Oblomow. Iwan Gontscharow

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Oblomow - Iwan Gontscharow

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Sachar kaltblütig. »Mag er vorher unsere Weste und unser Hemd zurückbringen. Die sind beide schon bald fünf Monate bei ihm zu Besuch. Er hat sie sich ebenso zu einer Namenstagsfeier geborgt, und wir haben sie nicht wieder zu sehen bekommen; es ist eine Samtweste und ein Hemd von feiner holländischer Leinwand, das fünfundzwanzig Rubel gekostet hat. Ich gebe den Frack nicht her!«

      »Na, dann adieu! Seid einstweilen dem Teufel befohlen!« schloß Tarantjew zornig und drohte beim Hinausgehen Sachar mit der Faust. »Vergiß nicht, Ilja Iljitsch, ich werde die Wohnung für dich mieten, hörst du?« fügte er hinzu.

      »Nun gut, gut!« sagte Oblomow ungeduldig, um ihn nur loszuwerden.

      »Und schreibe nur alles Erforderliche«, fuhr Tarantjew fort, »und vergiß nicht, dem Gouverneur zu schreiben, daß du zwölf Kinder hast, eines immer kleiner als das andre. Und sorge dafür, daß um fünf Uhr die Suppe auf dem Tische ist! Warum hast du denn nicht Befehl gegeben, eine Pastete zu machen?«

      Aber Oblomow schwieg; er hörte schon längst nicht mehr nach ihm hin, hielt die Augen geschlossen und dachte an etwas anderes.

      Nach Tarantjews Weggange herrschte im Zimmer etwa zehn Minuten lang eine durch nichts gestörte Stille. Oblomow war durch den Brief des Dorfschulzen und durch den bevorstehenden Umzug verstimmt und zum Teil auch durch Tarantjews Rederei ermüdet. Endlich stieß er einen Seufzer aus.

      »Warum schreiben Sie denn nicht?« fragte Alexejew leise. »Ich würde Ihnen eine Feder schneiden.«

      »Tun Sie das, und gehen Sie dann in Gottes Namen irgendwohin. Ich werde die Briefe allein aufsetzen, und Sie können dann nach Tische abschreiben.«

      »Sehr wohl«, antwortete Alexejew. »Ich fürchte wirklich, daß ich Sie dabei am Ende noch stören würde. Ich werde unterdessen zu den Herren hingehen und ihnen sagen, sie möchten mit der Fahrt nach Jekateringof nicht auf uns warten. Leben Sie wohl, Ilja Iljitsch!«

      Aber Ilja Iljitsch hörte nicht nach ihm hin: er hatte die Beine unter den Leib gezogen, so daß er auf dem Lehnstuhl beinah lag, und versank trübsinnig in einen Zustand, der zwischen Druseln und Nachdenken die Mitte hielt.

      V

      Oblomow, von Geburt Adliger, dem Range nach Kollegiensekretär, lebte seit zwölf Jahren ununterbrochen in Petersburg.

      Anfangs, solange seine Eltern noch am Leben waren, hatte er etwas beschränkter gelebt, nur eine Zweizimmerwohnung gehabt und sich mit einem Diener, den er vom Gute mitgebracht hatte, begnügt, mit Sachar; aber nach dem Tode seines Vaters und seiner Mutter war er der alleinige Besitzer von dreihundertfünfzig Seelen geworden, die ihm durch Erbschaft in einem der abgelegensten Gouvernements, beinahe schon in Asien, zugefallen waren.

      Statt fünftausend Rubel hatte er nun eine Jahreseinnahme, die zwischen sieben- und zehntausend Rubeln schwankte, und da nahm auch seine Lebenshaltung einen andern, größeren Zuschnitt an. Er mietete sich eine geräumigere Wohnung, vergrößerte sein Hauspersonal durch einen Koch und schaffte sich einen Wagen und zwei Pferde an.

      Damals war er noch jung, und wenn man auch nicht sagen kann, daß er lebhaft gewesen wäre, so war er doch wenigstens lebhafter als jetzt; er war noch von mancherlei Bestrebungen erfüllt, hoffte immer noch auf etwas und erwartete vieles, sowohl vom Schicksal als auch von sich selbst; er bereitete sich immer auf eine Karriere vor, auf eine Rolle, die er spielen wollte, selbstverständlich vor allen Dingen im Staatsdienste, was ja auch der Zweck seiner Übersiedelung nach Petersburg gewesen war. Außerdem dachte er daran, auch in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen; in fernerer Perspektive endlich, für die Zeit des Überganges von der Jugend zum reiferen Alter, schwebte seiner Phantasie das lächelnde Bild des Eheglücks vor.

      Aber ein Tag ging nach dem andern dahin, ein Jahr löste das andere ab; der weiche Flaum in seinem Gesichte verwandelte sich in einen harten Bart; die leuchtenden Augen wurden zu zwei trüben Punkten; die Taille rundete sich; die Haare begannen erbarmungslos auszufallen; er vollendete das dreißigste Lebensjahr; aber er war auf keinem Gebiete auch nur einen Schritt vorwärtsgekommen und stand immer noch an der Schwelle seiner Laufbahn, ebendort wo er zehn Jahre vorher gestanden hatte.

      Er hatte immer noch die Absicht, demnächst das wirkliche Leben zu beginnen, und bereitete sich noch darauf vor; er entwarf immer noch im Geiste ein ideales Bild seiner Zukunft; aber mit jedem Jahre, das über seinem Haupte dahinzog, sah er sich genötigt, an diesem idealen Bilde Änderungen und Tilgungen vorzunehmen.

      Das Leben zerfiel nach seiner Auffassung in zwei Hälften: die eine bestand aus Arbeit und Langeweile (das waren bei ihm gleichbedeutende Begriffe), die andere aus Ruhe und friedlicher Heiterkeit. Infolgedessen enttäuschte ihn seine hauptsächlichste Laufbahn, der Staatsdienst, in der ersten Zeit in der unangenehmsten Weise.

      Da er fern von jeder größeren Stadt mitten in den sanften, freundlichen Sitten und Gebräuchen seiner Heimat aufgewachsen war und zwanzig Jahre lang mit seinen Angehörigen, Freunden und Bekannten auf das innigste verkehrt hatte, so war er dermaßen von Familiensinn durchdrungen, daß er sich auch den bevorstehenden Staatsdienst gleichsam wie eine Beschäftigung in der Familie vorstellte, zum Beispiel in der Art einer lässigen Eintragung der Einnahmen und Ausgaben in ein Heft, wie das sein Vater gemacht hatte. Er hatte die Vorstellung, daß die Beamten einer jeden Dienststelle unter sich eine eng befreundete Familie bildeten, die unermüdlich wechselseitig für die Ruhe und das Vergnügen der einzelnen sorge; daß der Besuch des Büros keineswegs eine obligatorische Gewohnheit sei, an die man sich täglich zu halten habe, sondern daß Schlackerwetter, Hitze oder auch bloß Verstimmung stets als ausreichende gesetzmäßige Gründe für ein Fernbleiben vom Amte dienen könnten.

      Aber wie betrübte es ihn, als er sah, daß mindestens ein Erdbeben nötig war, damit ein gesunder Beamter nicht zum Dienste zu gehen brauchte; nun kommen aber Erdbeben in Petersburg leider nicht vor. Eine Überschwemmung hätte allerdings ebenfalls als Hinderungsgrund dienen können; aber auch Überschwemmungen treten nur selten ein.

      Noch nachdenklicher wurde Oblomow, als Kuverts mit der Aufschrift »eilig« und »sehr eilig« an seinen Augen vorüberhuschten und als ihm aufgetragen wurde, allerlei Nachforschungen anzustellen, Auszüge zu machen, in den Akten umherzuwühlen und zweifingerdicke Hefte abzuschreiben, die wie zum Hohn »Notizen« genannt wurden. Zudem wurde immer schnelles Arbeiten verlangt; alle hatten es eilig und machten nie eine Pause; kaum hatten sie eine Sache erledigt, so griffen sie mit einer wahren Wut nach einer andern, als ob gerade die die Hauptsache wäre; wenn sie aber mit ihr fertig waren, so vergaßen sie sie und stürzten sich auf eine dritte – und dieses Hasten nahm nie ein Ende!

      Ein paarmal veranlaßte man ihn, in der Nacht aufzustehen und »Notizen« zu schreiben; einige Male wurde er, wenn er irgendwo zu Besuch war, durch einen Amtsboten abgerufen, immer wegen eben dieser Notizen. All dies versetzte ihn in Angst und arge Mißstimmung. »Wann soll man denn leben? Ja, wann soll man leben?« fragte er sich immer wieder.

      Über den Chef hatte er in seiner Heimat gehört, dieser sei der Vater seiner Untergebenen; und daher hatte er sich von dieser Persönlichkeit eine höchst freundliche, familienhafte Vorstellung gemacht. Er hatte ihn sich als eine Art von zweitem Vater vorgestellt, der nur daran denke, wie er seine Untergebenen für ihre Verdienste und ohne ihr Verdienst unaufhörlich belohnen könne, und der nicht nur für ihre Bedürfnisse, sondern auch für ihr Vergnügen sorge.

      Ilja Iljitsch hatte gedacht, der Chef versetze sich so sehr in die Lage seines Untergebenen hinein, daß er ihn besorgt frage, wie er in der Nacht geschlafen habe, warum seine Augen so trübe aussahen, und ob ihm auch nicht der Kopf weh tue. Aber er sah sich gleich am ersten Tage seiner dienstlichen Tätigkeit grausam enttäuscht. Bei der Ankunft des

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