Der Mädchenfänger. Peter Schmidt

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Der Mädchenfänger - Peter Schmidt

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wenn Sie mich hier festhalten wollen."

      "Sie festhalten?" Quant machte abrupt auf dem Absatz kehrt, um eines der beiden Fenster zu öffnen. Das Wetter schien umgeschlagen zu sein, es war überraschend mild draußen, am Himmel trieben hoch aufgetürmte gelbe Wolken. "Keine Unterstellungen, wenn ich bitten darf. Hier, sehen Sie selbst. Wir befinden uns im Parterre", sagte er, während er auch den anderen Fensterflügel öffnete. "Wenn Sie wirklich glauben, ich wollte Sie Ihrer Freiheit berauben, dann muss ich Sie jetzt bitten, ausnahmsweise den Weg durchs Fenster zu nehmen, bis sich mein Haustürschlüssel wieder eingefunden hat."

      "Ist das Ihr Ernst? Aber wo sollte der Schlüssel denn stecken?"

      "Keine Ahnung. Vielleicht hat ihn jemand verschluckt."

      "Ich finde, Sie haben eine gemeine Art zu antworten", sagte Ortrud. Ihr Gesicht hatte wieder zu glühen begonnen. Sie sah unschlüssig zum offenen Fenster.

      Quant versenkte spöttisch seine Hände in den Taschen des Morgenmantels und gab den Weg frei, um sie vorbeizulassen. "Glauben Sie ja nicht", sagte er – dabei zog er seine Hände wieder heraus und hob sie abwehrend, die Finger weit gespreizt –, "ich würde auch nur den Versuch machen, eine prüde kranke Schönheit wie Sie anzufassen. Das liegt mir völlig fern."

      "Ich bin nicht krank."

      "Ein Soldat Gottes geht niemals zum Arzt, oder? Ein Soldat Gottes steht in seinen Stiefeln, bis er umfällt."

      "Sie sollten keine Scherze über Gott und unsere Arbeit machen. Wenn auch nur zehn Prozent der Menschen so wie wir ihre Pflicht tun würden, sähe dieser Erdball anders aus, das kann ich Ihnen versichern."

      "Noch langweiliger, meinen Sie?"

      "Würden Sie jetzt bitte einen Ersatzschlüssel für die Haustür holen? Sie haben doch einen? Es ist mir zu dumm, wegen Ihrer Spielchen durch das Fenster zu klettern."

      "Na also, Ortrud. Das ist der Tonfall, mit dem man es in der Welt zu etwas bringt. Nicht dieses lammfromme Gefasel über arme alte Obdachlose, die von der Armee Gottes eine warme Suppe verabreicht bekommen. Bitte sehen Sie doch mal in Ihren Manteltaschen nach. Irgendwo muss mein Schlüssel ja schließlich sein. Wahrscheinlich haben Sie ihn unbewusst eingesteckt, als er auf dem Tisch lag. Das würde mich nicht wundern – bei Ihrer verdrängten Libido."

      Sie hörte ihm wortlos zu, den Mund leicht geöffnet, als sei das alles nur ein schlechter Traum für sie, und versenkte beide Hände in den Außentaschen. Als ihre Fingerspitzen auf den Schlüssel stießen, zog ein ungläubiges Staunen über ihr Gesicht.

      Er genoss den Augenblick, selbst wenn es weniger als eine Hundertstelsekunde war, bei dem sie sich fragte, ob ihr Unterbewusstsein ihr wirklich diesen Streich gespielt haben konnte. Es war lehrreich, sich selbst in Frage zu stellen. Man begriff plötzlich, was man sich alles zutraute. Man gewann ein neues, wahreres Bild von sich.

      "Sie haben mir den Schlüssel …?"

      "Vorsicht, Ortrud, keine falschen Anschuldigungen! Darauf legt Ihre Gemeinde doch soviel Wert? Hat Ihnen denn Ihre Armeeführung nicht beigebracht, den Fehler immer erst bei sich selbst zu suchen?"

      Er begleitete sie zur Haustür. Als sie aufschloss, blieb er hinter ihr stehen, um sie nicht noch weiter zu verunsichern. "Besuchen Sie mich bald wieder, Ortrud. Mein Haus steht Ihnen immer für ein interessantes Gespräch offen."

      Quant sah ihr von der Treppe aus nach, wie sie durch den Garten zur Pforte ging. Eine wackere, etwas zu groß geratene Streiterin Gottes auf flachen Absätzen, die an diesem trüben Nachmittag ein ganze Menge dazugelernt hatte. Vielleicht würde sie sich ja sogar während des nächsten Gebets bei Gott über ihn beklagen. Aber das war völlig aussichtslos. Gott, falls er überhaupt existierte, war niemand, vor dem man sich immer ein wenig zu klein, zu schlecht oder böswillig vorkommen musste, sondern eine Instanz, die Verständnis für die menschlichen Schwächen aufbrachte, weil er schließlich selbst dies alles – die Schwäche und die Böswilligkeit – geschaffen hatte.

      Gegen Abend war es so warm geworden, dass man keinen Mantel mehr brauchte. Der Wetterbericht meldete, es würde noch bis zum Wochenende so weitergehen.

      Er sah sogar zwei offene Kabrioletts auf dem Weg in die Stadt. Am Steuer des einen saß ein Mädchen mit wehenden roten Haaren und neben ihm ein braungebrannter Knabe, der eine dunkle Sonnenbrille trug.

      Im anderen Wagen rauschten drei Halbstarke vorüber, die Fahnen des örtlichen Fußballklubs schwenkten. Die Stadt schien durch die Wärme völlig außer Rand und Band geraten zu sein. Selbst die Straßenköter jagten hinter den Tauben an der Kathedrale her, als wenn sie ihnen lieber nachfliegen würden.

      Fast alle Passanten trugen ihre Mäntel über dem Arm, und das Kaufhaus an der Bushaltestelle hatte beide Eingangstüren geöffnet.

      Wenn man die Frauen auf dem Weg zählte, die attraktiv waren, kam man zu einem erstaunlichen Ergebnis. Obwohl die Gesichter älterer Menschen meist hässlich, ja sogar bizarr wirkten und eher an die Malerei Bruegels und Honoré Daumiers erinnerten – Doppelkinn, Warzen, scharfe Nasenfalten, dunkle Ringe unter den Augen, abstehende Ohren und Muttermale – schien es beinahe so, als habe die Natur diese versammelte Hässlichkeit mit einzelnen Glanzlichtern weiblicher Schönheit durchsetzen wollen.

      Junge Mädchen oder Frauen verstanden es fast immer, sich ansprechend zu kleiden und das Beste aus ihrem Typ zu machen.

      An der großen Uhr im Zentrum fegte ein ceylonesischer Asylant den Gehsteig: ein dunkelbrauner Mann mit europäischen Gesichtszügen und einer grünen Seidenschärpe um die Hüften. Quant hatte sein Foto kürzlich in der Zeitung gesehen. Seine Familie war bei einem Bombenanschlag in Colombo umgekommen. Es hieß, er sei Vorsitzender der Oppositionspartei gewesen; der Kommentator hatte spöttisch angemerkt, es handele sich um den einzigen politischen Flüchtling mit einer Arbeitserlaubnis in der Stadt.

      Er sah ungeduldig die Straße hinunter. Von Angelas Bus weit und breit keine Spur …

      Eine Windbö zerrte an seinen Hosenaufschlägen, während er gelangweilt auf einem der Kunststoffsitze unter der Uhr Platz nahm. Schräg vor ihm ragte der Hochhausturm der Allgemeinen Europäischen über der Häuserzeile auf.

      Der Anblick des gläsernen Turms versetzte ihm immer einen Stich. Wenn er daran dachte, wie man dort mit ihm umgesprungen war, drehte sich ihm noch heute der Magen um, obwohl der Unfall auf der nassen Landstraße schon einige Jahre zurücklag. Wahrscheinlich wäre ein psychopathischer Krimineller von ihnen mit mehr Respekt behandelt worden als er. Man hatte ihn gefragt, warum er über eine halbe Stunde bei seiner verletzten Freundin verbracht habe, ohne irgend etwas zu unternehmen, und es war schwierig gewesen, darauf eine angemessene Antwort zu geben.

      "Es hat geregnet", hatte der Direktor erklärt und sich noch einmal die Mappe mit dem Polizeibericht vorgenommen. "Sie saßen im Regen auf dem Asphalt und sahen sich das Mädchen an, Robert. Sie war nicht tot, sondern nur grässlich zugerichtet, blutüberströmt. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wie ein Mensch diesen Anblick überhaupt ertragen kann. So etwas nennt man unterlassene Hilfeleistung – vorsichtig ausgedrückt.

      Standen Sie etwa unter Schock? Nein, davon erwähnt der ärztliche Untersuchungsbericht nichts.

      Ganz im Gegenteil, Sie waren in blendender Form. Sie waren betroffen über den Unfall, nun gut, und ich würde niemals so weit gehen, zu behaupten, dass Sie sich keine Sorgen um das Leben und die Gesundheit Ihrer Schulfreundin machten. Aber was war es dann?"

      Wie

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