Oblomow. Iwan Gontscharow

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Oblomow - Iwan Gontscharow

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war fähig, hohe Gedanken zu genießen, und stand dem allgemein menschlichen Leide nicht als ein Fremder gegenüber. Er weinte manchmal aus tiefster Seele bitterlich über die Nöte der Menschheit, empfand im Verborgenen namenlosen Schmerz und strebte sehnsüchtig irgendwohin in die Ferne, wahrscheinlich dorthin nach jener Welt, in die ihn sein Freund Stolz mit sich fortzureißen pflegte.

      Süße Tränen flossen über seine Wangen.

      Es kam auch vor, daß er von Verachtung des menschlichen Lasters, der Lüge, der Verleumdung und all des in der Welt verbreiteten Bösen ergriffen und von dem glühenden Wunsche erfüllt wurde, die Menschen auf ihre Wunden hinzuweisen; und plötzlich flammten in ihm Gedanken auf und gingen in seinem Kopfe hin und her wie die Wogen im Meere; dann wuchsen sie zu Vorsätzen heran und erhitzten sein ganzes Blut; seine Muskeln gerieten in Bewegung; seine Sehnen spannten sich; die Vorsätze verwandelten sich in Bestrebungen: von sittlicher Kraft erfüllt, veränderte er in einer Minute zwei-, dreimal seine Haltung, richtete sich mit leuchtenden Augen im Bette halb auf, streckte den Arm aus und blickte begeistert um sich . . . Nun, nun mußte sein Streben sich verwirklichen, sich in eine große Tat umsetzen . . . und dann, o Gott! welche Wunder, welche herrlichen Folgen konnte man von einer so hohen Kraftanstrengung erwarten! . . .

      Aber siehe da, der Morgen ging vorüber, der Tag neigte sich schon zum Abend, und gleichzeitig verlangten auch Oblomows ermüdete Kräfte nach Ruhe: die Stürme und Aufregungen beruhigten sich in seiner Seele; der Kopf wurde nach der Trunkenheit des Denkens wieder nüchtern; das Blut strömte langsamer durch seine Adern.

      Oblomow drehte sich in stillem Sinnen auf den Rücken herum, richtete einen melancholischen Blick durch das Fenster nach dem Himmel und verfolgte traurig mit den Augen die Sonne, die hinter einem vierstöckigen Hause versank.

      Und wie oft, wie oft hatte er so den Sonnenuntergang angeschaut!

      Der nächste Morgen brachte wieder Leben, wieder Erregungen und Träumereien! Er liebte es, sich manchmal vorzustellen, er sei ein unbesiegbarer Feldherr, dem gegenüber nicht nur ein Napoleon, sondern auch ein Jeruslan Lasarewitsch unbedeutend seien; er ersann sich einen Krieg und eine Ursache zu diesem: es strömten zum Beispiel die Völker aus Afrika nach Europa, oder er unternahm neue Kreuzzüge und kämpfte, entschied das Schicksal von Nationen, zerstörte Städte, begnadigte, ließ hinrichten und führte edle, hochherzige Taten aus.

      Oder er erwählte sich die Laufbahn eines Denkers, eines großen Künstlers: alle neigten sich vor ihm; er erntete Lorbeeren; die Menge lief hinter ihm her und rief: »Seht, seht, da geht Oblomow, unser berühmter Ilja Iljitsch!«

      In schlimmen Stunden quälten ihn Sorgen; er wälzte sich von einer Seite auf die andre, legte sich mit dem Gesichte nach unten und verlor manchmal sogar vollständig die Fassung; dann stand er vom Bette auf, fiel auf die Knie und begann heiß und inbrünstig zu beten, indem er den Himmel anflehte, den drohenden Sturm irgendwie abzuwenden.

      Wenn er dann die Sorge um sein eigenes Schicksal dem Himmel anheimgegeben hatte, wurde er ruhig und gleichgültig gegen alles in der Welt; mochte der Sturm dort wüten, wie er wollte.

      So setzte er seine sittlichen Kräfte in Tätigkeit; so regte er sich oft ganze Tage lang auf und kam erst dann von einer bezaubernden Träumerei oder von einer qualvollen Sorge mit einem tiefen Seufzer wieder zu sich, wenn der Tag sich zum Abend neigte und die Sonne wie ein gewaltiger glühender Ball majestätisch hinter dem vierstöckigen Hause zu versinken begann.

      Dann begleitete er sie wieder mit einem melancholischen Blicke und einem traurigen Lächeln und schlummerte nach den Aufregungen friedlich ein.

      Niemand sah und kannte dieses innere Leben Ilja Iljitschs: alle meinten, Oblomow liege nur so da und esse nach Herzenslust; weiter könne man von ihm nichts erwarten; es stecke kaum ein Gedanke in seinem Kopfe. So redeten über ihn alle, die ihn kannten.

      Stolz allerdings hatte von seinen Fähigkeiten, von dieser inneren vulkanischen Arbeit seines feurigen Kopfes und von seinem menschenfreundlichen Herzen genauere Kenntnis und hätte es bezeugen können; aber Stolz war fast nie in Petersburg anwesend.

      Sachar, der sein ganzes Leben lang um seinen Herrn gewesen war, war der einzige, der dessen inneres Leben noch genauer kannte; aber er war davon überzeugt, daß er und sein Herr viel täten und durchaus normal lebten, und daß es sich nicht gehöre, anders zu leben.

      VII

      Sachar war über fünfzig Jahre alt. Er war nicht mehr ein direkter Nachkomme jener russischen Calebs, die die Ritter der Bedientenstube ohne Furcht und Tadel genannt zu werden verdienten, ihren Herren gegenüber von einer bis zur Selbstverleugnung gehenden Ergebenheit waren, sich durch alle möglichen Tugenden auszeichneten und keine Laster hatten.

      Dieser Ritter war einer mit Furcht und mit Tadel. Er gehörte zwei Perioden an, und beide hatten ihm ihren Stempel aufgeprägt. Von der einen hatte er die grenzenlose Ergebenheit gegen die Oblomowsche Familie geerbt, von der anderen, der späteren, die Raffiniertheit und die moralische Verderbtheit.

      Obwohl er seinem Herrn leidenschaftlich ergeben war, verging doch nur selten ein Tag, ohne daß er ihn belogen hätte. Der Diener der alten Zeit pflegte seinen Herrn von Verschwendung und Unmäßigkeit zurückzuhalten; Sachar aber trank selbst gern mit seinen Freunden auf seines Herrn Kosten; der frühere Diener war keusch wie ein Eunuch; dieser aber lief immer zu einer verdächtigen Gevatterin. Jener verwahrte das Geld seines Herrn sicherer als ein Schrank; Sachar aber suchte bei jeder Ausgabe seinen Herrn um zehn Kopeken zu betrügen und eignete sich einen auf dem Tische liegenden Zehner oder Fünfer unfehlbar an. Desgleichen, wenn Ilja Iljitsch vergaß, Sachar das Geld abzufordern, das dieser bei einem Einkauf herausbekommen hatte, erhielt er es nie zurück.

      Größere Summen stahl er nicht, vielleicht weil er seine Bedürfnisse nach Zehnkopekenstücken maß, oder weil er dabei abgefaßt zu werden fürchtete, jedenfalls nicht aus einem Übermaß von Ehrlichkeit.

      Ein Caleb der alten Zeit wäre wie ein gut dressierter Jagdhund bei den ihm anvertrauten Eßwaren eher gestorben, als daß er sie angerührt hätte; dieser aber lauerte nur darauf, wie er auch das essen und trinken könne, was ihm nicht anvertraut war. Jener war nur darauf bedacht, daß sein Herr tüchtig aß, und betrübte sich, wenn der das nicht tat; dieser aber betrübte sich, wenn der Herr alles, was auf dem Teller lag, vollständig verzehrte.

      Außerdem war Sachar ein Klatschmaul. In der Küche, im Kramladen und bei den Zusammenkünften am Haustor beklagte er sich alle Tage, er könne dieses Leben gar nicht ertragen; einen so schlechten Herrn habe es noch nie gegeben: er sei launisch und geizig und jähzornig; man könne es ihm auf keine Weise recht machen; kurz, es sei besser, tot zu sein als bei ihm zu leben.

      Das tat Sachar nicht aus Bosheit und nicht in der Absicht, seinem Herrn zu schaden, sondern nur so zufolge einer Gewohnheit, die er von seinem Großvater und von seinem Vater geerbt hatte, auf den Herrn bei jeder geeigneten Gelegenheit zu schimpfen.

      Aus Langeweile oder aus Mangel an anderweitigem Gesprächsstoff, oder um bei seiner Zuhörerschaft größeres Interesse zu erwecken, verbreitete er manchmal über seinen Herrn eine Unwahrheit.

      »Meiner geht jetzt immer zu der und der Witwe«, sagte er mit seiner heiseren Stimme leise im Vertrauen: »gestern hat er ein Billett an sie geschrieben.«

      Oder er erzählte, sein Herr sei ein solcher Kartenspieler und Trunkenbold, wie es noch nie einen auf der Welt gegeben habe; die ganzen Nächte hindurch, bis zum Morgen, dresche er Karten und trinke Branntwein.

      Nichts davon war wahr: Ilja Iljitsch ging zu keiner Witwe,

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