Oblomow. Iwan Gontscharow

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Oblomow - Iwan Gontscharow

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hatte, nicht den zweiten; wurde ihm dieser aber gebracht, so las er ihn langsam durch. Später bewältigte er nicht einmal mehr den ersten Band, sondern verbrachte den größten Teil seiner freien Zeit in der Weise, daß er den Arm auf den Tisch und den Kopf auf den Arm legte; manchmal benutzte er statt des Armes das Buch, das ihm Stolz zum Lesen aufgedrängt hatte.

      So schloß Oblomow seine wissenschaftliche Laufbahn ab. Der Tag, an welchem er seine letzte Vorlesung gehört hatte, hatte für sein Lernen die Bedeutung der Säulen des Herkules. Der Direktor des Institutes zog durch seine Unterschrift auf dem Zeugnis, ähnlich wie früher der Lehrer mit dem Nagel im Buche, gleichsam einen Strich, über welchen hinaus seine wissenschaftlichen Bestrebungen auszudehnen unser Held nicht mehr für nötig hielt.

      Sein Kopf stellte ein buntscheckiges Archiv von toten Tatsachen, Personen, Epochen, Ziffern, Religionen, zusammenhangslosen nationalökonomischen, mathematischen und anderen Wahrheiten, Problemen, Thesen und so weiter dar.

      Es war eine Art Bibliothek, bestehend aus einzelnen Bänden, die verschiedenen Gebieten des Wissens angehörten.

      Das Lernen hatte auf Ilja Iljitsch eine seltsame Wirkung ausgeübt: bei ihm lag zwischen der Wissenschaft und dem Leben ein ganzer Abgrund, den er nicht zu überschreiten versuchte. Das Leben war bei ihm eine Sache für sich und die Wissenschaft auch eine Sache für sich.

      Er hatte alle existierenden und längst nicht mehr existierenden Rechte gelernt, auch einen Kursus des praktischen Gerichtsverfahrens durchgemacht; aber als er anläßlich eines Diebstahls im Hause eine Anzeige an die Polizei schreiben mußte, nahm er einen Bogen Papier und eine Feder, dachte lange, lange nach und ließ dann einen Schreiber rufen.

      Die Rechnungsbücher auf dem Gute führte der Dorfschulze. »Was könnte die Wissenschaft dabei helfen?« fragte er sich zweifelnd.

      Und er kehrte ohne eine Last von Kenntnissen, die seinem frei im Kopfe sich ergehenden oder müßig schlummernden Denken eine Richtung hätten geben können, in seine Einsamkeit zurück.

      Was tat er denn eigentlich? Er fuhr immer noch fort, sich einen idealen Plan seines eigenen Lebens zu entwerfen. In seinem Leben fand er (und nicht ohne Grund) soviel Weisheit und Poesie, daß sie sich nie ausschöpfen ließen, auch ohne Bücher und Gelehrsamkeit.

      Nachdem er auf den Staatsdienst und das gesellschaftliche Leben verzichtet hatte, begann er, die Aufgabe seines Daseins in anderer Weise zu lösen; er dachte über seine Bestimmungen nach und entdeckte endlich, daß der Kreis seiner Tätigkeit und seines Lebens in ihm selbst verborgen lag. Er kam zu der Erkenntnis, daß das Familienglück und die Sorge für das Gut ihm als Anteil zugefallen seien. Bis dahin hatte er seine Angelegenheiten nicht ordentlich gekannt; an seiner Statt hatte sich manchmal Stolz darum gekümmert. Er hatte weder mit seinen Einnahmen noch mit seinen Ausgaben genauer Bescheid gewußt, nie ein Budget aufgestellt, – kurz, er hatte nichts getan.

      Der alte Oblomow hatte seinem Sohne das Gut so übergeben, wie er es von seinem Vater übernommen hatte. Obgleich er sein ganzes Leben auf dem Gute verbrachte, hatte er sich nicht, wie das heutzutage viele tun, auf Klügeleien eingelassen und sich nicht über allerlei Erfindungen den Kopf zerbrochen: wie man neue Quellen der Produktivität der Felder erschließen oder die alten erweitern und verstärken könne, und so weiter. Wie und womit die Felder zur Zeit des Großvaters besät worden waren, und wie die Wege für den Absatz der landwirtschaftlichen Produkte damals gewesen waren, so war das auch bei ihm geblieben.

      Übrigens war der Alte sehr zufrieden gewesen, wenn eine gute Ernte oder eine Preissteigerung ihm eine größere Einnahme als im vorhergehenden Jahre verschaffte: er hatte das »göttlichen Segen« genannt. Er war nur kein Freund neuer Erfindungen und Künsteleien zum Zwecke des Gelderwerbs gewesen.

      »Unsere Väter und Großväter sind nicht dümmer gewesen als wir«, hatte er auf irgendwelche seiner Meinung nach schädlichen Ratschläge geantwortet, »und haben doch glücklich gelebt; und auch wir werden glücklich leben; so Gott will, werden wir immer satt zu essen haben.«

      Wenn er ohne alle listigen Schlauheiten von seinem Gute soviel Einnahme hatte, wie er brauchte, um täglich mit seiner Familie und einigen Gästen reichlich zu Mittag und zu Abend essen zu können, so hatte er Gott gedankt und es für eine Sünde gehalten, nach größerem Erwerbe zu streben. Wenn der Verwalter ihm zweitausend Rubel brachte, wobei er ein Drittel in seine Tasche gesteckt hatte, und unter Tränen sich auf den Hagelschlag, die Dürre und die Mißernte berief, so hatte der alte Oblomow sich bekreuzt und ebenfalls unter Tränen gesagt: »Es ist Gottes Wille; mit Gott wollen wir nicht hadern! Wir müssen Gott auch für das danken, was wir bekommen haben.«

      Seit dem Tode der beiden Alten hatten sich die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Gutes nicht nur nicht verbessert, sondern sie waren, wie aus den Briefen des Dorfschulzen zu ersehen war, schlechter geworden. Es war klar, daß Ilja IIjitsch selbst hinreisen und an Ort und Stelle die Ursache der allmählichen Verminderung der Einnahmen untersuchen mußte.

      Er hatte sich auch vorgenommen, dies zu tun, es aber immer aufgeschoben, zum Teil auch deswegen, weil eine Reise für ihn eine fast neue, unbekannte Heldentat war.

      Er hatte in seinem Leben nur eine einzige Reise gemacht, in langsamer Fahrt mit einem Fuhrmann, zwischen Federbetten, Kasten und Koffern, wohlversehen mit ein paar Schinken, Semmeln und allerlei gebratenem und gekochtem Fleisch und Geflügel, und in Begleitung mehrerer Diener. So hatte er diese einzige Reise von seinem Gute nach Moskau zurückgelegt, und diese Reise betrachtete er als die Norm aller Reisen überhaupt. Aber jetzt reiste man, wie er hörte, nicht mehr so: man mußte Hals über Kopf dahinjagen!

      Ferner hatte Ilja Iljitsch seine Reise auch deswegen aufgeschoben, weil er sich auf die Beschäftigung mit seinen Angelegenheiten noch nicht so vorbereitet hatte, wie es erforderlich war.

      Er war nicht nach seinem Vater und nach seinem Großvater geartet. Er hatte etwas gelernt, hatte in der Gesellschaft gelebt: das alles hatte ihn zu allerlei Anschauungen geführt, die jenen fremd gewesen waren. Er sah ein, daß das Erwerben nicht nur keine Sünde sei, sondern jeder Bürger die Pflicht habe, durch redliche Arbeit den allgemeinen Wohlstand zu fördern.

      Infolgedessen nahm den größten Teil jenes idealen Lebensplanes, den er in seiner Einsamkeit entwarf, dieser neue, frische, den Anforderungen der Neuzeit entsprechende Plan zur Einrichtung des Gutes und zur Leitung der Bauern ein. Die Grundidee des Planes, die Disposition, die Hauptteile, das alles war schon längst in seinem Kopfe fertig; es fehlten nur noch die Einzelheiten, die ziffermäßigen Berechnungen. Er arbeitete mehrere Jahre lang unermüdlich an diesem Plane, überlegte ihn und dachte darüber nach, wenn er ging oder lag oder unter Menschen war; bald ergänzte, bald änderte er einzelne Abschnitte, bald rief er sich das, was er am vorhergehenden Tage ausgesonnen und über Nacht vergessen hatte, wieder ins Gedächtnis zurück; mitunter aber leuchtete plötzlich wie ein Blitz ein neuer, unerwarteter Gedanke in seinem Kopfe auf und versetzte ihn in lebhafte Erregung – und dann ging die Arbeit gut vonstatten.

      Er wollte nicht ein geringer Ausführer eines fremden fertigen Gedankens sein, sondern selbst eigene Ideen schaffen und sie selbst ausführen.

      Wenn er morgens aus dem Bette aufgestanden war und Tee getrunken hatte, legte er sich sogleich auf das Sofa, stützte den Kopf in die Hand und dachte, ohne seine Kräfte zu schonen, solange nach, bis ihm endlich der Kopf von der schweren Arbeit müde wurde und sein Gewissen ihm sagte, er habe heute genug für das allgemeine Wohl getan.

      Erst dann entschloß er sich, sich von der Mühe zu erholen und die sorgenvolle Haltung mit einer anderen, minder geschäftlichen, minder ernsten, zu angenehmen Träumereien bequemeren zu vertauschen.

      Sobald Oblomow sich von den geschäftlichen Sorgen freigemacht hatte, liebte er es, Einkehr in

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