Der Gewalt keine Chance. Martina Dr. Schäfer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Gewalt keine Chance - Martina Dr. Schäfer страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Gewalt keine Chance - Martina Dr. Schäfer

Скачать книгу

oder andere Art Gewalt gegen andere Menschen anwenden: rechtsradikale Gruppen/Parteien und sektenartige, fundamental-religiöse Gemeinschaften. Hier kann es geschehen, dass man verführt wird, oder man gerät aus anderen Gründen – von denen beispielsweise Sehnsucht nach Geborgenheit und Dazugehörigkeit ja eigentlich nicht die schlechtesten sind – in einen solchen Zusammenhang und unterschätzt das Gewaltpotential einer solchen Gruppe anfänglich.

      Da ist dann erst einmal die wichtigste Frage, wie man innerhalb einer solchen Gruppe vermeidet, zum Opfer oder gar zum Mittäter zu werden, eventuell auch Freunden oder Liebsten hilft, und wie man schlussendlich, ohne allzu viel Schaden zu nehmen, dort wieder herauskommt, vielleicht sogar den Mut aufbringt, die Gewalttätigkeiten öffentlich anzuprangern.

      Kapitel fünf behandelt die Vorgehensweisen der selbsternannten und gewaltgierigen Führer derartiger Gruppen und die Strategien, wie man sich gegen ihre Machtanmaßung und Gewalt wehren kann.

      Dieses Buch soll eine Anleitung dazu sein, wo und wie auch immer, Gewalt, sexuelle Ausbeutung, politische Unterdrückung und finanzielle Entrechtung rechtzeitig zu erkennen sowie abwehren zu lernen, im Zweifelsfalle aber auch das manchmal Klügste zu tun, was einem übrig bleibt: abhauen! Denn Flucht kann in vielen Situationen immer noch die beste Verteidigung sein.

1. Gewalt hat ein Gesicht Sexuelle Gewalt in unvermeidbaren Gruppen – Familie, Schule, Ausbildung, Arbeitsplatz

      1.1 Mein Parfüm und dein Geruch oder: Wie weit reiche ich? Von Raumkapseln, Flügelspannweiten und Duftwolken

      Gewaltbereitschaft kann man erkennen. Natürlich laufen gewaltbereite Menschen nicht mit einem Schild um den Hals herum, das die Aufschrift trägt: «Ich bin ein Schläger!» Doch sie zeigen Verhaltensweisen und haben Angewohnheiten, die auf eine niedrigere Hemmschwelle, andere Menschen zu attackieren, schließen lassen. Sie sprechen eine bestimmte Sprache und leben Gefühle aus, die ihre Freude an der Gewalt, an Macht, am Tyrannisieren Schwächerer oder Abhängiger signalisieren.

      Warum sie sich so verhalten, kann einem im Grunde genommen ganz gleichgültig sein, besonders dann, wenn man selber in eine unangenehme Situation mit ihnen gerät. Da kann eingehendes Hinterfragen sogar hinderlich sein. Es ist der Geistesgegenwart abträglich, wenn man allzu lange darüber nachdenkt, warum der Herr, der doch an der Bushaltestelle anscheinend nur um Feuer bitten wollte, plötzlich nicht mehr loslassen will.

      Über zwei Drittel aller Gewalttaten sind sogenannte Beziehungstaten, das heißt: Täter und Opfer kennen sich. Das trifft insbesondere auf die sexuelle Gewalt zu. Selten springt eine Art wildgewordener Tarzan in einem einsamen Park hinter einem Busch hervor und stürzt sich auf sein Opfer. Auch sonst lauern Täter weniger in der Einsamkeit der Bergwelt oder «im Wald». Das wäre ja auch eigentlich unlogisch, denn wer weiß, wie lange sie dort warten müssten, bis eine Wanderin vorbeikommt!

      Das führt gleich zu einer weiteren Eigenschaft von Gewalt, insbesondere der sexuellen Gewalt: Entgegen landläufigen Auffassungen, die immer noch durch die Medien geistern, geschehen die meisten Sexualstraftaten nicht aufgrund spontan aufgetretener, unbeherrschter Triebe, die sich da plötzlich, beim Anblick eines Kindes, einer Frau, Bahn brachen – vielleicht gar, weil der «arme Täter» seit Wochen keinen sexuellen Kontakt mehr hatte, seine Frau nicht mit ihm schlafen will oder er als Priester im Zölibat lebt.

      Solche Vorstellungen verlagern die Schuld an der sexuellen Attacke erstens auf die Umwelt des Täters, beispielsweise die «böse Gattin», die ihren «ehelichen Pflichten» nicht nachkommt, oder eine altbackene Kirchenregel, welche die Priester oder Mönche unter ihre Knute zwingt; zweitens auf irgendein diffuses Innenleben, das Unbewusste, die Triebe oder Instinkte, die sich nach Art eines Naturereignisses entluden, wofür der Täter eigentlich gar nichts konnte – besonders, wenn er Alkohol getrunken hatte und seine bewussten Kontrollen noch niedriger lagen als sonst vielleicht.

      Beide Erklärungsmuster sind anscheinend aus der seltsamen Angst entstanden, die Täter wirklich beim Namen zu nennen. Die Gruppe der Männer in Gestalt von Ärzten, Richtern, Gutachtern und anderen Fachleuten scheute sich jahrzehntelang, die einfache, aber schreckliche Tatsache zu benennen, dass Männer, geplant und ohne Wenn und Aber, zu Vergewaltigern werden können. Erst die Neue Frauenbewegung hat seit den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts immer wieder darauf hingewiesen und das ganze Ausmaß der Verschweigerei öffentlich gemacht. Seitdem sind zumindest die männlichen Fachleute, Polizisten, Richter und Gerichtspsychiater usw. bereit, in dieser Sache Klartext zu reden.

      Auch kleinere Gruppen scheuten und scheuen sich bis heute, offen über Gewaltanwendung durch ihre Mitglieder zu sprechen: Die Kirchen waren groß im Verschweigen, als nach und nach die sexuellen Übergriffe einiger ihrer Priester an Kindern zum Vorschein kamen; Lehrer wurden jahrzehntelang einfach von Gemeinde zu Gemeinde strafversetzt, wenn dergleichen publik wurde; Standesorganisationen versuchten, Anklägerinnen mundtot zu machen.

      Ich werde weiter unten noch einige Male auf dieses Phänomen des Abwehrens und Verschweigens zurückkommen, über welches auch viele Menschen ein trauriges Lied singen können, die innerhalb ihrer Familien sexueller Gewalt ausgesetzt waren und sie Jahre später anzuklagen versuchten.

      Doch die Täter sind auf jeden Fall die Schuldigen, denn Anmache, sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen sind meistens geplant. Der Täter hat sich sein Opfer, das ihm im Bekannten oder Verwandtenkreis begegnet ist, längst ausgesucht. Er entwickelt eine Strategie, sich der Frau zu nähern oder das Kind in seine Nähe zu holen. Meistens ist er eine vertraute Person, vor dem das potentielle Opfer erst einmal keine Angst hat. Und meistens befindet sich dieses in irgendeiner Art Abhängigkeit vom Täter – emotional, weil er ein Mitglied der Familie ist, finanziell, weil er die Ausbildung bezahlt, leistungsmäßig, weil er ein Lehrer oder anderer Ausbilder ist, spirituell, weil er der Beichtvater ist, usw.

      Wenn aber die Täter aus dem eigenen, nahen Umfeld stammen, stellt sich die Frage: Woran kann ich sie erkennen? Denn ganz sicherlich sind ja nicht alle Männer Vergewaltiger, sexuelle Anmacher oder sonstwie glibberige Personen. Das Erkennen eines potentiellen Täters ist vor allen Dingen immer noch eine Sache des Gefühls, der Intuition – weniger kühl-sachlicher Überlegungen.

      Jeder hat wahrscheinlich schon einmal Stare oder andere Vögel auf einem Draht, einer Stange oder einer Überlandleitung sitzen sehen. Sie halten voneinander einen ziemlich gleichmäßigen Abstand, der mit ihrem eigenen Körperumfang, der Länge der Flügel, des Schnabels und noch anderen Äußerlichkeiten korrespondiert.

      Manchmal, wenn sich jeder Vogel in seinem Revier aufhält, wird die Stimme eingesetzt, um den Umfang dieses Reviers zu markieren, der in irgendeiner Weise mit der Reichweite dieser Stimme zusammenhängt.

      Wenn man sich einem Spatzen nähert, der auf dem Boden hockt, so wartet dieser einen ganz bestimmten Moment ab, um aufzufliegen. Auch Wildtiere verhalten sich so, Katzen, die in der Sonne liegen, oder Frösche, die sich am Rande eines Teiches auf Seerosenblättern sonnen.

      Jedes Tier hat eine ganz bestimmte Fluchtdistanz – und diese wiederum bestimmt sich aus der Art und Reichweite seiner eigenen Körperwaffen, aus seiner Schnelligkeit und dem Ausmaß der Bedrohlichkeit des sich nähernden anderen Tieres oder des daherkommenden Menschen. Menschengewohnte Vögel wie der Kulturfolger Spatz haben eine erstaunlich geringe Fluchtdistanz, sie scheinen aber auch genau zu wissen, dass wir nicht fliegen können. Ein Löwe wiederum hat uns gegenüber gar keine Fluchtdistanz, und jene des Menschen ist gegenüber einem größeren Raubtier eigentlich unendlich: Es ist das Beste, wenn der Löwe den Menschen, der da durch die Savanne läuft gar nicht erst sieht.

      Die Flucht- oder Beißdistanz eines Hundes, der ein domestiziertes Raubtier, ein ehemaliger Wolf ist, ist uns Menschen gegenüber sehr gering,

Скачать книгу