Pit Summerby und die Magie des Pentagramms. Hans Günter Hess

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Pit Summerby und die Magie des Pentagramms - Hans Günter Hess

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schien über die herrschende Unordnung sehr enttäuscht zu sein. Sofort, bevor sein Entschluss kalte Füße bekam, begann er mit der Umsetzung. Da es draußen in Strömen regnete, gab es sowieso nichts Besseres zu tun. Als Erstes rückte er das Bettzeug zurecht, danach beabsichtigte er den Schreibtisch aufräumen.

      Zunächst sortierte er aber die herumliegenden Klamotten nach Gutdünken. Was nach seiner Meinung schmutzig war, warf er auf einen Haufen. Die anderen Sachen versuchte er in seinem Kleiderschrank zu verstauen. Verwundert folgte der Hund dem Treiben. Er hüpfte hin und her, begriff offenbar nicht, was sich hier abspielte. Mit einem Packen zusammengeraffter Schmutzwäsche verließ Pit seine Bude und beförderte das Bündel stöhnend ins Bad. Seine Haare föhnende Mutter unterbrach interessiert ihr Vorhaben. Die seltsamen Aktivitäten ihres Sohnes erregte sichtliche Aufmerksamkeit. Sie lobte ihn vorsichtshalber.

      „Ist doch selbstverständlich, Mutz“,

      entgegnete er, als täte er das Normalste in seinem Leben. Das erstaunte sie noch mehr, aber sie schwieg.

      „Ich will nachher eine Runde mit dem Fahrrad drehen, wann gibt es denn Abendbrot?“ „Wie stets um sechs Uhr“,

      erwiderte sie stotternd. Der aufgeflammte Ordnungssinn ihres Sohnes hemmte zunehmend den Sprachfluss. Pit, noch immer euphorisch, verschwand wieder in seinem Zimmer. Dort gab es noch viel zu tun, das schwächte plötzlich seine Lust. Boldi zog auch lieber die Gesellschaft von Omas Katze vor, die sich im Hof langweilte. Mit einem Rest der verbliebenen Initiative wischte er noch den Staub von Opas Bild, dann beendete er die begonnene Aufräumaktion. Das Abendessen lockte.

      Seine Mutter deckte gerade den Tisch. Sonntags wurde immer gemeinsam im Wohnzimmer gespeist. Sein Vater saß schon auf seinen Stammplatz und las in einer Zeitung. Pit ließ sich neben ihm nieder. Der Stuhl an der Stirnseite gehörte seiner Oma. Ihr gegenüber saß immer seine Mutter. Jule beanspruchte mit der anderen Längsseite des Tisches auch den meisten Platz. So sah es jedenfalls die Sitzordnung neuerdings vor. Pit verspürte Hunger und griff nach dem Brot. Noch waren nicht alle anwesend. Es fehlte auch Wurst und Butter. Dem Vorwitz begegnete diesmal seine Mutter mit einem strafenden Blick. Zur Verwunderung aller tat er zum ersten Mal etwas, womit niemand in der Familie gerechnet hatte. Er stand auf und half ihr.

      Oma erschien stets pünktlich. Nur seine Schwester ließ sich wie immer Zeit. Kaum erschienen, quengelte sie. Sie wolle keine Salami sondern nur Nutella aufs Brot haben. Sonst würde sie gar nichts essen, drohte sie. Sie wagte aber nicht, gegen den eindeutigen Blick ihres Vaters aufzubegehren. Endlich kehrte Ruhe ein. Oma saß still auf ihrem Stuhl mit gefalteten Händen. Sie betete. Das tat sie vor jeder Mahlzeit. Die anderen aßen bereits. Beleidigt tuend, holte Jule die Nusscreme selber und schmierte sich auch das Brot. Schweigend kauten jetzt alle still vor sich hin, diesmal aber gepaart mit einer gewissen Spannung.

      Oma glaubte nämlich, ihr Enkel würde nicht dicht halten. Pits Mutter, noch immer verwundert über sein Verhalten und verärgert über die Launen der Tochter, schwieg vorsichtshalber. Sein Vater, dem offensichtlich eine Neuigkeit auf der Zunge lag, hielt sich auch zurück. Und Pit, noch immer aufgeregt darüber, dass er mit seiner Oma nach Amerika fahren sollte, muffelte schmatzend an seiner dritten Stulle.

      Schließlich unterbrach der Vater die lähmende Schweigsamkeit.

      „Wie ihr wisst“,

      begann er,

      „war ich heute Morgen mit einigen Leuten bei der alten Windmühle. Wir haben uns das Gerippe gründlich angesehen und beschlossen, sie wieder herzurichten. Zunächst wollen wir den Bock und das Dach in Ordnung bringen und noch Verwertbares bergen. Ein Fachmann aus der Kreisverwaltung will sie als Denkmal schützen lassen. In der nächsten Zeit werden wir einen Interessenverein gründen und dann das gemeinsame Vorgehen bei der Rekonstruktion festlegen.“

      Pit hörte mit offenem Mund zu. Diese Neuigkeit musste er erst verdauen. Galt doch die Mühle als verwunschen, und niemand wollte bisher etwas mit ihr zu tun haben. Wind und Wetter hatten sie arg gebeutelt, und ihre Nähe bildete eine unabwägbare Gefahr. Ein Schild wies darauf hin. Groß war dort vermerkt: ‚Das Betreten ist streng verboten!’

      „Ich werde nachher mal mit dem Rad hinfahren“,

      beschloss er, um sich das angeblich Fluch belastete Bauwerk möglichst nahe ansehen. Seine Mutter äußerte Skepsis.

      „Seid ihr sicher, Jens, dass es sich lohnt, diese Ruine wieder aufzubauen? Wäre es nicht gescheiter, sie ganz abzureißen?“

      „Keine Sorge, Babs, wir haben uns das Ganze gründlich angeschaut. Es sieht schlimmer aus, als es ist. Zum anderen hätten wir am Radwanderweg der Werla ein attraktives Ziel. Es könnte sich eine interessante Perspektive entwickeln.“

      Pits Mutter Bärbel schien nicht besonders überzeugt zu sein. Sie wechselte das Thema. „Ich habe heute einen glücklichen Moment erlebt. Unser Sohn hat seine Schmutzwäsche ins Bad geräumt und beim Decken des Tisches geholfen. Ich kenne nicht den Grund seiner Wandlung, aber ich bin froh, dass noch nicht ganz Hopfen und Malz verloren ist. Ich wäre glücklich, ihn öfter so zu erleben.“

      Pit errötete leicht, und Oma Gretel lächelte ihm verschmitzt zu. Ihr gemeinsames Geheimnis sollte vorerst keiner erfahren.

      „Da können wir ja froher Hoffnung sein",

      bemerkte sein Vater. Er vertiefte sich wieder in seine Zeitung.

      Pit bot sich an, auch beim Abräumen behilflich zu sein. Eine ungewöhnliche Geste. Seine Oma drängte ihn aber mit den Worten weg:

      „Geh nur!“

      Der Regen hatte die Luft abgekühlt. Er streifte deshalb die Jacke über. Plötzlich verstellte ihm seine Schwester demonstrativ den Weg.

      „Ich will mit!“

      Er sah keine Chance, ihr den Wunsch abzuschlagen. Sie stürmte in Garage, um ihr Bike zu holen, doch das hatte einen Plattfuß.

      „Los, pumpe mal Luft auf!“

      Diese fordernde Tonart konnte er absolut nicht leiden. Er schwang sich auf seinen Drahtesel und fuhr davon, mit einem keifenden Wesen im Nacken.

      Wundersame Geschichten

      Draußen in der Natur fühlte er sich frei, und es machte ihm Spaß, auf dem Feldweg Kurvenlinien zu fahren. Nach einer Viertelstunde stand er vor dem alten Windmühlenwrack. Neugierig aber auch ängstlich trat er vorsichtig näher. Offenbar war der mittlere Balken des Bockes gebrochen, der Grund für die Schieflage des Mühlenhauses. Das Gerippe ermöglichte einen Blick ins Innere. Oben im Dach konnte man ein großes Rad erkennen, das sich auf einer hölzernen Welle befand. Das mächtige Rundholz besaß außen noch drei Stümpfe, wohl die Reste der Flügel.

      Eine wundersame Geschichte, die ihm Oma in seiner Kindheit oft erzählt hatte, fiel ihm jetzt ein. Die Mühle sollte früher einmal einem Müller namens Heinrich gehört haben. Sie könne sich auch erinnern, dass man in ihrer Kindheit noch von der Heinrichsmühle sprach. Da der Klapperkasten, wie sie besonders erwähnte, immer im Wind stehen musste, hatte er auf der Rückseite einen langen Balken, auch Stert genannt, mit dem der Müller unter großem Kraftaufwand das Mühlenhaus samt Flügel in die richtige Lage drehen konnte. Dieser brach einst, zermürbt durch die ständige Benutzung. Ein neuer, geeigneter musste her. Der Müller hatte in der ‚Alten Eiche' einen leicht gebogenen kräftigen Ast ausgemacht. Weil die Menschen in der damaligen Zeit ohne eine Getreidemühle vor Ort nicht auskamen, erteilte der

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