Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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den Fersenknochen in seinem Fuß, und er würde weiterhin ein leichtes Humpeln zurückbehalten. Aber was bedeutete das schon, wenn man ein Leben, und dazu noch das eines Kindes, gerettet hatte? Einer weiteren Frau wurden leichte Schnittverletzungen im Gesicht und an den Händen gesäubert. Bis auf winzige Narben, die man kaum bemerken würde, war sie mit dem Schrecken davongekommen.

      Gepanzerte Fahrzeuge des Sonderkommandos kamen behäbig herangerollt und fuhren bis neben die bereits anwesenden Wagen, aber zwei fuhren weiter genau auf die Kreuzung und stellten sich direkt neben die beiden Verwundeten, die immer noch auf der Straße lagen, und schirmten sie zum Neubau hin ab. Türen sprangen auf, Beamte, in dunkler Kleidung und mit Helmen und Splitterschutzwesten ausgestattet, liefen auf die Fahrbahn und sicherten die Umgebung, schwere Schilde in ihren Händen haltend. Andere nahmen den Mann und den kleinen Jungen auf, luden sie in die Fahrzeuge und fuhren, nachdem alle wieder eingestiegen waren, zu den bereitstehenden Rettungswagen. Das alles geschah so schnell, dass lediglich ein Schuss den Asphalt traf und niemanden verletzte. Aber alle zuckten zusammen und nun war das Fenster lokalisiert, hinter dem der Schütze sitzen musste.

      Dem angeschossenen Mann hätte man vielleicht noch helfen können, wenn er sofort, nachdem er getroffen worden war, in eine Klinik gekommen wäre, aber so war er verblutet und schon etliche Minuten ohne Atmung gewesen. Eine dennoch eingeleitete Reanimation blieb erfolglos.

      Ken hatte einen Durchschuss unter dem rechten Schlüsselbein. Er würde bald wieder auf den Beinen sein und bis auf zwei geringe Nachwirkungen keine größeren Schäden davontragen. Da war zum Einen die kleine Narbe an seiner Schulter, die aussehen würde, als hätte ein Arzt bei der Pockenimpfung gepfuscht, und zum Anderen seine Erinnerung, obwohl er eigentlich gar nichts wusste. Dennoch erzählte er später die ganze Geschichte, das entstandene Chaos, das Eintreffen und die Maßnahmen von Rettungsdienst und Polizei, als hätte er das Alles von einem sicheren Logenplatz aus verfolgt. Zum Beweis dafür, dass er dabei gewesen war und auch selber betroffen war, würde er dann seine Narbe zeigen. Das würde jedes Mal eine tolle Geschichte werden, nur Naomi würde eifersüchtig und neidisch werden, weil es nicht ihre Geschichte war. Sie konnte sich nämlich an nichts mehr erinnern. Ihre Erinnerung setzte nach dem ersten Schuss erst in dem Moment wieder ein, als ein freundlich lächelnder Mann ihr linkes Ohr rieb und dies höllisch brannte.

      Sie fragte nach ihrem Freund, und man sagte ihr, es würde Alles wieder gut werden. Dennoch dauerte es eine geraume Zeit, bis man sie vollends beruhigt hatte. Das Schlimmste aber war, dass die ganze Angelegenheit Kens Geschichte war und nicht ihre, denn sie als die weltgrößte Geschichtenerzählerin wusste nicht mehr, was geschehen war. Da würde es auch nicht helfen, wenn sie später ihr vernarbtes Ohr zwischen die Finger nahm und daran rieb.

      Die letzten Panzerwagen rollten heran und aus einem weiter hinten anhaltenden Fahrzeug stieg eine imponierende Gestalt. Am Wagen vorbei nahm er die gesamte Szene in sich auf.

      »Roger?«, wurde er angesprochen.

      Er wandte sich um und erblickte seine beiden Freunde David Solomon und Robert Mathenge. »Guten Morgen David, hallo Robert«, erwiderte Roger Hanley, der Einsatzleiter.

      David Solomon berichtete knapp: »Vermutlich ein einzelner Schütze, oberstes Stockwerk. Meine Jungs sind bereit und ich warte nur auf deinen Befehl.«

      Solomon war der Leiter des Sondereinsatzkommandos. Er hatte seine Leute an der Häuserfront rechts und links neben dem Eingang Aufstellung nehmen lassen. Sie warteten nur noch darauf, das Gebäude zu betreten, wobei sie dort unten relativ sicher waren, denn um einen von ihnen im toten Winkel zu erwischen, hätte sich der Schütze schon recht weit aus dem Fenster lehnen müssen und hätte dabei selber ein wunderbares Ziel für die Scharfschützen abgegeben. Diese hatten in sich in den Häusern gegenüber des Neubaus befindenden Zimmern Position bezogen, nachdem die Bewohner zum Verlassen ihrer Wohnungen aufgefordert worden waren, und zielten auf das Dachgeschoss.

      »Ich warte nur noch auf die Bestätigungen«, beendete Mathenge, der Chef der Präzisionsschützen, seinen kurzen Bericht.

      »Danke«, antwortete Roger, drehte sich wieder um und überblickte die Kreuzung.

      Die noch tief stehende Sonne würde gleich für kurze Zeit hinter dem Gebäude verschwinden. Dann würde niemand mehr geblendet werden, und auch der letzte Scharfschütze hätte freie Sicht. Eine bedrückende Stille senkte sich für einen Moment über das Geschehen.

      »Wenn das die Ruhe vor dem Sturm war«, dachte Roger bei sich, und es war ruhig, von den etwa zweihundert anwesenden Personen sprach kaum jemand »dann würde es einen schlimmen Orkan geben.«

      Sioux City / Iowa, Montag 26. April, 08:05 Uhr

      Greg Bascomp griff nach seinem Mikrofon, drückte die Sprechtaste, nannte seine Rufnummer und fügte hinzu: »O.K. Ich hab`s mitgekriegt, alle zur Allan Street. Verkehrswidriges Verhalten. Ich bin auf dem Weg.«

      »Sei vorsichtig«, ermahnte ihn Nancy, die junge Kollegin, die Funkdienst in der Leitstelle hatte.

      Greg war zweimal mit ihr ausgegangen. Sie stand auf seine blonden Stoppelhaare und seine klaren hellblauen Augen und er auf ihre Kurven. Nach der zweiten Verabredung waren sie bei ihm gelandet und ihr starkes Verlangen hatte ihnen beiden eine lange Nacht beschert, in der keiner von ihnen zu kurz gekommen war. Doch bereits am nächsten Morgen hatte sie sich verändert. Während sie noch am Abend zuvor das schüchterne Kleinstadtmädchen gewesen war, der Greg die folgende Nacht gar nicht zugetraut hatte, gab es bis zum Mittag bereits ein Dutzend Gründe, um an ihm herumzumäkeln und ihre penible Art ging ihm sofort auf die Nerven. Aber als Nancy dann gesagt hatte »Na ja, das ändert sich Alles, wenn wir erst einmal verheiratet sind«, bekam Greg zu viel. Er hatte sie nach Hause gefahren und ihr vor ihrer Tür erklärt: »Niemand hat etwas von heiraten gesagt.« Er hatte ihr noch darlegen wollen, wie er sich ihre Beziehung vorstellte, falls es eine Beziehung geben sollte, war aber nicht mehr weit gekommen, da Nancy ihm ins Gesicht geschlagen hatte, aus dem Wagen gesprungen und im Haus verschwunden war. Ihr Verhalten zu ihm hatte sich seitdem merklich abgekühlt, sie war aber weiterhin freundlich zu ihm.

      »Bitte sei vorsichtig«, sagte sie erneut. »Du weißt, Sam sitzt noch hier auf der Station und wartet auf dich.«

      »Schon gut«, antwortete Greg, »ich werd`s nicht übertreiben.« Er hängte das Mikrofon zurück an den kleinen Haken, schaltete die Alarmlichter und das Signalhorn ein und kurbelte das Fenster hoch, damit ihm der auf- und abschwellende Ton nicht zu laut in den Ohren jaulte.

      Sam war sein Partner. Es war zwar noch ein bisschen Zeit, bis zu seiner Pensionierung, aber mit seinen 46 Jahren hatte er genug Erfahrung im Streifendienst, um dem jungen Polizeischüler alle Tricks und Kniffe beizubringen. Der 21-jährige Sergeant-Anwärter Gregory Bascomp war froh, mit Sam Moore Dienst zu tun.

      Genau genommen durfte er diesen Einsatz alleine gar nicht annehmen, aber was sollte schon schief gehen? Man brauchte halt viele Wagen, um einen Verkehrsrowdie zum Anhalten zu bringen. Greg hatte noch drei Wochen Praktikum vor sich und der alte Hase Sam hatte ihm schon oft geholfen und er hatte einiges von ihm gelernt, besonders, was den Umgang mit Menschen anging. Die meisten Bürger verhielten sich ganz anders, wenn ein Uniformierter vor ihnen stand.

      Nach der Praktikantenzeit würde er noch einmal an die Akademie, nach Des Moines, gehen, um seinen Abschluss zu machen. Er hoffte auf ein gutes Ergebnis und eine darauffolgende Rückkehr als Polizist in seine Stadt.

      Sam Moore wohnte in der Nähe der Polizeistation und ging die kurze Strecke immer zu Fuß. So konnte Greg den Dienstwagen nehmen, holte ihn von der Station ab, oder manchmal auch von zu Hause, und sie begannen mit ihrem Streifendienst.

      Im

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