Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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gibt es noch ein anderes Stichwortverzeichnis, eine andere Datei, noch mehr Namen, gib mir irgendetwas«, flehte er verzweifelt.

      »Ich kann dir natürlich eine Liste ausdrucken lassen mit den Namen aller inhaftierten und gesuchten Mörder, Totschläger, Vergewaltiger und sonstiger Gewaltverbrecher in Australien, bis runter zum kleinsten Sittenstrolch, aber die wird lang.«

      »Mist!«, schimpfte der nach einem Strohhalm suchende Inspector und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zu seinem Schreibtisch und setzte sich auf seinen Mantel.

      Barbara Pasetti war froh, dass er ging, öffnete die zuvor geschlossene Akte und machte sich wieder an ihre Arbeit.

      O`Mailey fiel in sich zusammen, legte die Stirn auf seine Unterarme und es sah aus, als würde er schlafen.

      Ely / East Anglia, Montag 26. April, 09:15 Uhr

      Louis Cramshaw hatte seit geraumer Zeit nichts von den Vorfällen am Marktplatz gehört und genausowenig waren die Kollegen, die schon früh aus der Station gestürmt waren, zurückgekehrt. Er hatte zwei Berichte ins Reine getippt und machte nun eine kleine Pause. Die Berichte zu schreiben war normalerweise nicht seine Aufgabe, aber er erfüllte diese solange, bis sein Vorgesetzter anders entschied.

      Vor einiger Zeit hatte Louis einen Unfall; als er bei seinem Streifengang durch die Broad Street sah, wie eine Gestalt aus einem Geschäft stieg und versuchte unauffällig wegzugehen. Dies war dahingehend ungewöhnlich, da es später Abend war und die Gestalt durch die zertrümmerte Glastür kletterte. Er stieg aus der Apotheke und Louis rief ihn an stehenzubleiben, aber der Einbrecher begann zu laufen und verschwand hinter der nächsten Ecke. Louis eilte ihm nach, doch ihn erwartete eine böse Überraschung. In dem Moment, in dem er um die Ecke bog, traf ihn ein heftiger Schlag vor die Beine. Er stürzte, überschlug sich noch zwei Mal und als er dann still dalag, raubte ihm der furchtbare Schmerz fast die Sinne.

      Er hörte, wie eine Eisenstange fallen gelassen wurde, sich schnell entfernende Schritte, konnte aber seinen Angreifer nicht erkennen. Louis kroch zum Straßenrand, wo er wenig später gefunden wurde.

      Er hatte links eine offene Unterschenkelfraktur und rechts, weil er versucht hatte sich abzufangen und dabei gestürzt war, einen Bänderriss im Sprunggelenk. Die Verletzungen waren fast völlig ausgeheilt, sah man einmal von einem fast unmerklichen Hinken ab, das man aber auch nur dann wahrnahm, wenn man Louis und den Vorfall kannte. Ansonsten fiel es gar nicht auf. Das psychische Problem war allerdings größer, als angenommen.

      Ely in der Grafschaft Cambridgshire war ein ruhiges, ja fast verschlafenes Städtchen mit gerade einmal knapp über 20.000 Einwohnern in ihren kleinen Häuschen, die enge Gassen säumten. Ein nächtlicher Einbruch und ein Angriff auf einen Polizeibeamten waren bisher undenkbar. Deshalb war Louis` Vorgesetzter, Chief Constable Eltringham, der Meinung, etwas Büroarbeit würde ihm ganz gut tun. Da aber so wenig geschah, stürzte er sich immer gerne ins Getümmel, wenn dann doch einmal etwas passierte, wie eine Prügelei in einem der wenigen Pubs, ein Verkehrsunfall etwa oder ein Selbstmörder, wie sie ihn vor ein paar Jahren schon einmal hatten, und nun anscheinend wieder. So passte es Louis natürlich ganz und gar nicht, dass jetzt endlich einmal Leben in die Bude kam und er nur zum Zuschauen verdammt war. Da kam ihm eine glänzende Idee: zum Zuhören. Er schob die beiden Berichte zusammen und machte sich auf den Weg in die Funkzentrale.

      »Hallo Louis«, begrüßte Ruth ihn. »Was gibt es Neues?«

      »Nichts Großartiges, ein gestohlen gemeldetes Auto und Finney ist schon wieder eine Ziege entlaufen.«

      »Na immerhin«, versuchte Betty ihn aufzumuntern. Allerdings verzog Louis die Mundwinkel und bedachte sie für diese Bemerkung mit einem beleidigten Blick.

      »Und wie sieht es hier aus? Was ist am Marktplatz so los?« Louis versuchte gleichgültig zu klingen.

      Ruth zischte und gab ihm mit einer wedelnden Handbewegung zu verstehen, er solle ruhig sein und sich auf den freien Stuhl in der Ecke setzen. Betty rutschte mit ihrem Stuhl näher an ihn heran, beugte sich zu Louis und erklärte flüsternd: »Wir sind doch jetzt nur noch Zuhörer. Donalds ist direkt mit der Zentrale in Cambridge verbunden und hat auch schon um Verstärkung gebeten. Wahrscheinlich werden sogar noch zusätzliche Kräfte aus Norwich herangezogen, oder sogar Spezialkräfte aus London.«

      »Ja, aber wofür?«, unterbrach Louis Betty.

      »Hör doch mal zu. Du kennst Richard Foley? Seine Eltern haben den Friseursalon in der Chapel Street.«

      »Ja klar, der kleine Ricky.«

      »Pst«, zischte Ruth, rückte mit ihrem Ohr näher ans Funkgerät und Betty wisperte: »Der kleine Ricky ist mittlerweile Neunzehn und im Moment steht er mit einer Waffe in der Hand bei Cole`s im Lebensmittelladen und hat mit Veronica Cole und Kunden zusammen fünf Geiseln.«

      Louis, der die ganze Tragweite des Gehörten noch gar nicht begriffen zu haben schien, überlegte, ob dies Rickys Vater wohl gefiele. »Was will er denn?«, fragte er und es wurmte ihn immer mehr, wie er hier zum Nichtstun verurteilt war.

      Ruth machte wieder: »Pst.«

      »Das weiß man anscheinend noch nicht. Soweit bekannt ist, hat er noch gar keine Forderungen gestellt. Ein Psychologe der Universität Cambridge wurde informiert und Foleys Eltern ebenso. Die können vielleicht sogar mehr erreichen als dieser Psychologe. Der Laden ist umstellt und im Moment tut sich nichts. Wir hören halt nur zu und versuchen, über die wenigen Funksprüche unsere Informationen zu beziehen und uns ein Bild zu machen.«

      Louis hatte sich in der Zwischenzeit eine Pfeife angezündet und strich mit dem Mundstück über seinen feinen Oberlippenbart. Der Rauch störte Ruth ungemein. Hätte sie jedoch etwas gesagt, wäre sie beim Lauschen unterbrochen worden, obwohl es im Moment nur statisches Rauschen zu hören gab, aber sie wollte auf keinen Fall etwas verpassen. Louis lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und begann zu überlegen.

      Ricky Foley? Bewaffnet? In Coles Laden? Geiseln? In Ely? Warum?

      Er zog an seiner Pfeife, hielt den Rauch einen Moment in sich gefangen und entließ ihn langsam, wobei seine blaugrauen Augen hinter den Schwaden nahezu verschwanden.

      Richard Foley war das einzige Kind im Hause seiner Eltern und wurde somit von diesen dementsprechend fürsorglich behandelt und wuchs fast verhätschelt auf. Das Geschäft seiner Eltern lief gut. Da es in dem kleinen Städtchen nicht viele Friseure gab, fehlte die ganz große Konkurrenz. Ricky war nicht vorbestraft, ja nicht einmal bei der örtlichen Polizei negativ aufgefallen. Er hatte seit einiger Zeit eine feste Freundin und keine Geldprobleme, zumindest keine, von denen man wusste. An Drogenprobleme dachte Louis noch nicht einmal, so abwegig war der Gedanke.

      Jetzt war Ricky bewaffnet. Natürlich hatten einige der Landwirte rings um Ely Flinten auf ihren Höfen, aber die Foleys hatten ein Friseurgeschäft. Hatte Ricky die Waffe in der Nähe gestohlen? Hatte er sie sich in einer anderen Stadt besorgt oder woher kam sie? Im Grunde gab es für diesen Punkt viele Möglichkeiten. Wichtig war im Augenblick auch nur, dass er eine Waffe hatte. Und was machte er damit in Coles Lebensmittelladen? Erpressung? Die Familie Cole? Ihr Laden ging zwar ähnlich gut wie der von Rickys Eltern, aber viel blieb am Monatsende nicht übrig, da die fünfköpfige Kinderschar das Zurücklegen eines Sparpfundes verhinderte. Viel gäbe es dort nicht zu holen. Ging es um einen der Kunden? Wer wusste schon, wer sich im Moment im Laden aufhielt? Aber Louis fiel niemand aus der Umgebung ein, für den sich dieser ganze Aufwand gelohnt hätte. Vielleicht ein Streit mit jemandem? Aber bei diesem Ausmaß musste es sich schon

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