Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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und meldete sich bei Greg: »He Junge, mach mir keine Schande, verstehst du?«

      »Hallo Sam, altes Haus. Hast du nichts Anderes zu tun, als mit Nancy zu flirten? Keine Bange, ich werde mich bemühen, dir alle Ehre zu machen. Außerdem bin ich ja nicht alleine auf der Straße.«

      »O.K.«, meinte Sam, »gib auf dich Acht.«

      Greg folgte dem Hamilton Blvd, der einen Schwenk in südwestliche Richtung nahm. Er wollte zur W 4th Street, die direkt auf die Allan Street traf.

      Sioux City war keine der großen bekannten Metropolen, und mit seinen knapp 100.000 Einwohnern ungefähr halb so groß wie die Landeshauptstadt Des Moines, und so fehlte auch die Art Innenstadt, wie sie für die Großstädte typisch war, mit ihren riesigen Verkehrsknotenpunkten und gewaltigen Wolkenkratzern. Rund um die Stadt gab es zahlreiche Farmen. Ein Großteil der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und ein wenig Viehzucht. Im Westen der Stadt zog der Missouri dahin, auf dem die Erträge in den Süden, bis zur Küste, an der die Industrie blühte, gelangten. Durch die geographische Lage Iowas, genau zwischen Missouri und Mississippi und den fruchtbaren Lössboden, gehörte der Staat zur Kornkammer der USA. Den Menschen, die dort lebten, ging es gut. Ein großes Land wollte ernährt werden, und so gab es eher geringe Arbeitslosigkeit.

      Um die Innenstadt herum gab es viele kleinere Häuser, mit winzigen Vorgärten und genug Platz und Wohnraum für Alle. Es war ein beschauliches Städtchen, man kannte und achtete sich und so kam es selten zu Reibereien unter Nachbarn.

      Im Zentrum befanden sich die Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, die zwar nicht so imposant waren, wie etwa die Skyline von Manhattan, die sich aber trotzdem deutlich hervortaten. Die größten Getreidesilos und Ställe für das Vieh, das auf seine Verladung wartete, befanden sich am Fluss. Die Arbeit dort war hart und wurde gut bezahlt.

      Es gab eigentlich gar keinen Grund für irgendjemanden, wie ein Irrer durch die Gegend zu rasen. Es konnte sich doch nur um einen Auswärtigen handeln. Am Wochenende schlugen schon mal ein paar Jugendliche mit ihren aufgemotzten Karren über die Stränge und wollten vor ihren Freundinnen angeben, denn das Nachtleben ließ in einer relativ kleinen Stadt wie Sioux City zu wünschen übrig. Allein Des Moines war in dieser Hinsicht schon eine andere Welt, wie Greg von der Akademie her wusste. Von den Millionenstädten ganz zu schweigen.

      Greg schloss den betrunkenen Angeber aus, es war Montagmorgen. Folglich musste es sich um einen Fremden handeln. Laut den Nachrichten, und dem, was er selber aus Des Moines kannte, gab es in den Großstädten genug Verrückte, so dass man auf Alles vorbereitet sein musste. Hoher Personen- und Sachschaden, hatte Nancy gesagt. Das konnte doch niemand aus dieser Stadt verursacht haben.

      Greg fuhr auf das Zentrum zu, immer noch Richtung Süd-Westen. Die wenigen Fahrzeuge vor ihm fuhren an den Fahrbahnrand und ließen ihn passieren. Bald musste er in die W 4th Street abbiegen.

      Jetzt kam ihm eine andere Idee. Der Fahrer bzw. die Fahrerin musste nicht nur gestoppt werden, er oder sie musste schnell gestoppt werden. Der Missouri bildete die Staatsgrenze zu Nebraska. Falls der oder die Flüchtige erst den Fluss überquert haben würde, wäre es für die Beamten des Sioux City Police Departments unmöglich, den Wagen weiter zu verfolgen. Und Greg bezweifelte, dass die zuständige Behörde des Nachbarstaates sofort zur Stelle wäre, um den Wagen in Empfang zu nehmen.

      Im Nord-Westen lag, auch nicht weit entfernt, South Dakota. Sioux City befand sich praktisch im Schnittpunkt dieser drei Staaten. Auch dorthin könnte man schnell gelangen. Es war also alles eine Frage der Zeit. Einerseits durfte niemand mehr verletzt werden, und andererseits sollte der oder die Flüchtige Iowa nach Möglichkeit nicht verlassen.

      Inzwischen folgte Greg ein weiterer Streifenwagen, als wäre er selber auf der Flucht. Er erkannte im Rückspiegel, es handelte sich um Walter Anderson und Steve Barnes. Beide, die in der gleichen Schicht waren wie er, kannte er gut. Mit Steve, der etwa so alt war wie Greg, und drei anderen Polizisten ihrer Schicht, traf man sich ab und zu zum Monday Night Football Game oder gelegentlich zu einer Pokerpartie. Steve war der Sohn eines Polizisten und früher in die Fußstapfen seines Vaters getreten, als Greg seinen Dienst aufgenommen hatte. Er war seit etwa einem Jahr mit der Ausbildung fertig und hatte ganz gute Noten von der Akademie mitgebracht, obwohl sich sein Vater noch bessere Ergebnisse gewünscht hatte. Würde Greg Steves Noten haben, wäre er mehr, als zufrieden.

      Der 49-jährige Walter Anderson war schon Polizist, als Greg heranwuchs und wohnte ganz in der Nähe seiner Eltern. Nach einer Mutprobe, die in die Hose ging, lernte er seine Handschrift kennen. Er wollte ein paar Äpfel aus dem Garten neben Andersons Haus stehlen. Wer bestahl schon einen Bullen, könnte man denken, aber sonst wäre es ja keine Mutprobe gewesen. Er wurde erwischt und Walter hatte ihm den Hintern versohlt. Dann hatte er ihm seine Dienstmarke und seine Waffe gezeigt und ihm Horrorstories von dunklen Kerkern erzählt, in die er Greg werfen wollte, wenn er ihn noch einmal beim Stehlen erwischen würde. Greg ging eingeschüchtert nach Hause, verbrachte die Zeit beim Abendessen stehend und stahl nie wieder etwas. Seitdem hatte sich die Frage »Na, was macht dein Hintern?« zur Begrüßung zwischen ihnen Beiden zu einer Art Running Gag entwickelt.

      Greg fuhr vom Hamilton Blvd nach rechts in die W 4th Street, seine Kollegen folgten ihm, schlitterte mehr um die Kurve, als dass er sein Fahrzeug lenkte und wäre beinahe mit einem anderen Streifenwagen kollidiert, der rasant einen Übertragungswagen des hiesigen Fernsehsenders, einem von NBC aufgekauften lokalen Kleinsender, überholte. Greg riss das Steuer herum, bog scharf nach rechts in die W 4th Street ein, rutschte über die gesamte Fahrbahn, prallte fast gegen andere Fahrzeuge, die auf der linken Seite geparkt waren, bekam den Wagen aber wieder in den Griff und steuerte zurück auf den rechten Fahrstreifen, wo er erst einmal kräftig durchatmete.

      Viel Zeit zum Verschnaufen blieb ihm allerdings nicht, denn jetzt war Greg mittendrin in der Verfolgungsjagd. Hinter ihm, wovon er allerdings nichts mehr mitbekam, rauschte der Wagen seiner Kollegen in die Seite des Übertragungswagens.

      Greg nahm jedoch in aller Deutlichkeit wahr, welches Bild sich ihm hier bot.

      Wollongong / Neusüdwales, Montag 26. April, 09:00 Uhr

      Henry O`Mailey saß in Heathers Cafè, wo er öfters vorbei sah, wenn er überlegen musste, was ihm dieses Mal noch schwerer fiel als üblich. Er trank einen Kaffee, wodurch seine Magenschmerzen erneut auftraten. Vor ihm stand auch ein Stück Mohngebäck, das er allerdings nicht angerührt hatte. Obwohl er es bestellt hatte, wusste er, er würde es wahrscheinlich gar nicht essen. Der untersetzte, in sich zusammen gefallene Mann, wirkte hinter dem Tisch noch kleiner. Er stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und drückte seine Handballen auf die Augen. Dann fuhr er sich durch sein unordentliches rot-braunes Haar und kratzte sich am Kinn. Dabei erzeugten seine Stoppeln ein kratzendes Geräusch. Er dachte nicht an eine Rasur, obwohl er sie nötig gehabt hätte. Seine grauen Augen schienen noch trüber, als sonst. Er kramte eine Zigarette aus seinem Mantel und entzündete sie, während er scheinbar teilnahmslos geradeaus starrte. In seinem Innern sah es hingegen wahrhaftig anders aus.

      Seit die Spurensicherung das Haus für ihn freigegeben hatte, hatte er bereits zehn Zigaretten geraucht, ohne, dass es ihm bewusst gewesen wäre. Und es war erst 09:00 Uhr morgens.

      Was O`Mailey vom Eingang des Hauses aus sah, war erst die Einleitung des Schreckens, der sich dort abgespielt haben musste.

      Im ganzen Haus verteilt fand man die Überreste der Familie Nillensson. Die vollständigsten Teile waren noch die Oberschenkelknochen der Erwachsenen. Völlig zerstörte und ausgenommene Körper. Organe, die überall herumlagen, blanke Knochen, zerfetztes Gewebe, auf einer Treppe ein zerschmetterter Schädel und überall Blut, auf dem Boden, an den Wänden, auf den Möbeln, auf der Treppe und auf dem Geländer, ja sogar

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