Roccos Geist. Silke Naujoks

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Roccos Geist - Silke Naujoks

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sagte sie mit ruhiger, eisiger Stimme. „Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee.“

      Rocco holte tief Luft und begann seine Frau aufs übelste zu beschimpfen. Eine unendliche Kaskade von Beleidigungen prasselte auf sie nieder.

      Tina wollte sich gerade wieder umdrehen und die Bibliothek verlassen, in der die schreckliche Szene statt fand, als Rocco jäh verstummte. Seine rechte Hand fasste ans Herz und er begann zu torkeln.

      „Rocco!“, rief Tina besorgt und machte einen Schritt auf ihn zu. Sein Gesicht wurde aschfahl, seine Lippen färbten sich bläulich. Mit der linken Hand versuchte er, sich an dem antiken Schreibtisch, der vor dem geöffneten Fenster stand, festzuhalten. Doch seine Kraft verließ ihn. Wie ein Klappmesser kippte er nach vorne und blieb zusammengekrümmt auf dem kalten Marmorboden liegen.

      Tina ging rasch auf ihren Mann zu und kniete sich neben ihn.

      „Rocco?“, sprach sie ihn mit verzweifelt klingender Stimme an. „Rocco?“

      Der Angesprochene öffnete die Augen. Nur Hass war in ihnen zu erkennen. „Falls ich jetzt sterben sollte, hast du mich auf dem Gewissen“, stieß er heiser hervor. „Ich verfluche dich, und ich schwöre dir, dass du nach meinen Tod keinem anderen Mann mehr gehören wirst. Ich werde dich zu mir holen!“

      In einer anderen Situation hätten solche Worte Tina einen Schauer über den Rücken gejagt. Doch in diesem Moment nahm sie sie gar nicht richtig wahr. Viel zu groß war die Angst, ihr Mann könnte in ihren Armen sterben. „Bleib ganz ruhig liegen.“ Sie beugte sich über ihn und nahm sein Gesicht liebevoll in beide Hände. „Es wird alles gut, Liebling. Ich rufe jetzt den Arzt. Er wird in ein paar Minuten hier sein.“

      Tina stand auf und lief mit zitternden Knien zum Telefon in die Eingangshalle Nur wenige Augenblicke dauerte das Gespräch. Als sie in die Bibliothek zurückkam, sah sie ihren Mann auf dem Rücken liegen. Seine schwarzen Augen starrten mit leerem Blick an die Decke!

      Rocco war tot!

      Kapitel 2

      Für Tina waren die nächsten Tage wie ein dunkler Traum. Der Sarg musste bestellt, die Beerdigung in die Wege geleitet werden und immer wieder fragte sich die junge Witwe, inwiefern sie Schuld am Tod ihres Mannes hatte. Nein, sie hatte ein reines Gewissen, sie war ihrem Rocco treu gewesen, bis zu dessen Tod. Und Sandro, Roccos Freund, ein Playboy wie er im Buche stand, hätte ihr auch gar nicht gefallen.

      Warum nur hat Rocco kein Vertrauen zu mir gehabt?, fragte sich Tina, seufzend.

      Ihr Blick wanderte über die roten Ziegeldächer, Kuppeln und Türme. Das war Florenz, so wie sie es liebte.

      Ja, sie war verblendet gewesen, als der reiche Rocco ihr den Hof gemacht hatte. Sie war hungrig nach Liebe gewesen und hatte fälschlicherweise gedacht, Rocco hätte ihr die Liebe geben können, die sie in ihrer Kindheit als Waisenkind so sehr vermisste. Stattdessen hatte Rocco sie besitzen wollen und sie wie eine Leibeigene behandelt, verfügbar nur zu seinen Diensten.

      Sie parkte ihren roten Sportflitzer vor der kleinen Fußgängerbrücke. Wenn sie diesen Weg zu Fuß ging, war sie schneller in der Altstadt von Florenz.

      Mit schnellen Schritten, als wollte sie vor den Erinnerungen weglaufen, überquerte Tina die Brücke und bog an deren Ende in eine belebte Geschäftsstraße ein. Die Abendsonne tauchte die alten Gebäude in goldenes Licht. Lieber wäre es der jungen Frau gewesen, wenn es in Strömen geregnet hätte. Regen, Nebel und Sturm entsprachen ihrer Gemütslage viel eher. Doch es war Sommer.

      Ein Sommerabend, wie er schöner nicht sein kann und ich bin auf dem Weg, mir ein schwarzes Kostüm für Roccos Beerdigung zu kaufen, dachte Tina, während sich ihr Herz vor Schmerz wiederholt zusammen zog.

      Wenn doch erst das Begräbnis vorbei sein würde! Dann konnte sie vielleicht wieder zur Ruhe kommen. In diesen Gedanken versunken, lief sie auf den Eingang eines der nobelsten Kaufhäuser der Stadt zu - nicht achtend auf die riesige Glastüre.

      „Vorsicht!“ Kaum hatte Tina diesen Warnruf vernommen, da spürte sie auch schon einen schmerzhaften Schlag gegen den Kopf. Benommen taumelte sie zurück und wäre der Länge nach auf den Bürgersteig gefallen, wenn zwei starke Arme sie in diesen Moment nicht aufgefangen hätten.

      Sie spürte sofort, diese Arme mussten einem Mann gehören. Und als ihr das richtig bewusst wurde, nahm sie auch schon den Geruch seines angenehm duftenden Aftershaves wahr.

      Nachdem Tina sich von dem Schreck erholt hatte, befreite sie sich aus der Umarmung und drehte sich um.

      Vor ihr stand ein Mann, der mehr als einen Kopf größer war, als sie selbst. Er war nicht irgendein Mann. Nein, er gehörte zu denen, nach denen sich die Frauen auf der Straße umdrehen: breit gebaut, braun gebrannt, ein markant geschnittenes Gesicht, auf dem ein strahlendes Lächeln stand. Ein Lächeln das Tina fast erneut in die Knie zwang. Er trug ein weißes Leinenhemd, Jeans und braune Wildlederslipper an seinen nackten Füßen. Das alles erkannte sie mit einem Blick.

      „Haben Sie sich wehgetan?“, fragte das attraktive Gegenüber und sah sie besorgt an.

      „Es … geht schon“, stotterte Tina verwirrt. Den Schmerz an ihrer Stirn merkte sie kaum mehr. Vielmehr nahm sie einzig und allein nur noch die Anziehungskraft wahr, die von dem Fremden ausging.

      „Ist wirklich alles in Ordnung?“, erkundigte er sich noch einmal.

      Wahrscheinlich deshalb, weil sie ihn immer noch sprachlos anstarrte. Angesichts seines jugendlichen Lächelns, das etwas Draufgängerisches und Verwegenes an sich hatte, konnte Tina nur nicken. Sie besaß durchaus eine gesunde Portion Selbstbewusstsein, doch die stark erotische Ausstrahlung dieses Mannes, den sie auf Mitte dreißig schätzte, verunsicherte sie völlig.

      Nimm dich zusammen!, befahl sie sich im Stillen. Du bist vorgestern erst Witwe geworden. Was ist denn bloß los? Sie straffte sich und strich sich den knielangen Rock ihres dunkelblauen, schmalen Kleides glatt.

      „Es ist alles okay“, antwortete sie mit belegter Stimme, zögerte kurz, überlegte, ob sie sich bedanken sollte. Aber kein Wort kam über ihre Lippen.

      Die Angst, sie könnte durch ein weiteres Wort mit dem gut aussehenden Mann, der ihr jetzt tief in die Augen sah, ins Gespräch kommen, schnürte ihr die Kehle zu. Sie bemühte sich um ein neutrales Lächeln, nickte ihm zu und wollte weitergehen. Daran, dass sie eigentlich ein Kostüm für die Beerdigung ihres Mannes kaufen wollte, dachte sie nicht mehr.

      „Dann bin ich zufrieden“, hörte sie den Fremden sagen. „Ich bin nämlich von der Stadt dafür angestellt worden, schöne Frauen davor zu bewahren, mit dem Kopf durch die Wand zu laufen.“

      Tina schnappte unwillkürlich nach Luft und blickte zu ihm hoch. Ohne es zu wollen, musste sie lachen. Dieser Mann hatte Humor, was sie als genau so gefährlich empfand wie seine erotische Ausstrahlung und sein gutes Aussehen.

      Nur weg von hier! Tina drehte sich um und lief den Fußweg hinunter, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her.

      Sie vermeinte, den Blick des Fremden noch lange in ihren Rücken zu spüren. Zum ersten Mal, seit sie Rocco begegnet war, hatte sie ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen.

      Denn erstmals gefiel ihr ein anderer Mann besser, als ihr Ehemann. Sie überquerte die Brücke und stieg

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