Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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stand er nun. Dreckig, zerlumpt, sein schwarzes Haar völlig verfilzt, Blut im Gesicht, alle Knochen schmerzten und da fuhr es genau vor ihm vorbei, dieses große amerikanische Auto. Die Erwachsenen redeten wild auf ihn ein, aber er hörte sie gar nicht richtig. Er hatte nur Augen für diesen Wagen. Er war sehr groß und lang. Er hatte viele Türen und dunkle Fenster. Er war von tiefem blau und er glänzte wie das weite Meer. Ben kannte die Marke nicht, aber in diesem Moment war dieses Auto für ihn zu einem Symbol der Kraft und Sicherheit geworden. Er wollte nicht mehr weglaufen, oder geschlagen werden. In so einem Wagen konnte einem nichts mehr zustoßen.

      Und so hatte er angefangen all sein Geld zu sparen, auch auf der Polizeischule. Er wollte für Recht und Sicherheit einstehen und er wollte einen amerikanischen Wagen. Als es dann soweit war, reichte sein Geld lediglich für einen heruntergekommenen 1967er Buick, aber er liebte ihn.

      Als Ramon Bastion ihn einließ, fühlte Ben sich nicht wohl. Er hatte den Mann der Toten aus dem Bett geholt, in Unterwäsche stand er vor ihm. Es war immer eine scheußliche Angelegenheit, jemanden vom Tod eines geliebten Menschen zu unterrichten.

      »Was hat meine Alte jetzt schon wieder angestellt? Hat sie wieder das Gemüse geklaut? Hören Sie, Kumpel, wenn sie wieder Ärger gemacht hat, warum warten Sie nicht, bis sie nach Hause kommt, und kommen immer zu mir?«

      »Senor Bastion, Ihre Frau kommt nicht mehr nach Hause.«

      Bastion öffnete eine Flasche Bier mit den Zähnen, nahm einen tiefen Schluck, rülpste vernehmlich und knurrte: »Na toll. Und wer macht mir jetzt mein Essen?«

      »Sie haben mich vielleicht nicht richtig verstanden. Ich bin Kommissar Latas, Mordkommission. Senor Bastion, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Frau ermordet wurde.« In Bens Kopf formten sich schon die nächsten Floskeln von `Es tut mir sehr leid` über `Wir werden alles daran setzen, den Mörder Ihrer Frau zu verhaften` bis zu `Wenn es Neuigkeiten gibt, werden wir Sie natürlich sofort benachrichtigen`, als Bastion seine Gedankengänge unterbrach...

      »Das sieht ihr wieder ähnlich. Lässt sich irgendwo abmurksen und mich hier verrotten«, schimpfte der Mann ungehalten.

      Ben startete sein Programm: »Es tut...«

      »Ja sicher, es tut Ihnen leid und so weiter und so weiter. War`s das?«

      »Ich fürchte, nein. Ich habe noch ein paar Fragen an Sie. Meinen Sie, dass Sie sie schon beantworten können, oder soll ich morgen wiederkommen?« Ben war etwas erschrocken über die Reaktion des Witwers und hätte nichts dagegen gehabt, wenn er jetzt gehen konnte. Andererseits hätte er dann noch einmal wiederkommen müssen. Der Typ widerte ihn an. Bastion war es egal. Der ungepflegte und unsympathische Mann war verärgerter über die morgendliche Störung, als über die Tatsache, dass soeben seine Frau getötet wurde. Und während Ben seine Fragen abspulte, leerte er eine weitere Flasche Bier. Nein, sie hatte keine Feinde. Nein, er wüsste nicht, wer sie umgebracht haben könnte. Nein, er wüsste auch kein Motiv. Es gab keine Versicherung und es gab auch nichts zu erben. Nein, sie hatte auch nicht sehr viele Freunde. »Sie hing ja nur zu Hause rum.«

      Nach wenigen Minuten erhob sich Ben ohne den geringsten Hinweis.

      »Fragen Sie doch mal in der Näherei nach«, waren die letzten verständlichen Worte, die er noch mitbekam, ehe Ramon Bastions Artikulation in ein undeutliches Murmeln überging.

      Ben verließ die Wohnung, war froh über die frische Luft, stieg in seinen Wagen und fuhr in sein Büro. Vielleicht hatte ja der Gerichtsmediziner schon etwas herausgefunden. Er wollte erst den Bericht durchsehen, und später am Tag zum Arbeitsplatz der Toten fahren. Dann hätte er womöglich schon einen Anhaltspunkt. Oder sollte er der Pathologie noch etwas mehr Zeit geben und doch besser erst in der Näherei vorbei schauen?

      Wie konnte er ahnen, dass sich in diesem speziellen Fall die Suche nach dem Mörder komplizierter und andersartiger erweisen sollte, als Alles, was er bisher erlebt hatte.

      Mombasa / Kenia, Montag 26. April, 07:30 Uhr

      Wie jeden Morgen holte er sie um diese Uhrzeit von zu Hause ab. Ken Gordon war sieben Jahre alt und seine großen grauen Augen blickten neugierig in die Welt. Naomi Banda war ebenfalls sieben Jahre alt und ihre langen dunklen Locken wippten bei jedem beschwingten Schritt im warmen Wind. Sie gingen jeden Tag zusammen zur Schule.

      »Warum sagst du denn heute gar nichts? Du kannst doch sonst deinen Mund nicht halten und brabbelst den ganzen Tag.« Ken war ein wenig besorgt über die plötzliche Stille seiner Freundin.

      »Gar nicht«, erwiderte Naomi schnippisch.

      »Tust du doch.«

      »Tu ich nicht. Ich brabbele nicht, sondern ich erzähle.« Naomi hielt sich für eine gute Geschichtenerzählerin. Sie erzählte Geschichten, die sie erfunden hatte, solche, die sie irgendwo aufgeschnappt und auf sich zugeschnitten hatte, und solche, die stimmten. Neulich trug sie der staunenden Schulklasse die Story vom Schleimmonster unter ihrer Veranda vor.

      »Gestern Abend hörte ich einen leisen aber doch hohen und anhaltenden Ton.« Naomi spitzte ihre Lippen und ließ ein langgezogenes `Uuuuuhhh` erklingen. »Da ich allein im Haus war, musste ich es natürlich verteidigen, bis meine Eltern wieder da waren. Ich nahm also eine Peitsche und all meinen Mut zusammen und sah mich draußen um. Gerade war ich durch die Tür, als das Geräusch wieder erklang, direkt unter mir. Deswegen krabbelte ich unter die Veranda und zuerst sah ich nichts.« Wie zum Beweis kniff sie die Augen zusammen. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort und einige Mitschüler erschraken. »Aber dann! Zwei teuflische Augen und blitzende Messerzähne. Dann sprang es mich an. Das Monster, schrecklich haarig und furchtbar schleimig.«

      »Du spinnst ja«, wandte Tom Nelson, ein winziger Junge mit einer riesigen Brille, ein.

      Zur Strafe erntete er einen vernichtenden Blick aus Naomis dunklen Augen.

      Sie berichtete weiter: »Ich schrie und trat und kratzte und biß und schlug und zerrte. Und dann merkte ich, wie das Monster schwächer wurde. Nachdem es dann geflohen war, ging ich ins Haus zurück. Als ich es am nächsten Morgen meinen Eltern erzählte, waren sie ganz stolz auf mich.« Naomis strahlende Zähne mit der gähnenden Lücke grinsten in die Runde ihrer Zuhörer.

      »Das glaubst du doch selbst nicht«, hatte Tom gezweifelt und seine Brille hochgeschoben. Drei Mitschüler nickten.

      »Und was ist das?« Naomi öffnete ihre Hand und zeigte Allen ein kleines, mit einer seltsamen grünen Kruste verklebtes, Büschel Haare. »Das habe ich dem Monster aus dem Fell gerissen. Da seht Ihr es, es ist alles wahr.«

      Tatsächlich war an jenem Abend ihr Hund in einen nahen Tümpel gesprungen und über und über mit Wasserpest und Algen überzogen gewesen. Er kam mit wedelndem Schwanz nach Hause und stürzte sich auf Naomi, um sie abzulecken, was ihr überhaupt nicht gefiel und sie zeterte und jammerte.

      Aber wie sie jetzt mit dem vermeintlichen Beweisstück in der Hand dastand, wollte niemand mehr etwas Gegenteiliges behaupten. Eigentlich war es ihr egal, ob die anderen ihre Geschichten glaubten, oder nicht. »Hauptsache, sie hören mir zu«, dachte Naomi stets.

      Ken stieß sie leicht an der Schulter. »Hey, was hast du denn?«

      »Ich habe gestern etwas Schlimmes im Fernsehen gesehen.«

      »Kommt jetzt wieder eine Story?«, wollte er wissen. Er war überhaupt nur noch mit ihr zusammen, weil sie ihn nie belog. Na, meistens jedenfalls

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