Die Midgard-Saga - Jötunheim. Alexandra Bauer

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Die Midgard-Saga - Jötunheim - Alexandra Bauer

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haben wir nicht gedacht.“

      „Können die Zwerge nicht ein neues Band herstellen?“, entgegnete Thea, überzeugt davon, dass Gleipnir nicht mehr intakt war.

      „Wozu? Wir haben eine gute Fessel. Sie hat sich über Jahrhunderte bewährt“, erwiderte Wal-Freya. Zu Odin gewandt sagte sie: „Du musst Hugin und Munin über uns wachen lassen. Sobald wir Fenrirs Spur haben, schickst du sie mit dem Band.“

      „Gleipnir wird Fenrir bestimmt nicht mehr halten können“, sagte Thea überzeugt.

      „Die Zwerge haben mir versichert, dass Gleipnir völlig intakt ist. Fenrir ist befreit worden! Wir waren dumm genug, ihn nicht zu bewachen.“ Odin ballte die rechte Faust und umschloss sie mit der anderen Hand. „Nun ist es zu spät“, knurrte er. „Wenn sich herausstellt, dass Loki daran beteiligt war, dann werde ich ihn eigenhändig an seinen Felsen binden. Direkt neben Fenrir, mit den Gedärmen seiner ganzen Brut!“

      Thea runzelte die Stirn. Für einen Augenblick war sie unsicher, ob Odin sich darüber im Klaren war, dass genau dieses vorherbestimmte Schicksal Loki dazu bewogen hatte, sich gegen die Asen zu stellen. Unerwartet flüsterte

       Wal-Freyas Stimme in ihrem Geist:

      „Was ist mit dir? Ich fühle Zorn!“

      Thea fuhr erstaunt herum. „Ich bin nicht zornig“, erwiderte sie ehrlich.

      Als könne sie durch ihre Augen direkt in ihre Seele schauen, rückte Wal-Freya an Theas Gesicht heran. „Jetzt fühle ich es nicht mehr“, entgegnete sie. Aber Thea merkte ihr an, dass sie Wal-Freyas Argwohn geweckt hatte.

      Thea verschränkte die Arme vor der Brust. „Wisst ihr, wo wir Angrboda finden?“

      Odin schüttelte den Kopf. „Wenn einer es weiß, dann Loki.“ Er fuhr mit seiner Hand über den Bart und spielte nachdenklich mit einem der Zöpfe am Kinn. „Nehmt Heimdall mit!“, sagte er schließlich.

      „Heimdall?“, rief Wal-Freya erstaunt und auch Tyr atmete überrascht aus.

      Noch immer drehte Odin den Bartzopf zwischen seinen Fingern. „Heimdall hört die Wolle auf einem Schaf wachsen. Seine Augen reichen weit und dringen sogar durch die Dunkelheit. Er wird euch eine große Hilfe sein.“

      „Aber Bifröst! Du willst die Brücke doch nicht unbewacht lassen! Nicht jetzt!“, rief Wal-Freya.

      „Ist es euch nicht schon genug, dass ich mich habe überreden lassen, hier in Walhall auszuharren? Ich sollte Fenrir selbst jagen gehen und mich nicht wie ein Feigling verstecken!“

      „Darüber haben wir lange und ausführlich beraten und im Thing entschieden“, wehrte Wal-Freya ab. „Und auch Bifröst solltest du bewacht lassen!“

      Tyr nickte. „Ich halte das ebenfalls für eine schlechte Idee“, stimmte er zu.

      In einer hektischen Bewegung legte Thea die Hände auf den Tisch und stieß beinahe ihren Met um. „Genau! Gerade jetzt, wo Fenrir frei ist und Ragnarök jederzeit über uns hereinbrechen kann, darfst du Bifröst nicht unbewacht lassen!“

      „Ein Wolf bewegt sich leichtfüßig, beinahe lautlos, zudem lauern im Eisenwald an jeder Ecke Gefahren. Ohne Heimdall wird es schwieriger werden“, erklärte Odin.

      Wal-Freya hob ratlos die Hände. „Und was hilft das, wenn Bifröst unbewacht bleibt?“

      Auch Andhrimnir kam nicht umhin von seinem Kessel aufzuschauen und heftig nickend zuzustimmen: „Bifröst unbewacht. Nicht gut! Nicht gut!“

      „Nehmt ihn mit“, beharrte Odin, ohne auf den Koch zu achten. „Magni und Modi werden die Brücke bewachen.“ Er hob den Finger und streichelte leicht über Munins Brust. „Geh, mein Guter, hole Heimdall.“

      Der Rabe nickte und krächzte bestätigend, dann spreizte er die Flügel und flog davon.

      „Das ist das Dümmste, was du machen kannst, Odin.“ Erbost schlug Wal-Freya die Faust auf den Tisch. Thea schrak zusammen und auch Tyr zuckte kurz mit den Augenbrauen. Nur Odin blieb unbeeindruckt. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Deine Sorge rührt mich, Wal-Freya. Aber mit Heimdall in eurer Gruppe habt ihr eine größere Chance, Fenrir zu finden. Je früher dieser Wolf wieder in seinen Ketten liegt, umso eher bin ich sicher. Bifröst wird solange ohne Heimdall auskommen müssen. Die Einherjer werden alles daran setzen, mich zu beschützen.“

      „Ich bin damit nicht einverstanden“, erwiderte Wal-Freya verstimmt.

      „Es ist entschieden!“, setzte Odin entgegen. „Und diesmal werde ich mich nicht vom Rat überstimmen lassen. Lasst uns nicht streiten. Reden wir, bis Heimdall hier ist.“

      Wie auf Kommando trat Herja in die Halle. Mit einem Lächeln stellte sie einen Krug auf dem Tisch ab und verließ den Raum ebenso schweigend, wie sie ihn betreten hatte. Odin nahm den Krug und schenkte sich nach. Zufrieden nahm er einen Schluck aus seinem Horn.

      „Sag mir, Hüterin Kyndills. Wie ist es dir ergangen?“

      Thea sah Odin schief an. Der lachte, hob den linken Arm und streichelte Hugin leicht über den Kopf. „Meine Raben erzählen mir nicht alles“, entgegnete er. „Du hast Kyndill vollendet?“

      Thea presste die Lippen zusammen. Sie hatte den Griff aus zwei Harthölzern geformt und um das Heft geleimt. Da Kyndill brannte, sobald sie das Schwert berührte, war sie dabei sehr vorsichtig vorgegangen. Es war gar nicht so leicht gewesen, denn Kyndill hatte mehr als einmal beinahe ihr Zimmer in Brand gesteckt. Lange, nachdem ihre Eltern schliefen, hatte sie die Zimmertüre verschlossen und das Schwert erst aus dem Köcher geholt, nachdem sie die Rollläden runter gelassen hatte. Bis zum heutigen Tag glaubte sie sich dabei unbeobachtet.

      „Wie konnten sie das sehen?“, staunte Thea.

      Odin lachte. „Gar nicht! Ich habe es bemerkt, als du in die Halle eingetreten bist.“

      Thea führte die Hand zum Griff und lächelte erleichtert.

      „Hugin und Munin achten die Privatsphäre“, nahm Odin ihr die Worte aus dem Mund. Alle lachten und Thea senkte beschämt den Blick.

      „Zeig es mir“, forderte Odin Thea auf.

      Gerne öffnete Thea den Schwertgurt und legte Kyndill mitsamt der Schwertscheide auf den Tisch. Odin lehnte sich vor und betrachtete das Heft mit einem zufriedenen Nicken. „Rück es ein wenig näher“, forderte er Thea auf.

      Sie schob das Schwert vor. Seit sie in Niflheim mit Kyndill gekämpft hatte, war niemand außer ihr in der Lage es zu berühren. Odin schien es auch ein Jahr später nicht ausprobieren zu wollen.

      „Eine schöne Arbeit“, lobte er und hob auffordernd das Kinn in Theas Richtung. Diese nahm das Schwert zurück und band es wieder um die Hüfte.

      „Ich war schon damals ein Liebhaber deiner Arbeiten“, erklärte Odin offenherzig.

      „Ach wirklich?“, staunte Thea.

      Odin nickte. „Dein Meister tat gut daran, dich in die Lehre zu nehmen und dir später die Schmiede zu überlassen.“

      Schritte

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