Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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ging er dann zwar noch zu den Treffen, mittlerweile war zwischen den beiden Gruppen ein offener Krieg ausgebrochen, aber nicht mehr mit auf die Jagd.

      »Du bist feige, Ben«, warfen die Anderen ihm vor.

      »Ich? Ich bin feige? Weil ich nicht mehr zu fünft oder zu sechst auf einen Wehrlosen einschlagen will? Ihr seid feige, oder nennt Ihr einen Hinterhalt mit Zahlenmäßiger Überlegenheit etwa mutig?«

      Hector ergriff das Wort: »Nein, aber clever. Wir machen das doch alles nur für dich, Benito.«

      »Für mich? Habe ich Euch darum gebeten? Ihr macht das weil, ach, was weiß ich weswegen, aber auf jeden Fall nicht für mich.«

      »Willst du nicht mehr mit uns zusammen sein?«, fragte Mondgesicht.

      »Doch schon, aber nicht dafür. Dafür braucht Ihr mich nicht, dafür seid Ihr genug.«

      Nach einigem Hin und Her beschloss man, in kindlicher Unlogik, dass man Bens Standpunkt zwar akzeptiere, dass man ihn aber trotzdem für feige hielt, und er müsse erst eine Mutprobe bestehen, wolle er weiterhin bei den Diabolos bleiben.

      Ben schreckte wie aus einer Trance auf und malte gerade ein seltsames Gesicht, wie er es als kleiner Junge oft getan hatte. Dazu zog er einfach fünf kleine Linien nahe beieinander übers Papier, ohne dass diese sich berührten. Danach verband er die Endpunkte nach Gutdünken miteinander und zeichnete dort, wo er dachte, dass es ungefähr passen würde, Haare, Augen und Zähne ein, sodass ein Gesicht entstand, das meist witziger aussah, als die in den Cartoons. »Das habe ich ja schon Jahre nicht mehr gemacht«, dachte er. Er überflog seine Notizen und seine wie beiläufig gemachten Zeichnungen. Sein Blick blieb an etwas haften, das unmöglich von ihm sein konnte. Er schaute sich um, aber keiner seiner Kollegen zeigte ihm durch einen scheuen versteckten Blick an, ob man ihn verwirren oder hochnehmen wollte, und ob man jetzt auf seine Reaktion wartete. Ben musste es also selber geschrieben, oder sollte er lieber sagen, gezeichnet, haben. Aber es blieb seltsam. Erstens hatte er noch niemals so etwas gesehen und schon gar nicht selber zu Papier gebracht, und Zweitens konnte er sich nicht daran erinnern, es eigenhändig niedergeschrieben zu haben.

      Noch weiter rechts, neben den Computerdaten und unter einer Reihe gemalter Autos und Panzer, war eine Art Schrift zu sehen, oder Zeichen. Seltsame Kringel und Schleifen, die sich ohne Unterbrechung über mehrere Zeilen hin und her zogen. Ben kratzte sich am Kopf, er konnte sich keinen Reim darauf machen.

      Was hatte das zu bedeuten?

      Mombasa / Kenia, Montag 26. April, 09:00 Uhr

      Die letzten Minuten waren fast geräuschlos verstrichen. Niemand sprach, es war, als würde die Welt selbst den Atem anhalten. Nur in der Ferne hörte man leiser werdende Sirenen eines Rettungswagens, der ein verletztes Opfer in eine Klinik brachte. Gleich würde die Sonne hinter dem Gebäude verschwinden, dann müsste der Zugriff erfolgen. Und zwar schnell, da die steil aufsteigende Sonne schon bald wieder über dem Haus erscheinen würde. Dann würde sie den Einsatzkräften wieder ins Gesicht strahlen, sie blenden und der Vorteil würde zum Nachteil werden.

      Der Schatten des Neubaus zog langsam über die Kreuzung und die zuvor noch gleißende Szenerie wurde allmählich grau. Im ersten Moment erkannte man die Männer des Sondereinsatzkommandos in ihrer dunklen Ausrüstung, die am Gebäudeeingang auf ihren Einsatzbefehl warteten, gar nicht mehr. Nach allen Rückmeldungen war alles bereit und jeden Moment würde Roger Hanley den Zugriff befehlen.

      Der Neubau stand leer, und die Kreuzung war geräumt. Ferner waren die Wohnungen, die sich im Zielfeld des Schützen befanden, evakuiert. Außer den Polizeikräften waren also keine Bürger mehr in Gefahr. Hanley würde gleich einen einzigen Versuch unternehmen, um den Schützen zur Aufgabe zu bewegen. Danach würde die Sondereinheit das Gebäude stürmen und versuchen, den Täter zu überwältigen und zu verhaften. Würde der Kerl sich am Fenster zeigen, würde ihn einer der Präzisionsschützen ausschalten.

      »Roger! Roger? Worauf wartest du? Die Sonne bleibt nicht ewig hinter dem Gebäude. Gleich ist sie wieder da und dann sind unsere Jungs ohne Rückendeckung, weil meine Schützen nichts mehr sehen. Roger, was ist los, träumst du?«

      »Nein, ich bin da, und ich weiß. Es geht los.«

      Hanley führte das Megaphon vor die Lippen und schaffte es gleichzeitig fordernd und auch ruhig zu klingen: »Hören Sie zu! Hier spricht die Polizei! Dies ist die einmalige Gelegenheit für Sie, sich zu ergeben. Und Sie bekommen auch keine Bedenkzeit. Sie werden jetzt sofort Ihre Waffe aus dem Fenster werfen und sich mit erhobenen Armen gut sichtbar zu erkennen geben. Das ist Alles, ergeben Sie sich, Sie sind umstellt!«

      Er legte das Megaphon ins Auto, nahm sich das Funkgerät und wartete noch einige Sekunden, aber nichts geschah.

      »Roger!«, drängte der Hauptmann der Scharfschützen, Robert Mathenge, und David Solomon pflichtete ihm bei: »Es wird Zeit, Roger.«

      Hanley nickte kaum merklich, reichte seinem Freund das Funkgerät und schaute ihn ernst an. Dann wandte er sich wieder dem Neubau zu.

      Solomon kannte seinen Kollegen lange genug und wusste, was das bedeutete. Er drückte die Sprechtaste und das Signal erreichte den Kopfhörer des Leutnants: »O.K. Leetoo, holt ihn euch!«

      Leutnant Leetoo nickte und gab seinen Leuten einen Wink. Die Männer des Einsatzkommandos verschwanden, sich gegenseitig deckend, einer nach dem anderen im Haupteingang. Eine Tür, die es einzutreten galt, war noch nicht vorhanden. Der Leutnant ging mit den ersten seiner Männer und der Funkverkehr wurde eingestellt. Die Befehle waren erteilt, und jeder wusste, was er jetzt zu tun hatte. Man würde auf das Leben des Attentäters keine Rücksicht nehmen. So galten Roger Hanleys Sorgen einzig und allein den Männern, die ihn stellen mussten und die jetzt im dunklen Eingang verschwanden. Denn diese waren in Gefahr. Sie traten mit ihrem Leben dafür ein, dass solche Bestien zur Strecke gebracht wurden, und das immer wieder.

      Die Letzten der Männer betraten das Gebäude und Roger Hanley starrte es an, als wolle er seine Mauern mit den Augen durchdringen, um zu erfahren, was sich von nun an im Inneren abspielte.

      Der Schütze wurde zwar im obersten Stockwerk lokalisiert, dennoch wurde der gesamte Bau systematisch abgesucht. Vielleicht war der Attentäter ja nicht der einzige Verrückte in diesem Haus, oder er hatte seine Stellung gewechselt.

      Sich gegenseitig schützend, rückte das Kommando weiter vor. Die Spannung bei den Männern um Leutnant Leetoo stieg mit jeder Stufe. Beim routinierten Checken der Räume und Etagen, wobei Jeder abwechselnd den Anderen sicherte, waren die Nerven zum zerreißen angespannt. Die Polizisten hatten keine weitere Person entdeckt, allmählich näherten sie sich dem obersten Stockwerk, und was sie dort vorfinden würden, konnten sie nie so genau wissen.

      Die Präzisionsschützen hatten das oberste Geschoss und speziell das Fenster, aus dem vorhin die letzten Schüsse gefallen waren, fest im Visier. Der Eine oder Andere schwenkte mit der Waffe hin und her und beobachtete durch sein Zielfernrohr die ganze Etage. Die Zieleinrichtungen waren durch ihre stufenlosen Einstellschrauben genau justiert. Die Linsen waren gereinigt. Einige Männer hatten sich eine Augenklappe über das Auge gezogen, das sie zum Zielen nicht brauchten, damit sie nicht plötzlich durch ein Muskelzucken im Gesicht, meist durch Ermüdung bei langem Zielen hervorgerufen, irritiert wurden. Die Waffen waren entsichert und die Finger waren am Abzug, der Druckpunkt allerdings noch nicht gesucht, damit sich nicht versehentlich ein Schuss löste. Beim geringsten Anzeichen eines möglichen Zieles würden sie die Finger wenige Millimeter zurücknehmen und am Druckpunkt verharren. Der Täter hatte auf Polizeikollegen geschossen und die Möglichkeit zur Aufgabe ungenutzt

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