Pferdesoldaten 05 - Todesritt. Michael Schenk
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Es waren etwas mehr als sechzig Reiter. Das war gut zu erkennen, als sie die Ranch erreichten und nun ausschwärmten. Drei von ihnen kamen auf das Haupthaus zu, unter ihnen der Fahnenträger und ein Mann, der einen schwarzen Gehrock mit Schulterstücken trug.
„Ich rede besser mit ihnen“, meinte Jim.
„Sei vorsichtig.“ Mary empfand nun doch Angst um ihren Mann. Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und blieb dann mit dem Sharps-Gewehr in der Deckung des Türrahmens, während Jim auf die Veranda hinaustrat.
Er hielt seine Kentucky in der Armbeuge und vermied es, einen der Reiter mit der Waffe zu bedrohen. „Ich bin Jim Carter und mir gehört diese Ranch. Ich hoffe, dies ist ein friedlicher Besuch.“
Es war eine halbe Frage und der Mann im Gehrock lächelte freundlich. Er saß im Sattel und da Jim auf der Veranda stand, sahen sie sich auf Augenhöhe an. „Selbstverständlich ist es ein friedlicher Besuch, Mister Carter. Colonel Holloran, wenn es recht ist. William Holloran. Von Hollorans Confederate Volunteers, wenn es recht ist.“ Auf dem Gehrock trug der Mann die Schulterstücke eines Infanterie-Captains der Union. Er war hager und besaß ein schmal geschnittenes Gesicht, welches von einem üppigen Vollbart eingerahmt wurde. „Ich hoffe doch sehr, Mister Carter, dass Sie für die Sache des Südens sind.“
„Daran kann es keinen Zweifel geben. Wir sind hier alle für den Süden.“
„Nun, das freut mich zu hören, Mister Carter. Es wird Ihnen daher sicher eine Genugtuung sein, der Sache des Südens einen Dienst zu erweisen.“
Jim Carter runzelte die Stirn. „Hm, sicher. Unsere Mittel sind allerdings beschränkt, Colonel.“
„Ach, Unsinn.“ Holloran wies in einer ausholenden Geste um sich. „Ist doch eine hübsche große Ranch mit einer Menge Rinder und Pferde, alles was recht ist. Da können Sie eine Menge für die Sache des Südens tun, Mister Carter.“
„Äh, Sie sind Aufkäufer für die konföderierte Armee?“
„Richtig, Mister Carter. Meine Jungs und ich besorgen alles Mögliche für die Konföderation.“ Holloran lachte. „Dazu gehören natürlich auch so schöne Herefords und Quarterhorses. Die Armee braucht Fleisch und sie braucht Pferde.“
„Nichts dagegen. Ich werde Ihnen einen wirklich fairen Preis machen.“
„Ganz gewiss werden Sie das, Mister Carter.“ Holloran stützte die Hände aufs Sattelhorn und beugte sich leicht vor. „Nennen Sie mir einen guten Preis und ich stelle Ihnen einen Zahlschein aus.“
„Einen, äh, Zahlschein?“
„Nun sicher. In diesen unruhigen Zeiten reitet niemand mit einer großen Summe Bargeld oder Gold durch die Gegend. Wäre doch unschön, wenn die Yankees das kassieren und damit die Unterdrückung des Südens finanzieren, nicht wahr?“
„Hm, mag so sein.“ Jim strich sich mit einer Hand über das Kinn. „Aber was soll ich mit einem Zahlschein?“
„Den können Sie bei der konföderierten Regierung in Montgomery in Alabama einlösen.“
„In der Gazette stand, dass man inzwischen Richmond in Virginia zur Hauptstadt gemacht hat“, kam ein Ruf von Mary.
Holloran errötete. „Sie können den verdammten Schein überall einlösen. Jedenfalls nehmen wir das Vieh und die Pferde mit.“
Die Stimme des Colonels klang nun weniger freundlich. Jim Carter ließ seinen Blick über die Truppe des Mannes schweifen. Keiner sah wirklich wie ein Soldat aus, was daran liegen mochte, dass die Reiter fast durchweg zivile Kleidung trugen. Nur wenige besaßen Uniformteile, deren Herkunft meist unbestimmt war. Es gab ein paar blaue und graue Feldjacken, einige Männer trugen Feldmützen und zwei von ihnen Hardee-Hüte, wie sie zur Paradeuniform der Unions-Armee gehörten. Auch die Bewaffnung war sehr unterschiedlich. Moderne Karabiner und Revolver, dazu auch altertümliche Vorderladerpistolen und Musketoons. Jim bemerkte sogar drei leichte Vogelflinten, doch das war nicht unbedingt ungewöhnlich. Obwohl der Süden zu Kriegsbeginn eine ganze Reihe von Waffendepots der Union eingenommen hatte, waren die Freiwilligeneinheiten weder einheitlich uniformiert, noch einheitlich bewaffnet. Zudem gab es Unionseinheiten, wie die „Washington Greys“, die graue Uniformen trugen und konföderierte Regimenter in Blau.
Jim musterte Holloran und die beiden Männer in seiner Begleitung. Von den Schulterstücken abgesehen, erinnerte nichts an dem Mann ans Militär. Der Fahnenträger trug eine blaue Uniformjacke und einen schwarzen Zylinder, der Mann neben ihm ein kariertes Hemd, an dessen Oberarmen die Winkel eines Kavallerie-Sergeants aufgenäht waren.
Jim leckte sich nervös über die Lippen. Man konnte die zunehmende Anspannung spüren. Ein paar der Reiter änderten ihre Position im Sattel unmerklich, um ihre Waffen schneller ziehen zu können. Er hatte keine Ahnung, was dieser Zahlschein wert sein mochte, aber er konnte keinen Kampf gegen eine solche Übernacht riskieren.
Jim räusperte sich und wollte dem Angebot notgedrungen zustimmen, auch wenn er den Verdacht hatte, dass hier gerade ein Raub stattfand. Doch bevor er Holloran antworten konnte, ertönte ein wilder Schrei vom Bunkhouse herüber. „Ihr verfluchten Rebellen werdet unser Vieh nicht einfach mitnehmen!“
Slim, der verdammte junge Narr! Jim wollte Holloran eine Beschwichtigung zurufen, doch es war zu spät. Der Sergeant an Hollorans Seite machte eine rasche Bewegung und hielt plötzlich einen alten Paterson-Revolver in der Hand. Die Waffe ähnelte einem Colt Navy, besaß jedoch keinen Schutzbügel über dem Abzug und ein kleines Kaliber von 0.36. Jim sah die Bewegung und drehte sich instinktiv zur Seite. Der Schuss peitschte und der Rancher spürte den heißen Luftzug, als ihn das Bleigeschoss nur knapp verfehlte und in die Rückwand der Veranda schlug.
Einen Augenblick später dröhnte die Schrotflinte von Bill. Der Ranchhelfer hatte beide Läufe gleichzeitig ausgelöst. Aufgrund der langen Läufe und der relativ kurzen Distanz bekam der Sergeant die volle Ladung ab. Er wurde einfach nach hinten aus dem Sattel geschleudert, sein Revolver wirbelte durch die Luft.
Für einen Moment spürte Jim Carter nichts als schiere Panik, denn er begriff sofort, was nun geschehen würde.
Eine unregelmäßige Salve ertönte, als die Reiter, so schnell sie ihre Waffen bereit hatten, das Feuer eröffneten. Jim Carter entkam nur mit Glück und einem gewagten Hechtsprung durch die Tür, während ringsum Blei einschlug. Die Fenstereinfassung, hinter der Bill gestanden hatte, wurde von Projektilen zerfetzt, andere durchschlugen die Hauswand.
Mary schrie entsetzt, während Möbel und Geschirr getroffen wurden, dennoch hatte sie die Geistesgegenwart, Jim zu packen und ins Innere des Hauses zu zerren.
Aus dem Bunkhouse schossen Carl und Slim, die man nun ihrerseits ebenfalls aufs Korn nahm. Bill hatte die Schrotflinte nachgeladen, trat blitzschnell in die Fensteröffnung und drückte ab. Im selben Moment wurde er von gleich mehreren Schüssen getroffen und nach hinten geworfen. Seine Schrotladung fuhr in die obere Fenstereinfassung und zerfetzte sie.
Die Reiter feuerten ihre Waffen leer und nach kurzer Zeit stand eine dichte Wolke aus Pulverqualm im Hof der Ranch. Das spärliche Gegenfeuer schien weder sie, noch ihre Pferde zu stören, die offensichtlich an Schießereien gewöhnt waren.
Unten im Tal setzten sich nun die Rinder in Bewegung. Fort von