Bittersüßer Rakomelo. Joachim Koller

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Bittersüßer Rakomelo - Joachim Koller

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aber ich muss Dir leider sagen, Lockenkopf, dass ich Dir nicht ganz glauben kann. Was habt ihr denn so Geheimnisvolles vor?«

      »Erstens, Maria will morgen nichts überstürzen und sich Zeit lassen. Sie schreibt, wenn Du es ernst mit ihr meinst, dann wirst Du noch etwas warten. Und zweitens, zum Teufel mit Deinen Psychologiestudium und Deiner Menschenkenntnis«, fluchte Despina, nicht ganz im Ernst.

      »Es waren nur ein paar Semester, die ich studiert habe«, verteidigte sich Ryan. Tákis lehnte sich zurück und grinste seine Freundin an.

      »Egal, Du gehörst ja sowieso zur Familie«, gab sich Despina geschlagen, »Wir wollen morgen Abend in Heraklion in einen neuen Club gehen und … wie soll ich das sagen … Dieser Club ist mehr für Paare.«

      Ryan lachte auf und nahm einen Schluck vom bereitgestellten Rakomelo.

      »Ich verstehe. Nein, in einen Swinger-Club möchte ich nicht mitgehen, das überlasse ich ganz Euch.«

      »Nachdem wir das nun besprochen haben, was hast Du genau vor?«

      »Das hängt davon ab. Wie leicht kommst Du an eine Waffe, Tákis?«

      »Pistole, Gewehr oder soll es ein Raketenwerfer sein?«, fragte dieser trocken nach.

      »Ein Scharfschützengewehr und jemanden, der damit umgehen kann«, erklärte Ryan und sah in zwei sehr erstaunte Gesichter.

      Kapitel 5

      Ryan stand schon eine halbe Stunde vor dem geplanten Treffen am Hafen von Bali. Der kleine Hafen passte zu diesem, noch recht ursprünglichen, Ort und lag am Beginn der eigentlichen Altstadt von Bali. Neben einem Restaurant führten Stiegen hinauf zur Hauptstraße, wo sich der touristische Teil der Ortschaft erstreckte. Auf der anderen Seite führte der Weg hinauf in die kleinen Gassen Balis, wo sich die Wohnhäuser der Ortsansässigen aneinanderreihten. Ryan war über die einzige Zufahrtsstraße zum Strand spaziert, die ebenfalls nicht dem Tourismus verfallen war. Vielmehr fand man dort Einheimische vor ihren Häusern sitzen, die Frauen beim tratschen, die Männer spielten mit ihrem Komboloi. Diese kleinen Kettchen aus Glas-, Bernstein- oder auch Plastikperlen, die auf einem Faden befestigt waren, gehörten in Kreta zu den einheimischen Männern, wie die Farbe schwarz zu den Frauen. Sie galten sowohl als Glücksbringer als auch Fingerspiel oder einfach nur zum Zeitvertreib.

      Am kleinen Strand versammelten sich die ersten Wassersüchtigen, die Lokale waren nur wenig besucht und er konnte zusehen, wie die Getränkelieferanten eifrig herumwuselten. Neben den obligaten Sonnenliegen lagen auch einige Tretboote, Jet-Skis und Kanus am Strand.

      Die Fischerboote waren schon ausgefahren, um für die Restaurants und Geschäfte frischem Fisch zu angeln. Am Pier waren nur noch wenige Schiffe, vorwiegend die Ausflugsboote, die am Vormittag losfuhren.

      Ryan blickte über das Wasser zu einem bewaldeten Berg, der von jedem Strand aus zu sehen war. Es war kein besonders großer Berg, ohne Namen und mit einer Höhe von gerade einmal 600 Metern. Vor vielen Jahren waren Ryan und Tákis über einen Feldweg und quer über Wiesen und steinigen Boden gewandert, bis sie den Gipfel erreicht hatten. Die Aussicht auf das Meer und auf Bali hatte sie beide damals beeindruckt. Ryan konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie am Gipfel in der Sonne lagen und über ihre Zukunft sprachen. Damals, mit fünfzehn Jahren, sprachen sie noch auf Englisch miteinander. Ryan konnte den jungen Tákis in seinem Kopf hören.

      »Wenn ich einmal eine richtige Freundin habe, dann werde ich mit ihr hier hinauf wandern. Der Platz ist ideal, um mit einer Frau alleine zu sein.«

      Nachdem er einige Wochen mit Despina zusammen war, hatte Tákis Ryan eine kurze E-Mail geschrieben, die nur zwei Sätze enthielt: Erinnerst Du Dich an unseren Tag am Berg und was ich damals sagte? Ich war mit Despina oben und ich kann Dir nur sagen, es war der beste Tag und die beste Nacht meines Lebens.

      Ansonsten hatte Tákis nie große berufliche Pläne. Ihm war es wichtiger, dass es seiner Familie gut ging und er immer für seine Eltern und seine kleineren Geschwister da sein konnte. Ryan hatte damals noch den Traum, Lehrer zu werden. Aber dieser Traum war ebenso schnell ausgeträumt, wie viele weitere Berufswünsche. Eigentlich war Ryan zum ersten Mal wirklich zufrieden mit seinem Beruf, als er bei der griechischen Botschaft anfing. Dann, als er vom Unfall von Tákis Vater erfuhr und sich herausstellte, dass Victor Granat Schuld an dessen Tod hatte, konzentrierte sich Ryan nur noch auf ein Ziel: Rache an Victor Granat und den Menschen, die ihn umgaben.

      Der Wagen von Chin Lee erschien und holte Ryan wieder in die Gegenwart zurück. Für den heutigen Tag hatte er auf die scheinbar teure Kleidung verzichtet. Er trug knielange Badeshorts, ein orangefarbenes T-Shirt und natürlich seine Brille, die er als Ryan Bradly immer trug. In seinem Rucksack hatte er neben einem Badetuch noch eine zusammengefaltete Luftmatratze eingepackt, zwei Schwimmbrillen, eine Trinkflasche und einen kleinen wasserdichten Beutel. Maria stieg aus und Ryan musste erneut zugeben, dass er es mit einer äußerst attraktiven Person zu tun hatte. Wenn nur der Charakter nicht so verdorben wäre. Die weiße, hautenge Hotpants und ihr ebenso enges Shirt betonten ihren Körper perfekt. Unter dem Shirt konnte Ryan einen roten Bikini erkennen. Sie winkte ihm zu, schnappte sich ihren Rucksack aus dem Wagen und spazierte ihm entgegen. Chin Lee wendete und verschwand umgehend wieder.

      »Morgen! Wow, Du siehst fantastisch aus.«

      Ausnahmsweise musste Ryan nicht lügen.

      »Danke, ich habe mich bemüht. Lass uns etwas essen gehen, bevor wir uns aufs Meer hinauswagen.«

      Ryan deutete auf ein Restaurant, dessen Terrasse einen direkten Blick über den Hafen bot. Vorsichtig legte er den Arm um Marias Schultern. Als er merkte, dass sie nicht abgeneigt war, führte er sie in Richtung des Lokals.

      Während Maria und Ryan bei Fruchtsaft und einer üppigen Speiseplatte saßen und über gefüllte Weinblätter und Tzatziki plauderten, war Tákis von seinem Bruder in der hügeligen Gegend hinter Bali unterwegs. Nikos ließ ihn bei einem großen Ziegengehege aussteigen, reichte ihm die schwarze Sporttasche und verabschiedete sich mit den Worten: »Ich will gar nicht wissen, was Du machst, aber bitte, pass auf Dich auf.«

      Tákis machte sich auf den Weg, den Berg schnellst-möglich zu besteigen. Mit der Tasche um die Schulter ging er den Weg entlang, von dem er wusste, dass er nach knapp einem Kilometer endete. Ab dann musste er über ein Steinfeld nur noch geradeaus bis zum Gipfel.

      Tákis erinnerte sich an seine Wanderung auf den Berg, zusammen mit Ryan. Und auch seine erste Wanderung mit Despina war ihm noch gut in Erinnerung. Schon am Weg bis zum Berggipfel konnten sie damals kaum die Hände voneinander lassen. Am höchsten Punkt angekommen, präsentierte er ihr den herrlichen Ausblick und Despina bedankte sich auf ihre ganz spezielle Art und Weise bei ihm. Tákis wollte seine Trinkflasche aus dem Rucksack holen, als seine Freundin schon nackt vor ihm stand. Bis sie sich wieder anzogen, sollte es bis zum nächsten Morgen dauern.

      Dieses Mal hatte er einen ganz anderen Grund für seine Wanderung. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er noch genügend Zeit hatte. Dennoch wollte Tákis so schnell wie möglich den Aufstieg hinter sich bringen, um sich voll und ganz auf seinen Auftrag zu konzentrieren.

      Nach dem ausgiebigen Frühstück erkundigte sich Ryan beim Bootsverleih und wurde enttäuscht. Alle Motor-boote waren unterwegs.

      »Wir haben noch zwei Tretboote, ansonsten ...«, erklärte ihm die Frau vom Verleih auf Griechisch. Maria stand neben Ryan und verstand kein Wort.

      »Aber Tákis hat mir versichert, dass ihr für uns ein Boot ...«

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