Roccos Geist. Silke Naujoks

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Roccos Geist - Silke Naujoks

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musste sie an den Tag denken, als Rocco ihr zum ersten Mal sein Haus zeigte. Noch nie zuvor hatte sie so eine Pracht, so viel Luxus gesehen.

      Diesen Eindruck hatte sie auch noch heute, obwohl sie sich inzwischen an die dicken Mauern und die vielen unbewohnten Räume gewöhnt hatte. Wieder kamen ihr die Tränen. Zu der Traurigkeit über den Tod ihres Mannes, die in diesem Moment ihr Herz zu sprengen drohte, gesellte sich noch ein anderes Gefühl, ein Gefühl der Angst, Angst vor der Zukunft. Wie sollte sie Roccos Nachlass verwalten? Würde sie überhaupt alleine damit zu Recht kommen? Dieses Gefühl verstärkte sich jäh, als sie den Wagen ihrer Schwägerin auf dem halbrunden Platz vor der großen Villa erkannte.

      Franziska stand vor der großen hölzernen Eingangstür und sah der jungen Witwe entgegen. Sie trug ein schwarzes Kleid und dazu passend eine etwas längere Jacke, die ihre starken Hüften überspielen sollte. Das Haar war im Nacken zu einem dicken Knoten zusammengebunden.

      Schon von weitem glaubte Tina den Hass in den schwarzen Augen ihrer Schwägerin lesen zu können. Umso überraschter war sie, als Franziska ihr mit traurigem Lächeln entgegen kam und sie zur Begrüßung in die Arme schloss.

      „Wie geht es dir Tina?“, fragte die nur zwei Jahre jüngere Schwester ihres Mannes leise in mitleidvollen Ton. „Du siehst schlecht aus.“

      „Es geht“, antwortete Tina. Dabei klopfte ihr Herz zum zerspringen. Alles in ihr verspannte sich, ihre Sinne waren aufs höchste geschärft. Denn Franziskas freundliches Verhalten verwirrte sie nicht nur, sondern machte sie auch misstrauisch.

      Die beiden Frauen hatten nach Roccos Tod noch nicht miteinander gesprochen. Der Notarzt hatte Franziska über den Tod ihres Bruders informiert.

      „Kommst du mit ins Haus?“, fragte Tina und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich mache uns einen Espresso.“

      „Gerne“, antwortete Franziska sofort. Sie schien sich über die spontane, freundlich klingende Einladung ihrer Schwägerin zu freuen.

      Vielleicht lässt Roccos Tod uns doch noch zu Freundinnen werden?, fragte sich Tina, während sie neben der älteren Frau, die hohe Eingangshalle betrat.

      Die beiden Frauen saßen auf der Terrasse, welche sich auf der Rückseite der großen Villa befand. Von hier aus genossen sie einen unvorstellbaren Blick auf das wellige Hügelland.

      Nachdem sie an ihrem Espresso genippt hatte, lehnte sich Franziska im Korbsessel zurück und sah ihre Schwägerin mit einem milden Lächeln an. „Was willst du jetzt machen?“, fragte sie Tina in einen mütterlichen Ton. „Ich meine, wie soll es für dich nach Roccos Beerdigung weitergehen? Wirst du hier wohnen bleiben? Willst du überhaupt hier bleiben, oder gehst du in deine Heimat zurück?“

      Tina seufzte leise. Sie sah ein paar Sekunden lang gedankenverloren in den weitläufigen, kunstvoll angelegten Park hinunter, der sich gleich der Terrasse anschloss. Das murmeln und plätschern des Springbrunnens war das einzige Geräusch in der abendlichen Stille.

      „Ich habe mich entschlossen hier zu bleiben“, antwortete sie schließlich und sah ihr Gegenüber ernst an. „In Frankfurt wartet niemand auf mich. Vielleicht werde ich mein Studium wieder aufnehmen. Aber zuerst muss ich mich um Roccos Nachlass kümmern.“

      „Er hat dich zu seiner Alleinerbin gemacht, nicht wahr?“, erkundigte sich Franziska lächelnd. Tina nickte nur stumm und senkte den Kopf, als müsse sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben. „So gehört es sich auch. Ihr seid schließlich verheiratet gewesen, was für dich bestimmt nicht immer einfach war, nicht wahr, meine Liebe?“

      Tina sah die Schwester ihres verstorbenen Mannes, deren Augen hinter einer schwarzen Sonnenbrille verborgen waren, erstaunt an. So viel Verständnis hätte sie nicht erwartet. Denn Franziska hatte vom ersten Tag an keinen Hehl daraus gemacht, dass die achtundzwanzig jährige Studentin nicht gerade ihre Traumschwägerin war.

      “Rocco und ich haben uns nicht verstanden“, fuhr Franziska mit harter Stimme fort. „Deshalb hatten wir in den vergangenen Jahren kaum Kontakt mehr. Zumindest nicht so, wie es eigentlich zwischen Geschwistern sein sollte. Mein Bruder war schwierig. Er konnte sehr jähzornig sein und schrecklich unversöhnlich.“

      „Ja, es war nicht immer leicht mit ihm“, vertraute sich Tina der Verwandten an. „Er war immer sehr eifersüchtig, obwohl er nie einen Grund dazu hatte.“

      Franziska lachte kurz auf. „Ja, Roccos Eifersucht … Sie hat auch deiner Vorgängerin das Leben schwergemacht.“

      „Weißt Du …“ Tina rückte mit ihren Korbsessel näher an ihrer Schwägerin heran. „Rocco hat mir noch kurz vor seinen Tod vorgeworfen, ich hätte ein Verhältnis mit seinem Freund Sandro. Aber du musst mir glauben …“, sie ergriff Franziskas Hände und hielt sie fest, „… ich war deinem Bruder immer treu.“

      Franziska sah sie zwei, drei Herzschläge lang an, ohne dass Tina den Blick erwiderte. „Ich glaube dir,“ antwortete sie ruhig. „Ich kannte meinen Bruder.“

      „Er … er hat mich verflucht“, gestand Tina ihr leise, noch immer mit abgewandten Blick. „Nur wenige Sekunden bevor er gestorben ist.“

      „Verflucht?“ Ihre Schwägerin rückte auf die Sesselkante.

      „Ja, er hat gesagt, er würde mich zu sich holen. Ich sollte nach seinem Tod keinem anderen Mann mehr gehören.“

      Franziska schwieg einen Moment als würde sie überlegen. Dann lachte sie laut. „Und so einen Unsinn glaubst du etwa?“

      „Nein, natürlich nicht“, antwortete Tina schnell. „Aber trotzdem ist es ein unheimliches Gefühl.“ Sie lehnte sich zurück und ließ ihren Blick erneut über die Hügel schweifen.

      Die beiden Frauen schwiegen eine Weile, jede in ihren Gedanken versunken. Sie hatten sich nicht viel zusagen, sie kannten sich ja kaum. Tina fragte sich, aus welchem Grund Franziska sie überhaupt besuchte.

      „Wenn du möchtest, werde ich dir in den kommenden Wochen beistehen“, hörte sie nun ihre Schwägerin sagen. „Vielleicht … vielleicht können wir nach Roccos Tod noch Freundinnen werden?“

      Tina sah sie an und lächelte. „Das wäre schön“, antwortete sie bereitwillig. „Eine Freundin kann ich gut gebrauchen, wenn ich hier bleibe.“

      Franziska stand auf und küsste sie auf beiden Wangen. „Ich werde dir helfen, bei allem, was jetzt auf dich zukommen wird. Auch bei der Verwaltung von Roccos Erbe – wenn du das möchtest. Vielleicht wirst du irgendwann einmal einen Rat brauchen. Dann kannst du dich immer an mich wenden.“

      „Das ist lieb von Dir.“ Die junge Witwe lächelte dankbar.

      „Weißt du …“ Franziska ließ sich wieder in den Korbsessel fallen, der unter ihrem Gewicht leise ächzte. „Ich habe derzeit auch Probleme und könnte ebenfalls eine Freundin gebrauchen.“ Sie hielt einen Moment inne und vertraute Tina dann mit zitternder Stimme an: „Mein Mann hat mich vor zwei Wochen verlassen! Robert hat eine andere.“ Sie seufzte laut. „Unsere Ehe war zwar nicht die glücklichste, aber trotzdem tut es weh.“

      „Sei sicher, ich werde genauso für dich da sein, wie du für mich“, versprach Tina ihr mit fester Stimme.

      Sie fühlte sich erleichtert. Denn die Vorstellung, Franziska nach dem Tod ihres Mannes weiterhin zur Feindin zu haben, hatte ihr Angst gemacht.

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