Die blinde Passagierin. Adrian Klahn

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die blinde Passagierin - Adrian Klahn страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Die blinde Passagierin - Adrian Klahn

Скачать книгу

      “selber schuld, wenn Ihr die andern mit dem Rochen reich macht! Die fahr´n Mercedes und ihr müsst lofen… Na kann ja jeder selber entscheiden.

      Aber ick versteh dit. Ist wie mit der Männerwahl; Meistens wissen wir, dass se unjesund is, aber es schmeckt sooo gut…“

      Das Lachen der Lobbyisten spukte noch lang durch Credos Erinnerung.

      Nachdem ihre Tränen längst getrocknet waren und sie nicht mehr wusste wie viel Zeit sie auf dem Boden der Gästetoilette verbracht hatte, reinigte sie die WC-Schüssel. Anschließend entriegelte Credo die Tür. Noch immer roch man Hillies Parfüm. In der Wohnung war es still. Albert hatte sie wohl in Eile verlassen und im Eifer vergessen, sein gegenüberliegendes Büro zu versperren. Credo kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass gegen das Hereinbrechen der schonungslosen Realität der vergangenen Stunden nur Ablenkung half, um nicht durchzudrehen.

      Wässrig starrte sie also auf die Akten in den Regalen und die Einmach- und Apothekergläser mit Tieren, in einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Ihr Blick schwamm auf Alberts Schreibtisch auf dem sich Papierstapel anhäuften, hinter denen auch eine Ultraviolette-Lampe stand. Unter einem Stapel ragte ein gelbliches Stück Tageszeitung hervor auf das vermutlich Kaffee geschüttet worden war. Dort las sie einen Absatz über die ausländische Monsante-Gruppe und die Stellungnahme zum Vorwurf, dass sie Mediziner unterstützte, die in der Vergangenheit Humanexperimente an Kindern durchführten. Ein gewisser Rasa Jahel, vielleicht eine Art Pressesprecher, rechtfertigte sich damit, dass junge Rinder damals wegen zu hoher Anschaffungskosten außer Frage standen und eine freundliche Genehmigung der Oberärzte ausreichte, um einige wenige Versuche, zum Zwecke des Allgemeinwohls natürlich, ausschließlich an Waisen, auszuführen. Die Experimente geschahen im Sinne des Fortschritts und seien somit ethisch akzeptabel. Hauptsächlich allerdings würden nur Versuche an Sterbenden gemacht. In welcher Funktion der sich äußernde in dem Krankenhaus war ließ er aber unbeantwortet.

      Einige Herrschaften posierten über dem Artikel, in weißen Kitteln auf einem Schwarzweiß-Foto, neben ihnen der Ost-Berliner Magistrat und im schlechten Hintergrund und dunklem Leder-Trenchcoat ein weiterer Mann in Zivilkleidung, tief hängender Hut, sodass von seinem Gesicht nur das Kinn auszumachen war. Vermutlich war er der Geldgeber.

      Credos Blick wanderte weiter auf einen frischen Din A2 Grundriss auf dem Sekretär, mit dem Titel Exklave Steinstücken und der Anmerkung: Abriegelung an Markierungen durch MAD. Obererste Schweigepflicht.

      Nachdem Credo sachte eine Mappe mit der Aufschrift Bauprojekte in die Hand genommen hatte, durchblätterte sie diese und stieß auf eine Art Investorenliste. Wieder tauchte der ungewöhnliche Name auf, Rasa Jahel. Ein Name, den sie am Stammtisch immer wieder in Verbindung mit den reichsten Privatiers der Stadt und den Nazis gehört hatte. Menschen die Albert eigentlich verabscheute.

       Warum also hatte er Kontakte zu Menschen die er ablehnte? Und was hatte Albert mit Vorhaben des Militärischen Abschirmdienstes zu tun? Mischte er jetzt auch bei militärischen Angelegenheiten mit?

      Wieder kam Credo der unglaublich reale Traum der letzten Nacht in den Sinn. Sie zog den Brief ihres Vaters aus der Tasche, den ihr Gewissen unter den Dielen des Antiquariats unmöglich hätte verstauben lassen können. Nachdem sie das Briefchen entfaltete, blickte sie wie ins Nichts, hielt kurz inne und schaute auf. Dann griff sie zur Fluoreszenzlampe hinter dem Stapel. Sie beleuchtete ihn mit dem ultravioletten Licht. Als das Licht in ihrer Hand über den letzten Absatz geglitten war sprang ihr ein Name und beißend gelbe Zahlen entgegen.

       Henrika Bartelz

       9.41°N, 82.32°W

      „…?“

      Der Wind erwischte sie kalt im Nacken. Also drehte sie erschrocken um und sah einen wütenden Albert vor sich. Als das Licht zu Boden fiel schlangen sich seine kräftigen Hände um ihren Hals.

      „Süße, entschuldige bitte, ich muss mich missverständlich ausgedrückt haben.“ flüsterte er lächelnd. „Es war Dir wohl nicht klar, dass mein Arbeitszimmer für Dich tabu ist. Solch komplexe Themen bereiten jemanden Deines Bildungsstandes nur Kopfschmerzen.“ Und er drückte fester zu, bis Credo die Luft wegblieb.

      Es war eigentlich klar was zu tun war. Ihren rechten Arm von oben herab zwischen seine Arme jagen, unter seinem rechten Arm durch, das Handgelenk greifen, mit links seinen Ellenbogen stabilisieren, die Schulter eindrehen, mit Hebelwirkung und einer Drehbewegung des eigenen Rumpfes, den rechten Arm des Gegners aushebeln, seine Schulter eindrehen um seinen Rippen freizulegen und mit dem Knie in die Nieren stoßen. Anschließende Faustkombination oder Flucht.

      Wässrig starrte sie in seine durchdringenden, hübschen, blauen Augen und nicht nur ihr Hals schnürte, auch ihr Innerstes war eingefroren und sie fühlte sich wieder wie ein unmündiges Kind.

      „Denkst Du tatsächlich Du würdest auch nur ansatzweise was von dem hier verstehen? Glaubst Du, Du bist dem gewachsen, Süße? Hä? Gib acht, sonst steck ich Dich wieder in das verlauste Loch aus dem ich Dich gezogen habe.“

      Unbemerkt ließ sie den zerknüllten Brief ihres Papas in die Hosentasche gleiten.

      „Bitte Albert.“ röchelte sie. Einen Moment lang beobachtete er sie trocken, bis sie sagte, „ich habe es verloren!“ und er schließlich seinen Griff löste, um sie fragend anzusehen. Dann lief sie in ihr Zimmer.

      Was genau Albert nun tat ließ sich nur vermuten. …Vielleicht kannte sie diesen Mann überhaupt nicht. Vielleicht war es falsch sich immer wieder selbst in die Verantwortung für seine Wutausbrüche zu nehmen, Sie damit zu entschuldigen, dass er einen schweren Tag hatte und sie ihn ständig provozierte, allein damit, dass sie die Wichtigkeit seiner Arbeit nicht einmal ansatzweise erfassen konnte.

       Wie würde Hillie mit so einem Mann umgehen? Würde eine berühmte Emanzipierte sich so behandeln lassen? Vielleicht fand sie ja Gefallen an seiner Brutalität oder sie war von ihrer amourösen Welt so geblendet, dass ihr einfach nie der Gedanke kam, Albert hätte eine solche Seite an sich?

      Ein wachsames Gehör hatte ihr längst verraten, dass Credos Verlobter nicht zu Hause war. Höchstwahrscheinlich suchte er gerade nach Wärme unter Hillies Bettdecke. Obwohl es unerklärlich schien, dass der Liebesdurst einer vor Selbstbewusstsein strotzenden Größe wie Hillie, allein durch einen verklemmten Albert Alasker, gestillt werden konnte. Noch dazu durch einen der sich ungern nackt zeigte.

      Dennoch war es möglich, auch dass er jede Sekunde zurückkehrte.

      Noch immer roch man den erkalteten Kamin am Ende des dunklen Wohnzimmers, in dem Credo versteinert stand, ohne dem Impuls einer Handlung nachgehen zu wollen. Ihr Körper wurde beinahe von der Nacht verschluckt. So als würde sie nicht existieren. Und tatsächlich ließ sich täglich nur mit Mühe verdrängen, dass ihre Person deplatziert war. Ganz gleich wo sich Credo in der Vergangenheit aufhielt war sie fortwährend von dem Gefühl umgeben, ein blinder Passagier zu sein, der im Strom des Alltags zwar mit allen anderen durch die verschiedenen Jahreszeiten sickerte, ständig aber befürchtete, dass sein Einschleichen entdeckt werden würde.

      Nur als der schwache Mond durch das Fenster fiel, beleuchtete er knapp Credos Silhouette.

      Dann dauerte es nur einen Augenaufschlag in dem sie sich vor einer Tür wiederfand und etwas tat, was sie von einem ehemaligen Freund und Nachbarn gelernt hatte. Den Rücken zur Tür gewandt holte sie ihr Bein aus und trat, wie ein Pferd, nach hinten gegen die Scharnierseite der Holztür, so wie es die Polizei in der Realität macht. Nach einem Krachen brach sie aus

Скачать книгу