Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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15 Minuten artiger Konversation, einem Croissant, einer Tasse Kaffee, einem Glas frisch gepressten Orangensaft und einem Schluck Wasser, fuhr er in die Stadt. Mit Missbilligung nahm seine Mutter zur Kenntnis, dass er seine beidseitig gebratenen Eier nicht angerührt hatte.

      Kurz vor halb Neun kam er am Polizeirevier an. Das Gebäude war überschaubar und er hatte auch nicht sehr viel zu tun. Gerade als er das Revier betrat, stürzten uniformierte Kollegen an ihm vorbei und zur Tür hinaus. Ein wenig wehmütig blickte er ihnen nach, wie immer, wenn es einen neuen Einsatz gab, mit dem er wieder einmal nichts zu tun hatte. Dafür würde er aber hinterher die Berichte mit großer Begeisterung lesen.

      Er stieg die Treppe hinauf, bog nach links in den Gang ein und betrat nach wenigen Metern sein Büro. »Alles in Ordnung«, dachte er. Die Akten standen in der richtigen Reihenfolge im Regal, der Schreibtisch war aufgeräumt, so wie er ihn am Tag zuvor verlassen hatte, der Papierkorb war leer, und als erstes gab er jetzt den Kakteen auf der Fensterbank ein paar Tropfen Wasser, wie jeden Montag und Donnerstag um kurz nach halb Neun.

      Er war fast fertig mit seiner Tätigkeit, als Betty hereinkam. Er hatte einmal vergeblich versucht, ihr brav den Hof zu machen. Sie sagte ihm, dass sie etwas mehr Draufgängertum bevorzuge, und seitdem sah er sie mit anderen Augen. Seine Mutter hatte ihn dazu erzogen, sich vor Mädchen, die allzu schnell zur Sache kommen wollten, sie nannte sie leichte Mädchen, zu hüten. Wenn die neumodischen Sitten der Gesellschaft die waren, dass Mann und Frau schon vor der Ehe zusammenkamen, dann sollte man sich zumindest schon lange kennen und miteinander vertraut sein.

      Betty war eine der Telefonistinnen des Reviers; eine, von denen immer zwei erreichbar waren. So taten sechs Telefonistinnen in drei Schichten rund um die Uhr ihren Dienst. Louis mochte Betty am liebsten, auch wenn sie vielleicht etwas fragwürdig sein sollte.

      Sie legte ihm die handschriftlichen Berichte vor, die die Beamten gestern kurz vor Dienstschluss noch schlampig hingekritzelt hatten, und die er jetzt ins Reine tippen sollte.

      »Was ist denn das für ein Einsatz, zu dem die halbe Mannschaft ausrücken muss?«, erkundigte sich Louis mit unverhohlener Neugier.

      »Genau weiss ich das auch nicht. Ruth hat die Meldung angenommen und weitergeleitet. Sie sagte irgendetwas von Geiseln und einem Selbstmörder auf dem Marktplatz.«

      »Wahrscheinlich«, schnaubte Louis sarkastisch. »Selbstmörder, Geiseln, wir sind hier in Ely und nicht in der South-Bronx.«

      »Ich habe einmal gehört, dass nicht Alle, die es vorhaben, es auch wirklich tun. Sich das Leben nehmen, meine ich. Mal sehen, was daraus wird.« Mit diesen Worten verließ sie sein Büro.

      Louis wusste, was jetzt passieren würde. Sie werden den Platz großräumig absperren, um die Schaulustigen fernzuhalten. Sie werden versuchen, Kontakt zum Geiselnehmer herzustellen, Scharfschützen werden ihn oder sie ins Visier nehmen und man wird verhandeln. Es war aufregend, sich die Szenerie vorzustellen. Aber, schließlich waren wir hier in Ely. Dennoch spann Louis den Faden weiter. Betty sagte Selbstmörder. Das erschwerte die Angelegenheit. Solche Leute konnte man nie hundertprozentig richtig einschätzen. Sicher war schon ein Psychologe unterwegs. Einer von denen, für die alles nicht so schlimm war, die über alles noch einmal reden wollten und die immer sicher waren, dass sich Alles noch irgendwie zum Guten wenden ließe.

      Man stelle sich das einmal vor: »Warum ich mich vom Dach stürzen will? Das werde ich Ihnen sagen. Meine Frau, meine hochschwangere Frau, hatte einen Autounfall, beide tot. Mein Geld ist bei einer Fehlspekulation draufgegangen. Man hat mich gefeuert, ich habe jetzt keinen Job mehr. Ich habe erfahren, dass ich eine unheilbare Krankheit habe und dass ich qualvoll sterben werde. Mein Haus ist abgebrannt, in dem sich noch meine Mutter befunden hatte, auch tot. Und jetzt ist auch noch mein Hund weggelaufen, ganz davon abgesehen, dass mein Cricket-Team abgestiegen ist.«

      »Aber das ist doch nicht so schlimm. Das Leben geht weiter, wir können ihnen helfen.«

      Und wenn er noch den kleinsten Zweifel an seiner Tat hatte, dann sprang er spätestens jetzt. Louis kicherte in sich hinein. »Die meisten Männer auf dem Dach waren bestimmt Routine«, dachte er. »Entweder er sprang, und die Sache war gelaufen, oder er sprang nicht, und die Sache war auch gelaufen. So oder so, eine Woche später sprach niemand mehr vom Mann auf dem Dach. Außer hier in Ely vielleicht.«

      Louis Cramshaw konnte nicht ahnen, was in dem Mann vor sich ging, der für den Zwischenfall auf dem Marktplatz verantwortlich war, was sich in seinem Kopf abspielte. Genauso wenig konnte er ahnen, welch dramatische Wende sein ach so geregeltes Leben nehmen würde.

      Minsk / Weißrussland, Montag 26. April, 08:28 Uhr

      Es war sein erster Urlaubstag, von denen er sowieso nicht allzu viele hatte, und somit störte ihn das Klingeln des Telefons gewaltig. Er machte einen langen Arm, langte über die Frau an seiner Seite hinweg, hob ab und legte wieder auf. Er drehte sich um, zog die Decke mit, worauf die Frau sich zu regen begann. Gemurmel, sein Name, Juri, und erneut Gemurmel. Pause, dann wieder Gemurmel.

      »Du nervst!«, blaffte er schroff. Er konnte sie noch nicht einmal mit Namen anreden, denn er hatte erst gar nicht danach gefragt. Und wenn sie ihn ihm gesagt hatte, dann hatte er ihn vergessen. Es war ihm nicht wichtig.

      Das Telefon begann wieder zu läuten. Gemurmel neben ihm.

      Er war gestern Abend in einem dieser Cafés gewesen, die jetzt überall aufmachten. Sie war auch dort, saß ebenso alleine an einem der Tische, wie er selbst. Und wie war noch mal ihr verdammter Name?

      Klingeln. Gemurmel.

      Sie hatten etwas zusammen getrunken, über belangloses Zeug gesprochen und waren schließlich zu ihm gegangen. Beide waren sie Jäger gewesen und beide die Beute. Er hatte sie benutzt, schnell und kraftvoll und ohne ein tieferes Gefühl zu investieren.

      Klingeln.

      Sie stand auf und ging ins Bad, nackt wie sie war. Er hatte keinen Blick für sie übrig. Vielleicht wüsste er ihren Namen noch, wenn er etwas weniger getrunken hätte. »Ach, was soll`s?«, bockte sein umnebelter Geist. »Wen interessiert`s?«

      Klingeln.

      Juri wälzte sich herum, behäbig und verärgert. Er hoffte, der Anrufer würde die Geduld verlieren.

      Klingeln.

      Verdammt. Er hob ab, legte nicht wieder auf, und meldete sich mit einem gemurmelten: »Was ist los?«

      »Hören Sie zu!« Er erkannte die Stimme seines Vorgesetzten sofort. »Legen Sie nicht wieder auf, Tawarischtsch Kuznov.«

      Juri brummte missmutig.

      »Ich weiß, es ist Ihr erster Urlaubstag seit über einem Jahr, aber ich dachte mir, wenn Sie schon nicht an das Schwarze Meer fahren, wie üblich, kann ich Sie auch anrufen, falls ein Notfall eintritt und Sie verschieben Ihren Urlaub auf ein andermal. Ich weiß, Sie sind nicht der einzige Polizeihauptmann hier, aber erstens haben Sie schon einmal einen ähnlichen Fall bearbeitet, und zweitens möchten Sie vielleicht gerne ein paar Punkte zu Ihrer Beförderung zum Major sammeln. Wenn Sie schon einer unserer jüngsten Hauptmänner sind, wozu Zeit vergeuden?«

      Juri Ivanowitsch Kuznov verzog das Gesicht. Er hatte so gut wie gar nichts verstanden.

      »Sind Sie noch dran?«, fragte sein Vorgesetzter. »Hallo, Kapitan Kuznov?«

      Das Einzige, das in Juris schwerfälliges

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