Oblomow. Iwan Gontscharow

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Oblomow - Iwan Gontscharow

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das ist ja heute bei mir wie auf einem Taubenschlage!« sagte Oblomow und wartete, wer da hereinkommen würde. Der Eintretende war ein Mann von unbestimmtem Alter und mit einer unbestimmten Physiognomie; er befand sich in einem solchen Lebensstadium, wo es schwer ist, die Zahl der Jahre zu erraten; er war weder schön noch häßlich, weder groß noch klein von Wuchs, weder blond noch brünett. Die Natur hatte ihm keinen entschiedenen, bemerkenswerten Zug verliehen, weder nach der guten noch nach der schlechten Seite hin. Viele nannten ihn Iwan Iwanowitsch. andere Iwan Wasiljewitsch, wieder andere Iwan Michailowitsch.

      Auch sein Familienname wurde verschieden angegeben: die einen sagten, er heiße Iwanow, andere nannten ihn Wasiljew oder Andrejew, wieder andere meinten, sein Name sei Alexejew. Ein Fremder, der ihn zum erstenmal sah und seinen Namen hörte, pflegte seinen Namen und sein Gesicht sofort wieder zu vergessen und sich nicht zu merken, was er sagte. Seine Anwesenheit war für eine Gesellschaft kein Gewinn, ebenso wie seine Abwesenheit keinen Verlust darstellte. Wie sein Körper keine besonderen Merkmale aufwies, so mangelte es auch seinem Geiste an Scharfsinn, Originalität und anderen Besonderheiten.

      Vielleicht hätte er wenigstens verstanden, Gesehenes und Gehörtes zu erzählen und wenigstens dadurch andere Leute zu unterhalten; aber er war nirgends gewesen: seit er in Petersburg das Licht der Welt erblickt hatte, war er nach keinem andern Orte hingekommen; mithin hatte er nur das gesehen und gehört, was auch die andern kannten.

      Ist ein solcher Mensch sympathisch? Liebt er, haßt er, leidet er? Man sollte meinen, auch er müsse lieben und hassen und leiden, da ja niemand davon befreit ist. Aber er bringt es Gott weiß wie fertig, alle zu lieben. Es gibt Menschen, bei denen man mit aller Mühe keine Feindschaft, keine Rachsucht usw. erwecken kann. Man mag sie behandeln, wie man will, sie bleiben immer freundlich. Übrigens muß man ihnen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß auch ihre Liebe, wenn man sie in Grade einteilt, nie bis zu wirklicher Wärme steigt. Obgleich man von solchen Menschen sagt, sie empfänden Liebe gegen alle und hätten deshalb einen guten Charakter, so lieben sie doch in Wirklichkeit niemanden und haben nur insofern einen guten Charakter, als sie keinen schlechten haben.

      Wenn andere in Gegenwart eines solchen Menschen einem Bettler ein Almosen geben, so wirft auch er ihm seinen Groschen hin; wenn sie aber den Bettler schimpfen oder wegjagen oder verspotten, so schimpft und verspottet auch er ihn mit den andern. Reich kann man ihn nicht nennen, weil er nicht reich, sondern eher arm ist; aber auch als geradezu arm kann man ihn nicht bezeichnen, indes nur deshalb, weil es viele Menschen gibt, die ärmer sind als er.

      Er hat von seinem eigenen Vermögen eine Einnahme von etwa dreihundert Rubeln jährlich; außerdem bekleidet er irgendein unbedeutendes Amt und erhält ein unbedeutendes Gehalt. Not leidet er nicht und borgt sich von niemandem Geld; sich aber von ihm Geld zu borgen, dieser Gedanke kommt erst recht niemandem in den Sinn.

      In seinem Amte hat er keine spezielle ständige Beschäftigung, weil seine Kollegen und seine Vorgesetzten schlechterdings nicht haben herausbekommen können, was er schlechter und was er besser macht, so daß man sagen könnte, wozu er eigentlich befähigt ist. Wenn man ihm das eine oder das andere zu arbeiten gibt, so macht er es so, daß der Vorgesetzte immer in Verlegenheit ist, wie er über seine Arbeit urteilen soll; er sieht sie längere Zeit an und liest darin und sagt endlich nur: »Lassen Sie sie hier; ich will sie nachher genauer ansehen . . . ja, sie ist beinah so, wie sie sein muß.«

      Niemals nimmt man auf seinem Gesichte eine Spur einer Sorge oder einer Träumerei wahr, was ein Anzeichen davon wäre, daß er in diesem Augenblicke mit sich selbst spräche; ebensowenig bemerkt man jemals, daß er irgendeinen äußeren Gegenstand forschend ansähe, den er seinem Wissen einzuverleiben vorhätte.

      Es begegnet ihm auf der Straße ein Bekannter und fragt ihn: »Nun, wohin?« – »Ich gehe aufs Büro«, antwortet er oder: »Ich gehe in einen Laden« oder: »Ich will mich nach etwas erkundigen.« – »Kommen Sie doch lieber mit mir mit«, sagt jener, »auf die Post, oder wir wollen zum Schneider herangehen oder einen Spaziergang machen.« Dann geht er mit ihm mit, geht auch zum Schneider mit heran und auf die Post und spazieren, wenn auch die Richtung die entgegengesetzte von derjenigen ist, nach der er selbst gehen wollte. Außer seiner Mutter hat kaum jemand sein Erscheinen auf der Welt bemerkt; sehr wenige bemerken ihn im Laufe seines Lebens; aber gewiß wird niemand sein Verschwinden aus der Welt bemerken; niemand wird nach ihm fragen, niemand ihn bedauern, aber auch niemand sich über seinen Tod freuen. Er hat keine Feinde und keine Freunde, aber eine Menge von Bekannten. Vielleicht wird sein Leichenzug die Aufmerksamkeit eines Passanten auf sich ziehen, der dieser farblosen Persönlichkeit eine ihr zum ersten Male zuteil werdende Ehre erweist, indem er ihr eine tiefe Verbeugung macht; vielleicht wird sogar ein andrer aus Neugier an die Spitze des Leichenzuges laufen, um den Namen des Verstorbenen zu erfahren, ihn aber sofort wieder vergessen.

      Dieser Alexejew, Wasiljew, Andrejew, oder wie man ihn sonst nennen will, ist eine Art von unvollständiger, unpersönlicher, andeutungsweiser Kopie der großen Masse, ein dumpfer Widerhall von ihr, ihr undeutlicher Abglanz.

      Sogar Sachar, der in offenherzigen Gesprächen bei Zusammenkünften am Haustor oder im Kaufladen alle, die seinen Herrn besuchten, in mannigfaltiger Weise zu charakterisieren pflegte, wurde jedesmal verlegen, wenn dieser, sagen wir, Alexejew an die Reihe kam. Er dachte lange nach, suchte lange in dem Äußern, in dem Benehmen und in dem Charakter dieser Persönlichkeit nach einem hervorstechenden Zuge, an dem die Kritik ansetzen könnte; aber zuletzt machte er eine resignierte Handbewegung und drückte sich so aus: »Der, der ist weder Fisch noch Fleisch noch sonst was.«

      »Ah!« sagte Oblomow, als er ihn erblickte. »Sie sind es, Alexejew? Guten Tag. Wo kommen Sie her? Kommen Sie nicht so nahe heran, kommen Sie nicht so nahe heran; ich werde Ihnen nicht die Hand geben: Sie kommen aus der Kälte!«

      »Aber was reden Sie? Es ist ja gar nicht kalt! Ich hatte eigentlich gar nicht vor, heute zu Ihnen zu kommen«, sagte Alexejew; »aber Owtschinin begegnete mir und nahm mich mit zu sich nach Hause. Nun komme ich, um Sie abzuholen, Ilja Iljitsch.«

      »Wohin denn?«

      »Nun, zu Owtschinin, kommen Sie nur mit. Da sind Matwjei Andrejewitsch Aljanow, Kasimir Albertowitsch Pchailo und Wasili Sewastjanowitsch Kolymjagin.«

      »Wozu haben sie sich denn da versammelt, und wozu brauchen sie mich dabei?«

      »Owtschinin ladet Sie zum Mittagessen ein.«

      »Hm! Zum Mittagessen . . .« wiederholte Oblomow eintönig.

      »Und dann wollen wir alle nach Jekateringof fahren; er läßt Ihnen sagen, Sie möchten einen Wagen nehmen.«

      »Aber was sollen wir denn da anfangen?«

      »Welche Frage! Heute ist doch da Korso. Wissen Sie denn nicht, daß heute der erste Mai ist?«

      »Setzen Sie sich doch; wir wollen die Sache überlegen . . .« sagte Oblomow.

      »Stehen Sie doch auf; es ist Zeit, daß Sie sich ankleiden.«

      »Warten Sie doch ein bißchen; es ist ja noch früh.«

      »Früh? Bewahre! Er bittet Sie, um zwölf Uhr hinzukommen; wir wollen es so einrichten, daß wir mit dem Mittagessen möglichst früh fertig sind, so gegen zwei Uhr; und dann zum Korso. Kommen Sie schnell! Soll ich Ihrem Diener sagen, daß er Ihnen beim Anziehen behilflich sein möge?«

      »Wie kann ich mich denn anziehen? Ich habe mich noch nicht gewaschen.«

      »Nun, so waschen Sie sich!«

      Alexejew begann im Zimmer auf und ab zu gehen; dann blieb er vor einem Bilde stehen, das er früher schon tausendmal gesehen hatte, warf einen

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