Angsthase gegen Zahnarzt. Christine Jörg

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Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg

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ausgezeichneten Lehrer in Mustafa.

      Zwei Jahre später heirateten Mustafa und ich in London. Eine kleine Feierlichkeit ohne Freunde und Familie.

      2006 erhielt Mustafa ein großartiges Stellenangebot in Istanbul. Wir verließen London in Richtung Bosporus-Metropole. Die pulsierende Stadt hatte es uns beiden angetan. Wir fühlten uns dort sehr wohl.

      Auch ich wollte mich beschäftigen und schrieb mich an der Universität ein. Wieder studierte ich Türkisch, aber auch Türkische Zivilisation. Nebenbei arbeitete ich als Fremdenführerin.

      Der Wunsch nach Kindern wurde uns nicht erfüllt. Mustafa erkrankte an Krebs und überlebte die Krankheit nicht. Im Jahr 2008 starb er. Unseren Traum und die Wünsche für die Zukunft nahm er mit.

      Schließlich brach ich 2009 meine Zelte in Istanbul ab und ließ mich in München nieder.

      Schnell fasste ich Fuß als Übersetzerin und Dolmetscherin. Ich konnte in kürzester Zeit die Prüfungen zur vereidigten Übersetzerin ablegen und war somit auch bei Gericht und offiziellen Institutionen zugelassen.

      So begann mein Leben in München unscheinbar als graue Maus.

      *

      Mittwochs ist mein Universitätstag.

      Ich arbeite freiberuflich als Übersetzerin und Dolmetscherin für Türkisch und Englisch.

      Damit mir nicht langweilig wird und ich meine grauen Zellen beschäftigen kann, habe ich eine Vorlesung in Altgriechisch belegt.

      Am Gymnasium musste ich Latein lernen. Weshalb soll ich jetzt nicht Altgriechisch in den Sprachreigen aufnehmen? Keiner versteht es wirklich. Nicht einmal ich selbst, aber ich habe meinen Spaß an den Vorlesungen.

      *

      An diesem Abend habe ich keine Lust nach Hause zu gehen und zu arbeiten und entscheide ich mich fürs Kino. Sofort nehme ich meinen Sitzplatz ein. Der Film beginnt in fünf Minuten. Ich ziehe die Zeitung aus der Tasche. Ich schleppe sie schon seit dem Morgen herum, ohne die Zeit gefunden zu haben, sie durchzublättern, geschweige denn darin zu lesen.

      Das Kino füllt sich. Ich bin immer noch beim „Klatsch aus aller Welt“ als mich eine Männerstimme fragt, ob der Platz neben mir noch frei ist. Klar ist der Platz noch frei. Das muss die Stimme doch wissen, schließlich sind die Karten nummeriert. Trotzdem bejahe ich ohne aufzuschauen. Der Mann setzt sich. Schließlich wage ich doch vorsichtig einen Blick zur Seite. Ist es weibliche Neugier? Ich weiß es nicht. Dann durchfährt es mich wie ein Stromschlag.

      Nein, diesmal fällst du nicht in Ohnmacht, befehle ich mir sofort. Du willst den Film sehen. Ich hoffe, er erkennt mich nicht wieder. Wie peinlich! Wäre es nicht zu auffällig, würde ich auf der Stelle den Sitzplatz verlassen. Noch sind genügend andere Plätze frei. Doch ich unterlasse es und hoffe auf mein Glück. Schon wendet er sich mir zu und lächelt mich an:

      „Na, so eine Überraschung. Wie geht es Ihnen denn?“

      Er hat mich erkannt! War das nötig? Ich meine, ein Zahnarzt hat so viele Patienten. Der kann sich doch nicht an alle erinnern. Wobei ich sicherlich keine alltägliche Patientin bin. Selbst auf der Straße und in der Freizeit ist man vor Zahnärzten nicht mehr sicher. Mach das Beste aus der schrecklichen Lage, beschwöre ich mich. Ich lächle ihm tapfer zu.

      „Guten Abend, Herr Doktor. Ja wirklich ein Zufall!“, dass es ein schauderhafter ist, behalte ich für mich. War seine Frage eine Anspielung auf den Vorfall von vorgestern? Ich muss etwas Nettes erwidern und so füge ich hinzu:

      „Seien Sie unbesorgt. Es geht mir wieder gut.“

      „Ja“, meint er lächelnd, „schon erstaunlich. Viele haben zwar Angst vor unserer Berufsgruppe, aber wenige reagieren so heftig wie Sie.“

      Das achte Weltwunder oder was? Ich wage aber nicht den Gedanken auszusprechen. Schließlich habe ich mich in der Praxis schon lächerlich genug gemacht.

      Die Werbung beginnt. Wir schweigen. Ich bin froh, als das Licht ausgeht. Endlich kann ich mich entspannen.

      Nach der Werbung wird es nochmals hell im Saal. Doktor Kersky steht auf und verlässt den Saal. Kurz darauf kehrt er mit einer Packung Schokolade zurück, die er mir mit den Worten anbietet:

      „Hier ein kleines Trostpflaster für vorgestern und um Ihnen zu zeigen, dass Zahnärzte auch Menschen wie du und ich sind.“

      Jetzt bin ich beschämt und erstaunt, aber mich reitet ein Teufelchen und so sage ich: „Tausend Dank. Ist das denn gut für die Zähne?“, dabei grinse ich ihn wie ich glaube frech an. Und dann: „Das Trostpflaster akzeptiere ich aber nur, wenn Sie es mit mir teilen.“

      „Schokolade ist natürlich nicht sonderlich gut für die Zähne, da haben Sie Recht“, gesteht er ein, „aber Sie putzen Ihre Zähne so ordentlich, dass ich keine Gefahr sehe, wenn Sie sich ab und zu Schleckereien genehmigen. Außerdem, denken Sie an die Glückshormone, die Schokolade vermittelt.“ Er lächelt.

      Ja, von den Glückshormonen in Schokolade hatte ich auch schon gehört, aber nicht, wenn dieser Mann neben mir sitzt. Aber das sage ich natürlich nicht.

      Der Universitätstag am Mittwoch ist normalerweise mein Fastentag. Doch heute will ich eine Ausnahme machen. Ich öffne die Schokolade und halte ihm die Packung hin. Er akzeptiert und nimmt das erste Stückchen. Wir teilen die Packung Glückshormone. Besser wird mein Gemütszustand jedoch nicht.

      Das Licht wird wieder gelöscht. Der Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ beginnt.

      Ich bin immer noch durcheinander und kann mich anfangs nicht auf den Film zu konzentrieren.

      Der Film nimmt mich gefangen. Aber das ist jetzt nicht mein Hauptproblem. Neben mir sitzt nämlich immer noch Herr Doktor. Nachdem ich die Schokolade angenommen habe, muss ich mich jetzt vielleicht revanchieren? Kann ich einfach am Ende des Films aufstehen, auf Wiedersehen sagen und von dannen ziehen? Oder sollte ich fragen ob er noch im „zum neuen Alten Hut“, der gleich um die Ecke ist, etwas trinken möchte? Ich bin noch ganz und gar mit diesem Problem beschäftigt, als es im Saal hell wird. Bevor ich zu einer Entscheidung komme, schaut Doktor Kersky mich lächelnd an und fragt:

      „Haben Sie schon was vor oder darf ich Sie zu einem Absacker einladen?“

      Ich hätte verneinen können und dann ganz einfach nach Hause gehen. Aber schon höre ich mich antworten:

      „Nein, ich habe nichts vor. Gegen einen Absacker ist nichts einzuwenden. Aber von Einladen kann keine Rede sein.“

      „Also gut. Wohin gehen wir?“

      „Der „Zum neuen Hut“ ist nicht weit. Wenn Sie gerne Bier trinken, können wir dort einkehren.

      „Gute Idee. Trinken Sie Bier?“

      Ich bejahe die Frage. Ich kann mir, wenn wir dort sind, Mineralwasser bestellen, denn ich trinke grundsätzlich keinen Alkohol. Er schmeckt mir nicht und ich mache mir nichts daraus. Viele Leute können das nicht verstehen. Es hat auch nichts mit Mustafa und meinem Leben in Istanbul zu tun. Es ist einfach so.

      Schweigend schlendern wir bis zum „Zum Neuen Hut“. Dort ist es ganz nett, wenn man das Glück hat einen Platz, auch Stehplatz, zu finden. Sie haben meist gute Musik. Zumindest für meinen Geschmack

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