Die blinde Passagierin. Adrian Klahn

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die blinde Passagierin - Adrian Klahn страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Die blinde Passagierin - Adrian Klahn

Скачать книгу

erkennen“, sagte die Dame mit zusammengekniffenen Augenbrauen, „das heißt aber nicht, dass er nicht wertvoll ist.“

      Zu ihrer Profession zurückkehrend bemerkte Credo, „den Wert des Tisches kann ich nur grob schätzen aber der Rohstoff unterscheidet sich deutlich von anderen Hölzern.“

      „Oh, ganz sicher. Holz ist das neue Gold, Chinita“, entfuhr es der Dame in einem Singsang ihrem Mund. Credo entgegnete mit einem fragenden Blick, während die Ausländerin wiederholte.

      „Ja, ja. Holz ist das neue Gold!“

      „Sie scheinen sich gut auszukennen mit Antiquitäten. Bereits als sie reinkamen haben Sie die wertvollsten Gegenstände im Raum bemerkt. Was genau suchen Sie eigentlich?“ Sprachlosigkeit heuchelnd stammelte sie, „…also um ehrlich zu sein wollte ich mich nur mal umsehen und schauen, was uns trotz des erschütternden Krieges für Kostbarkeiten geblieben sind.

      Ich hecke nichts aus, kleiner Backfisch. Da zerbrech´ Dir mal nicht Dein hübsches Köpfchen. Versuchen Sie immer das Gute in einer Sache zu sehen.“

      „Hübsch, ich? Wissen Sie was ich wirklich nicht leiden kann, …wenn man sich über mich lustig macht! Außerdem waren Sie während des Krieges doch gar nicht hier. Wie lange sind Sie denn schon in Deutschland?“

      Als Credo ihr diese Worte entgegenwarf, trat sie einen Schritt aus der Ecke heraus, es knarrte und plötzlich hob sich unter einem Staubwirbel, eine der Holzdielen.

      „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will...“ Entgegnete die Frau während Credo sich bückte und die gelöste Diele fokussierte. Sie zog die Holzleiste ein Stück hinauf und wollte sie wieder angleichen. Da bemerkte sie, dass sich zwischen den darunterliegenden Balken und dem Kies noch etwas Ungewöhnliches befand.

      „Was ist das denn? Sieht aus als wäre da eine Spieluhr vergraben.“ Kommentierte die Fremde, als würden Credos Augen nicht das Gleiche sehen.

      Geschwind steckte Credo die Hand in das Loch, griff nach dem Gegenstand und zog ihn heraus. Als sie den Staub von der Dose pustete, huschte eine pelzige untertassengroße Spinne über ihren Handrücken, die sie unbeeindruckt wegschlug. Beherzt wischte sie einige Male mit ihrem Ärmel über die Schachtel. Zum Vorschein kam eine Elfenbeindose.

      „Schauen Sie, die Ornamente, so was hab´ ich noch nie gesehen“, stellte Credo aufgeregt fest und drehte sich um. Doch die Fremde mit dem großen Hut war verschwunden.

      „Wer sich dieser Zeilen annimmt, sollte sich im Klaren sein, dass große Verantwortung auf ihm lastet und er sich sehr wahrscheinlich in Gefahr begibt, sollte er die Zeilen bis zum Schluss lesen. Sollte er also nicht der Empfänger dieser Nachricht sein, verbrenne er umgehend dies Papier. Glauben Sie mir, es ist besser für Sie, Ihr Leib und Ihr Leben.

       Solltest Du mein liebes Kind allerdings, diesen für Dich bestimmten Brief gefunden haben, so bin ich einerseits froh, dass er der Richtigen in die Hände fällt, andererseits versetzt es mich in tiefe Trauer, da dies bedeutet, dass ich nicht mehr unter Euch weile und ich meinen kleinen Milchrahm allein auf weiter Flur zurücklassen musste. Ich bin untröstlich, dennoch wohlwissend diese Strafe verdient zu haben, wenn ich Dich nun mit diesem Schriftstück einer ebenso großen Gefahr aussetze, wie jener der ich zum Opfer gefallen bin. Allerdings ertrage ich die Vorstellung nicht, dass meine Kleine bis an ihr Ende im Ungewissen über den Verbleib ihres Papas bleiben wird, so wie Du stets im Ungewissen über den Verbleib Deiner Mutter warst. Ich will, dass Du weißt, dass ich Dich nie freiwillig verlasse, denn ich liebe Dich über alles Vorstellbare! Umso mehr schmerzt es mich, Dich in Gefahr zu bringen und Dir solch eine Verantwortung zu überschreiben. Nur bist Du vermutlich der einzige Mensch auf der Erde, dem ich noch trauen kann und die einzige Person, die in der Lage ist dafür zu sorgen, dass La flor de Verdad im Verbogenen bleibt und nicht in die falschen Hände fällt. Seitdem Du in den Kreisen dieses Arztes verkehrst habe ich ein ungutes Gefühl.

       Sobald du fündig bist, wirst du verstehen. Sobald Dein letzter Atemzug getan, wirst bei mir sein…

       Gott möge mir vergeben, denn ich muss Dich um einen letzten Gefallen bitten. Wenn es Dir möglich ist, finde La flor de Verdad und trage Sorge dafür, dass sie in den nächsten Jahrhunderten nicht gefunden werden kann. Es muss sein. Damit am Ende der Verstand nicht kopfsteht. Da ich Dir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sagen vermag, weil ich nicht weiß, ob Du letztendlich Empfänger meiner Nachricht wirst, sei nur so viel gesagt. Sollte es Dir schlecht ergehen, halte ein und erinnere Dich an Platons Höhlengleichnis.

       In ewiger Liebe, Papa

      Mit glasigen Augen hielt sie den in Sütterlin-Schrift gehaltenen Brief aus der Elfenbeindose vor ihre Nase und atmete tief ein. Sie drehte ihn um und wollte ihn wieder zurücklegen als sie plötzlich eine Unebenheit auf dessen Rückseite bemerkte. Aufgebracht sprang Credo hoch, lief zu ihrem Schreibtisch und sah im Licht der grünen Bänker-Lampe, in schwaches violett getaucht, eine Blume, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte.

      Auf einem dünnen Strang stand ein zylinderförmiger Kelch mit auslaufenden Spitzen zur Seite und inmitten der Blüte erhob sich ein feinstaubiger Stil. Am ehemaligen Schreibtisch ihres Vaters hatte sie ein solch dickes Papier mit derartiger Struktur bisher nicht gesehen. Auch einen Stempel mit dieser Blume hatte es nie gegeben. Es schien als wären unter der Blume eingestanzte Buchstaben vorhanden, oder eher Zahlen. Vielleicht waren es auch Koordinaten. Aber sie waren zu undeutlich und ohne Farbe als dass man hätte irgendwas Brauchbares erkennen können.

      Zornig wich sie mit ihrem Blick auf die grüne Bänker-Lampe aus, starrte einige Sekunden in das Licht während ihr eine Träne über die Nase glitt. Einen Moment überlegend fiel ihr ein, wie oft sie ihren lieben Papa Alfons enttäuscht hatte, weil sie stets ihren Dickkopf durchzusetzen versuchte. Schon vor langer Zeit als Vierjährige schnappte sie sich ihren Puppenkoffer mit Rädern und marschierte, fuchsig über die frühen Bettgehzeiten, zur Tür hinaus, um ihrem Elternhaus für immer den Rücken zuzukehren. Um ihr Überleben zu sichern hatte Credo die Taschen gefüllt mit Kaugummis von der Straße, die sie platt walzte, um sie an Kinder zu verkaufen, die draußen Gummihopse spielten, und kam mit ihrem Plan fast einen ganzen Häuserblock weit.

      Doch in letzter Sekunde bemerkten ihre Eltern den spontanen Auszug und holten die kleine Credo von der Straße. Diese war zwar selten befahren aber ab und an zischte schon ein wuchtiges Automobil an ihrer Haustür vorbei.

      Dann bekam sie lauten Ärger von ihrer Mutter, die als Ausdruck ihres Entsetzens stets mit „Schockschwerenot!“ reagierte. Doch ihr Vater hielt sich zurück, schüttelte nur seinen Kopf mit den Worten, „mein kleiner Milchrahm“. Geschlagen hatte er sie nie.

      Zum Ende seines Lebens benahm sich ihr Papa allerdings immer merkwürdiger. Sie liebte ihn über alles, aber er machte seiner Tochter Angst, als er tagelang in schmutzigen Cordhosen vor seiner Hermes Baby saß, obwohl er die Schreibmaschine nicht berührte. Dann sprach er ständig von einem Drachenwurz, manchmal futuristischer Technik wie ultraviolettem Licht, mit dem versteckte Schriften sichtbar werden, von sich wiederholenden Ereignissen, spirituellen Weisheiten und von Dingen wie, dass es nicht mehr allzu lang dauern würde bis die Welt Fernsehgeräte mit Farbe zu Gesicht bekäme und bald jeder davon eines im Haushalt führe.

       Sollte der alte Mann auf seine letzten Tage vielleicht verrückt geworden sein?

      Es machte sie wütend, dass auch er Credo viel zu früh allein gelassen hatte. Traurig faltete sie den Brief zusammen und legte ihn zurück in die Elfenbeindose. Und während der Wind draußen Zeitungsreste aufwirbelte, versteckte sie die Dose wieder unter der kaputten Diele.

      Die

Скачать книгу