Das Lied des Steines. Frank Riemann

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Das Lied des Steines - Frank Riemann

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ich bin noch dran, Tawarischtsch Oberst. Zum Amt?«

      »Ja, zum Amt.«

      »Bosche moi! Ich komme«, kratzte Juris Stimme. Er fummelte den Hörer auf den Apparat, hörte aus dem Bad die Frau ununterbrochen schimpfen, ohne genau zu verstehen, was sie sagte und fluchte.

      Nachdem er sie rausgeworfen hatte, diesmal fluchte sie und er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach ihrem Namen oder einer Telefonnummer zu fragen, und sich etwas angezogen hatte, fuhr er eine gute halbe Stunde zum Amt. Sein Vorgesetzter Oberst Burlakow wies ihn bei wässrigem Kaffee auf die Schnelle ein, dann fuhr er zum Tatort.

      Unterwegs zum Hochhauskomplex in der Straße Turgenewa ging ihm Alles noch einmal durch den Kopf. Pawel und Igor waren einem anderen Fall zugeteilt. Janzew lag noch im Krankenhaus, und er selbst ging in den Urlaub. So war gleich das gesamte Team aus dem Rennen. Die anderen Beamten seiner Abteilung waren mit anderen Aufgaben beschäftigt. Burlakow hätte es ihm auch befehlen können, aber im Hinblick auf seine Karriere hoffte er, Kuznov würde freiwillig zusagen. Ohne Partner musste er den Fall nicht unbedingt sofort lösen, und er sollte schon gar nicht alleine den Helden spielen und sich in Gefahr begeben, sondern erst einmal nur Informationen sammeln.

      Juri bog ab und hielt seinen kleinen Maskwitsch vor dem Haus, in dem vor knapp drei Stunden Pjotr Michailowitsch Ivanov ums Leben gekommen war. Die Todesursache schien klar, was fehlte, war das Motiv und natürlich der Täter. Zeugen gab es anscheinend keine. Als er das marode Treppenhaus betrat, fielen ihm gleich die Flecken an den Wänden auf. Die Mauern selbst stachen schon schmutzig grau hervor, aber die roten Flecken sprangen ihm sofort ins Auge. Jemand hatte den Kopf des Opfers solange an die Wand geschlagen, bis von ihm nicht mehr viel übrig war. Man hatte zwar die Leiche fortgeschafft, aber bis die Spritzer an den Wänden verschwunden sein würden, konnte es noch etwas dauern, da sich vermutlich niemand ernstlich darum kümmerte.

      Über den oder die Täter hatte Juri einige Vermutungen. Nun galt es, zu sortieren und immer mehr zu streichen, bis die richtige Lösung übrig blieb. Der Täter musste groß und kräftig sein, um so etwas zu tun, oder er war rasend vor Wut, das Opfer war nämlich nicht unbedingt klein zu nennen. Oder es waren mehrere. In diesem Fall durfte man die immer stärker werdende organisierte Kriminalität nicht außer Acht lassen. Oder ein eifersüchtiger Ehemann oder Nebenbuhler, oder ein Geldverleiher. Er musste das Opfer kennenlernen, in sein Leben eintauchen, um die Hintergründe herauszufinden, die zu der Tat führten.

      Abgesehen von seinen ersten Ahnungen konnte natürlich auch Alles ganz anders sein, so dass er sich anderen Möglichkeiten gegenüber auch nicht ganz verschließen durfte. Er wollte sich erst im Haus von oben nach unten durcharbeiten, danach im Ministerium weitermachen, denn dass Ivanov dort gearbeitet hatte, hatte der Computer zumindest schon einmal ausgespuckt, dann zurück zum Amt fahren und eine Persönlichkeitsstruktur erstellen, mit allen privaten und beruflichen Verbindungen. Juri musste das große Gesamtbild betrachten und durfte Nichts übersehen.

      Was er im Moment noch nicht wusste: Er würde immer noch nicht den kleinsten Hinweis auf Täter oder Motiv haben, wenn er damit fertig war.

      Mito / Japan, Montag 26. April, 09:12 Uhr

      Satoshi Katana befand sich auf dem Heimweg. Er hatte die ganze Nacht über gearbeitet, seinen Bericht auf dem Revier abgeliefert und wollte jetzt nur noch ins Bett.

      Die Ergebnisse waren noch nicht einmal so schwer zu bekommen gewesen. Es lag eher an der Vielzahl der Opfer, wodurch die Spurensicherung so viel Zeit in Anspruch genommen hatte. Zwölf Tote und noch fünf Personen in Lebensgefahr.

      Das Drama hatte sich in einem Restaurant etwas außerhalb der Innenstadt abgespielt. Zuerst vermutete er, dass der Fisch, speziell der Kugelfisch, für den das Lokal bekannt war, falsch zubereitet worden war, was allerdings niemals vorkam. Deshalb bewahrheitete sich diese Annahme auch nicht. Es hatten auch nicht alle Opfer die gleichen Speisen bestellt. Die Rückmeldung aus dem Labor hatte ergeben, dass sich in allen Gerichten unterschiedliche Konzentrationen eines hochgradig gefährlichen Giftes befanden. Um zu erreichen, dass alle Gäste des Restaurants nahezu zeitgleich vergiftet wurden, bräuchte es eines Genies auf chemischem und toxikologischem Gebiet. Drei Jugendliche hatten es noch bis auf die Straße geschafft, waren aber vor dem Lokal zusammengebrochen. Welch grausames Schauspiel musste sich hier ereignet haben?

      Den Täter hatte man schnell gefasst. Obwohl er schon alle Gäste versorgt hatte, stand der Koch noch in der Küche, bereitete eine weitere Mahlzeit zu, neben sich ein Fläschchen mit einer hellbraunen Flüssigkeit. Mit der gleichen Substanz fand sich noch ein wuchtiger Kanister in einem der Schränke. Nachdem man Proben vom Inhalt und von den Speiseresten zur Überprüfung weggeschickt hatte, kam das Labor zu folgendem Ergebnis: Dem Koch war es irgendwie gelungen, die tödlichen Eigenschaften von Brom und Blausäure zu kombinieren. Das Gemisch war also auf zwei Wegen in den Körper gelangt. Zum einen flüssig in Suppen, Soßen und Getränken, wodurch es in den Magen-Darm-Trakt gelangte. Die Opfer hatten allerdings zu wenig Zeit, um sich über Kopfschmerzen, Husten oder Durchfall zu sorgen. Zum anderen war das Gemisch langsam verdampft, was angesichts der heißen Speisen niemandem aufgefallen war, und so gelangte das Gift zusätzlich über die Atemwege in den Körperkreislauf. Der Blausäureanteil des Gemisches sorgte dafür, dass die Körperzellen keinen Sauerstoff mehr aufnahmen, und so waren die Betroffenen in wenigen Sekunden tot gewesen. Sie erstickten praktisch auf der Stelle. Auch für die fünf Personen, die man ins Krankenhaus gebracht hatte, bestand wenig Hoffnung.

      Man kannte die Todesursache, man hatte den mutmaßlichen Täter, nur eines wusste man noch nicht: Warum hatte er das getan? Und noch etwas war unklar. Für wen war die letzte übrig gebliebene Mahlzeit?

      Die anderen Angestellten, die nach Untersuchungen nur leichte Vergiftungserscheinungen hatten, hatten unterschiedlich reagiert. Drei hatten zusammen die Polizei und den Rettungsdienst alarmiert, und zwei waren vor Schreck geflohen, man würde sie später befragen, so dass für das letzte verbliebene Gericht augenscheinlich nur der Koch selber übrig blieb, aber vollkommen sicher konnte man nicht sein

      Und besonders kooperativ zeigte sich dieser auch nicht, besser gesagt, er zeigte überhaupt keine Regung. Er stand nur da, rührte an einer Soße und war ansonsten nicht ansprechbar. Normalerweise hätte man auch ihn, der vollkommen apathisch war, in eine Klinik bringen müssen, aber auf Grund der Ereignisse gingen einigen Kollegen die Nerven durch und man schüttelte ihn und schlug ihm solange ins Gesicht, bis er etwas klarer wurde. Die Beamten interessierte nur eine Frage: Warum? Warum hatte er sich so viel Mühe gemacht, um siebzehn Menschen gleichzeitig zu vergiften? Warum hatte er das getan?

      »Mühe?«, fragte der Koch müde und sichtlich verwirrt, wie aus einer Trance erwachend. »Getan? Was denn getan?«

      Später ergab sich: Der Koch wusste selber gar nicht, was er da angerichtet hatte. Und er hatte auch nur eine leichte Vergiftung, war er den Dämpfen nur rudimentär ausgesetzt gewesen.

      Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, wie er am Vortag gegen 17:30 Uhr die Küche betreten hatte, um seinen Arbeitsplatz vorzubereiten. Die Zeit bis gegen 22:00 Uhr, als man ihn aus seiner Trance geholt hatte, fehlte völlig in seinem Gedächtnis. Zumindest behauptete er das.

      Er hatte keine Ahnung, wie er an das hochgiftige Gemisch gelangt war. Ja, er hatte überhaupt keine Kenntnisse von solchen Sachen, und wie er die Flüssigkeit unter die Speisen gemischt hatte. Im Übrigen hatte er auch niemals vorgehabt einen Menschen zu töten, geschweige denn gleich siebzehn eiskalt zu vergiften. Er hatte einen ziemlich konfusen Eindruck hinterlassen, konnte sich selbst keinen Reim darauf machen und konnte sich auch gar nicht vorstellen, dass er das getan haben sollte.

      Katana war jetzt zu Hause angekommen,

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