republik zogen, sehr schnell auf den Stand des Wissensniveaus der neuen Schule kamen.

      Die im Westen oft vorherrschende Meinung, dass alle DDR-Lehrer Mitglieder der SED waren, entspricht nicht den Tatsachen. Zahlreiche Lehrer gehörten keiner Partei an, mussten aber unter moralischem Zwang am Parteilehrjahr teilnehmen. Zentrale Weiterbildungsveranstaltungen begannen zumeist mit Vorlesungen und Seminaren zum Marxismus-Leninismus, wobei aktuelle Ereignisse unter dieser Sicht betrachtet wurden. Eine abweichende politische Meinung zu vertreten, wurde schon fast unter dem Aspekt der Blasphemie betrachtet.

      Der Leser wird die geschilderten Ereignisse vielleicht als extrem empfinden. Aber der Roman wäre nie geschrieben worden, wenn sie nicht Realität gewesen wären.

      Lehrer Müller und Prag 1968

      Die im DDR-Plattenbaustil errichtete Neubauschule war an die Ecke von drei sich treffenden, stark vom Verkehr frequentierten Straßen erbaut worden. Die Lehrer fürchteten um das Leben der von ihnen unterrichteten Schüler, und es grenzte an ein Wunder, dass in den ersten Jahren nach der Eröffnung kein Kind zu Schaden gekommen war, denn Ampeln wurden zu aller Ärger erst sehr spät installiert.

      Dazu waren mehrere Eingaben beim Rat der Stadt notwendig gewesen und wahrscheinlich auch einige schwere Autounfälle, die, nebenbei bemerkt, für die Schüler stets eine Abwechslung ihres öden Schuldaseins darstellten.

      Horst Müller war seit ihrer feierlichen Eröffnung Lehrer dieser Schule. Sein ehemaliger Direktor hatte, nachdem er für die Leitung der neuen Bildungseinrichtung eingesetzt wurde, ihn gleich mitgenommen, weil er dessen Arbeit schätzte.

      Horst unterrichtete in den Fächern Musik und Geschichte von der fünften bis zur zehnten Klasse.

      Bisher hatten sie ihn in Ruhe gelassen. Er unterrichtete gewissenhaft stur nach Lehrplan, denn schließlich sollten sie ihm nichts nachsagen können.

      Der Kollege, der ihn ständig mit der Frage nervte, warum er als Geschichtslehrer immer noch nicht der Partei der Arbeiterklasse, der SED (SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die führende Partei in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)), beigetreten sei, war im Jahr vor der Schuleinweihung an einer Embolie nach erfolgreicher Operation gestorben.

      Müller argumentierte seine Weigerung stets mit den hohen Beiträgen, die Parteimitglieder - kurz: Genossen - zu zahlen hätten und mit der dort geforderten Parteidisziplin. Er beschwichtigte diese Ablehnung mit dem Hinweis, dass er bisher mit der Politik der Partei übereinstimme, aber er wolle sich doch das Recht auf eigene Meinung nach wie vor selbst vorbehalten. Mochten sie doch von ihm denken, was sie wollten. Von seiner christlichen Überzeugung her war ein Parteibeitritt kein Thema für ihn.

      Nach dem Tode des auf ihn angesetzten Genossen ließen sie ihn - wie schon erwähnt - in Ruhe, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als die Schule die neue Direktorin bekam. Sie trat 1987 ihren Dienst an und wurde vom Schulrat als Genossin Sanam vorgestellt. Müller fand sie anfangs schön und sympathisch.

      Aber diese Frau wurde für ihn nur der I-Punkt von Erkenntnissen und Überzeugungen, die in ihm seit den Ereignissen des Jahres 1968 in der Tschechoslowakei gekeimt waren.

      ***

      Als Horst Müller damals seinen Urlaub in Prag der Schulleitung bekannt gab - denn sie wollte immer wissen, wo die Kollegen zu erreichen waren -, wurde er zum damaligen Direktor, dem Genossen Schneeacker, gerufen.

      „Sagen Sie mal, Kollege Müller, wissen Sie überhaupt, in was für ein Land Sie dort fahren? Haben Sie denn nichts von den dortigen antisozialistischen Umtrieben gehört?“

      Müller fand die kluge Antwort, die man solchen Leuten nur sagen konnte:

      „Herr

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