Angsthase gegen Zahnarzt. Christine Jörg

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Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg

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Hecheln einer schwangeren Frau aus. Zumindest glaube ich, dass eine Frau bei der Entbindung hechelt. Eigene Erfahrungen habe ich nicht gesammelt.

      Weshalb lassen die Zahnärzte ihre Patienten immer so lange auf diesen schrecklich unbequemen Stühlen halb liegend verweilen, bevor es zur Sache geht? Sie müssten doch wissen, dass das Stress pur bedeutet. Vielleicht sollte man die Frauen und Herren Doktoren einmal darauf hinweisen.

      Eine Tür öffnet sich in meinem Rücken. Mehr spüre ich den Windhauch, als dass ich das Geräusch wahrnehme. Gerade überlege ich, ob ich nicht aufspringen und das Weite suchen soll, als eine angenehme, freundliche Stimme sagt:

      „Guten Tag, Frau Osmani.“ Ein etwa vierzigjähriger Mann tritt auf mich zu und reicht mir die Hand.

      Zögernd strecke ich ihm meine feuchte Hand entgegen. Sie an der Hose abzuwischen bleibt keine Zeit. Ich schäme mich schon das erste Mal.

      Zaghaft murmle ich etwas von: „Guten Tag, Herr Doktor“, und beiße die Zähne zusammen. Inzwischen habe ich beschlossen, den Mund nicht mehr zu öffnen.

      „Haben Sie irgendwelche Probleme?“, kommt die Standardfrage.

      Selbst wenn ich welche hätte, würde ich ihm das nicht auf die Nase binden. Soll er doch selbst suchen! Ich nehme ihm die Arbeit gewiss nicht ab.

      Als ich nicht antworte fährt er im gleichen freundlichen Ton fort: „Also nur nachschauen, nehme ich an.“ Er setzt sich auf den Hocker neben meinem Stuhl und fährt den Hinrichtungsstuhl in die liegende Stellung. Passend für die Folter, die er mit mir vorhat.

      Für eine Flucht ist es nun definitiv zu spät. Ich gebe mich geschlagen!

      Meine Lippen fest zusammengepresst liege ich da und harre der Dinge, die unaufhaltsam auf mich einstürzen.

      „Entspannen Sie sich, Frau Osmani“, redet er mir beruhigend zu. Er hat meine Angst also bemerkt. Und jetzt?

      Inzwischen hat er sich die Handschuhe angezogen, ebenso wie den Mundschutz. In der Hand hält er den kleinen, runden Spiegel, der ihm nichts an meinen Zähnen verheimlicht.

      Nein, ich mache den Mund nicht auf. Diesmal bleibe ich eisern, habe ich mir spontan vorgenommen. Verkrampft beiße ich die Zähne zusammen, Mein Kiefer schmerzt.

      Unbeweglich sitzt der Mann vor mir. Wie kann man als Zahnklempner überhaupt so viel Geld verdienen? Nur Sadisten werden Zahnärzte, fährt es mir durch den Kopf. Ich bekomme eine Gänsehaut.

      Als ich mich immer noch nicht rühre und ihn mit starren Blick, aber mit geschlossenem Mund anglotze, sagt er freundlich, jedoch bestimmt: „So, nun öffnen Sie den Mund, bitte.“ Er bittet mich sogar!

      Als von mir weiterhin keine Reaktion ausgeht, meint er sanft: „Frau Osmani, wenn sie den Mund nicht öffnen, kann ich Ihnen nicht sagen, ob alles in Ordnung ist. Und deswegen sind Sie doch da.“ Jetzt spricht er zu mir wie zu einem kleinen Kind. Die Situation wird immer peinlicher.

      Ich sehe ein, dass er am längeren Hebel sitzt, reiße schließlich den Mund groß auf und strecke ihm mein Gebiss entgegen.

      Er beginnt der Sprechstundenhilfe zu diktieren. Sie trägt alles fein, säuberlich auf mein Krankenblatt ein. Das nehme ich zumindest an. Er entdeckt so viel und hört nicht auf zu diktieren. Ich wusste gar nicht, dass es so schlecht um meine Zähne bestellt ist. In diesem Augenblick bereue ich, überhaupt hergekommen zu sein. Ich hätte diese Stunde angenehmer verbringen können, daran ändert selbst die schöne Musik nichts, die im Hintergrund spielt.

      Das Ende des Diktats bekomme ich nicht mehr mit. Einmal mehr falle ich in Ohnmacht.

      Als ich zu mir komme, ist der Stuhl verstellt, der Kopf tief nach unten, die Beine nach oben und Doktor Kersky, der mein Händchen hält und meinen Puls prüft.

      „Geht‘s wieder?“, fragt die freundlich, besorgte Stimme des Zahnarztes. Wie oft wurde mir diese Frage schon von einem Dentisten gestellt? In meiner Todesangst hatte ich ganz vergessen Doktor Kersky darauf hinzuweisen, dass ich ab und zu ohnmächtig werde. Na ja, jetzt weiß er es, und außerdem ist es zu spät.

      Wenigstens kommt von Doktor Kersky kein Vorwurf oder ein unverschämtes Wort wie vor sechs Monaten bei einem Doktor Mangel. Der meinte mich darauf hinzuweisen zu müssen, dass bei meinen Zähnen verschiedentlich Reparaturarbeiten durchgeführt worden waren. Daraus folgerte er, dass ich daran gewöhnt sein müsste, dass in meinem Mund gearbeitet wird.

      Natürlich geht es wieder. Doktor Kersky hat schließlich noch andere Patienten außer mir. Das Blut durchflutet mein Gehirn und es arbeitet jetzt weitgehend normal.

      „Können wir weitermachen?“, will der Zahnarzt wissen, „oder ist Ihnen eine Pause lieber? Bisher habe ich nichts entdeckt. Wir entfernen nachher noch den Zahnstein.“ Er hält es jetzt für angebracht, mir Erklärungen zu geben. Danke!

      Aber weshalb dann das lange Diktat? Darauf die Frage zu stellen verzichte ich. Das würde den Aufenthalt hier nur in die Länge ziehen und das möchte ich um jeden Preis vermeiden.

      Ich schaue ihn fragend an und antworte mit schwacher Stimme: „Sie können weitermachen.“

      „Wir sind auch gleich fertig“, verspricht er.

      Um möglichst schnell den Ort meiner Scham zu verlassen, reiße ich diesmal sofort den Mund auf.

      Doktor Kersky hat mir keine Märchen erzählt. Ziemlich schnell ist das Diktat beendet. Nun folgt die nächste Tortur, den Zahnstein entfernen. Aber ich muss tapfer sein.

      Wie schon andere Zahnärzte, unter deren Händen ich gelitten habe, beginnt auch er zu sprechen, während er Zahnstein entfernt, um mich von meinem Übel abzulenken. Der Dialog ist natürlich sehr einseitig. Ich kann nicht antworten. Alle Zahnärzte nützen das schamlos aus und versuchen einem die sieben Wahrheiten über Frauen- und Zahnarztpsychologie zu erklären. Zufrieden und grinsend stellt er schließlich fest, dass dies wohl der einzige Augenblick ist, in dem eine Frau schweigt. Soll ich lachen? Oder was? Am liebsten würde ich ihn mit den Augen töten, aber ich brauche ihn noch bis zum Ende meiner Behandlung.

      Dies war mein erster Besuch bei Doktor Kersky, und ich habe gleich eine schlechte Visitenkarte hinterlassen. Für mich ist das Kapitel abgeschlossen. In sechs Monaten oder besser, wenn ich das nächste Mal den Mut aufbringe, suche ich sicher einen anderen Zahnarzt heim.

      Noch kennen mich nicht alle Zahnärzte in München und Umgebung. Hier kann ich mich auf keinen Fall mehr blicken lassen. So viel steht jetzt schon fest.

      Mittwoch, 14. Oktober

      Ich denke, ich sollte mich kurz vorstellen, nachdem meine zweifelhafte Vorliebe für Zahnärzte jetzt bekannt ist.

      Mein Name ist Angelika Osmani, geborene Senn. Das Licht der Welt erblickte ich in Immenstadt vor fünfunddreißig Jahren. Gleich nach dem Abitur im neusprachlichen Gymnasium zog es mich aus dem Allgäu fort.

      Meine Vorstellungen über den Weg, den ich einschlagen wollte waren unklar und so genehmigte ich mir gegen den Wunsch meiner Eltern ein Jahr der Findung, man könnte es auch Auszeit nennen und ging 1996 nach London.

      Ich fand eine Au-pair-Familie und lernte sehr bald meinen zukünftigen Mann, den türkischen Studenten Mustafa Osmani kennen.

      Inzwischen

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