Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle. Sabine Ibing
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Rother rutschte in seinem Stuhl tiefer und knallte die flache Hand vor die Stirn. »Mann! Wer hat Ihnen so einem Blödsinn geraten?«
»An Pleite hab ick ja jedacht, dit kann passieren. Aber an Scheidung denkt man doch nich, oder? Dann broch man ja erst jarnisch heiraten.« Hugo war sehr kleinlaut geworden.
»Die menschliche Fähigkeit, zu glauben, was man lieber nur träumen oder wünschen sollte, ist weitverbreitet, Herr Barradon.«
BAD HOMBURG
(Sophie Barradon: Es ist ein Irrtum, anzunehmen, Frauen machen sich schön, um die Männer zu erfreuen. In Wahrheit tun sie es bloß, um andere Frauen zu ärgern.)
»Mama, kannst du mir erklären, was hier los ist? Dein Mann dackelt auf dem Immobilienball hinter so einer Diva her, dass es fast peinlich ist. Hast du gesehen, wie sich die Leute lustig gemacht haben?« Amelie schien sichtlich wütend.
»Amelie, ich habe dir erklärt, dass Karl und ich uns getrennt haben. Aber wir werden uns nicht scheiden lassen. Er soll leben, wie er möchte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass seine Begleitung blamabel war. Die Kerle haben sich den Hals ausgerenkt! Und das passte manchen Damen nicht. So ist es nun mal«, antwortete ihre Mutter durch das Telefon.
»Was will Karl mit so einer?«, fragte Amelie schrill.
Hollywood lässt grüßen!«
»Mach bitte keinen Aufstand! Karl hat mir alles erzählt: Er hat eine Frau kennengelernt, sich verliebt. Auch sie lebt in Trennung von ihrem Mann, einem Großunternehmer aus der Solarbranche.« Eine Pause entstand. »Na ja, einen Tag vorher hat er gebeichtet. Falte sie nicht gleich zusammen, bloß weil sie ganz ansehnlich ist. Immerhin ist sie in seinem Alter. Stell dir vor, er wäre mit einem Ding in deinem Jahrgang aufgetaucht. Da wäre er nicht der Erste.«
»Wie kannst du so cool damit umgehen. Dein Mann läuft mit einem Flittchen rum und du findest das legitim! Das ist doch erniedrigend! Besitzt du überhaupt keinen Stolz!« Die Enttäuschung war Amelie anzuhören.
»Würde es etwas ändern, wenn sie eine hässliche Tonne wäre?«
»Aber klar Mama. Das wäre dann, das wäre ...«, Amelie stockte, »na, eben nicht so erniedrigend!«
»Schon Friedrich Nietzsche sagte, die Menschen drängen nicht zum Licht, um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen. Es ist sein Leben, basta. Ich habe dir nicht reingeredet, als du mit diesem Affen zusammen warst. Wie hieß er noch gleich?«, fragte Alexandra schnippisch.
»Björn.«
»Genau. Björn. Ich hatte damals gehofft, dass dein Gehirn sich einschaltet, wenn der Hormonschub sich setzt.«
»Björn ist kalter Kaffee und kein Thema mehr, darüber will ich nicht mehr reden!«, platzte Amelie in die Worte ihrer Mutter.
»Dann sprechen wir jetzt auch nicht über Karl!« Alexandra vernahm den heftigen Atem auf der anderen Seite des Telefons. Sie konnte sich vorstellen, wie Amelie damit kämpfte, den Mund zu halten, und sah ihre Gesichtszüge vor sich.
»Mama, wir sehen uns heute Abend beim Essen zu Hause.«
»In Ordnung, aber das Thema wird nicht erneut aufgetischt!«
Amelie stöhnte: »Versprochen.«
Natürlich hatte der Auftritt von Sophie beim Immobilienball Alex einen Stich ins Herz versetzt. Aufgeblasen stolzierte die Lady durch die Gegend wie die Königin der Nacht. Den Kerlen waren fast die Augen herausgequollen, sie standen sabbernd um die Frau herum. Das ärgerte Alex. Und wie sie ihre roten Haare ständig mit der flachen Hand über die Schultern streifte, begleitet von diesem Sexihexiblick, mit dem sie allen Männern tief in die Pupillen blickte. Dazu dieses Kleid! Auf der einen Seite so hoch geschlitzt, dass man bald fast den Slip sehen konnte, ein teures Designerkleid.
Sie selbst musste bei der Anprobe neuerdings darauf achten, dass Stoffe ihren Bauchrollen schmeichelten und die Hüften umspielten. Sie mochte gar nicht daran denken. In den meisten Kleidern wirkte sie wie eine Boje aus dem Main. Darum hatte sie sich für dieses Schwarze entschieden, es machte schlank. Und die blöde Anne Gagg hatte nichts Besseres zu tun, als nachzufragen, ob sie jetzt Trauer trage wegen Karl. Die alte Schnepfe! Karl hatte recht: Jeder lebte sein Leben. Ihre Kommunikation war schon lange in die Eiszeit übergegangen, trotzdem gab es ihr einen Stich ins Herz, als er mit seinen Koffern das Haus verließ. Er war ein charmanter, gut aussehender Mann, hochgewachsen, ein Meter vierundneunzig groß und schlank. Eine Freundin meinte einmal, er erinnere sie an Harrison Ford. Oberflächlich stimmte dieser Vergleich, jedoch sah Karl besser aus. Ihr Karli, der Kavalier, jederzeit großzügig, ein Mensch, der überall beliebt war, einer mit dem man nicht streiten konnte. Mit seiner sprühenden Laune und seiner Höflichkeit machte er jeden Ärger zunichte. Nie gab es ein lautes Wort von ihm. Sie liebte ihn noch immer. Auf der anderen Seite war die Liebe verblüht. Wieso war zwischen ihnen nicht mehr genug Gefühl vorhanden? Darüber hatte sie nie nachgedacht. Im Laufe der Jahre war ihre Liebe abhandengekommen, hatte sich aufgelöst in Respekt und Freundschaft. Die Flamme war erloschen. Sie wünschte ihm alles Gute. Was war passiert? Seine jugendliche Beschwingtheit, seine Unruhe, sie waren ihm geblieben. Er konnte nicht zu Hause sitzen. Stets war er auf dem Sprung, als würde er irgendetwas verpassen im Leben. In jungen Jahren hatte genau das sie gereizt. Heute ging es ihr auf die Nerven.
Kaum hatte er die Fünfzig überschritten, kam ein neuer Spleen dazu, er musste sich etwas beweisen: Er sei kein alter Sack, von ihm sollten sich die Jünglinge eine Scheibe abschneiden, meinte er. Mit Laufen hatte es begonnen und es endete im Marathontraining. Karl war nicht allein. Einige Freunde im gleichen Alter hatten sich zusammengetan, man wollte an Marathonläufen teilnehmen: New York, Berlin, Boston. Später waren sie auf Triathlon umgeschwenkt und hatten für den Iron Man in Frankfurt trainiert. Mit dem Triathlon kam das Fahrrad ins Spiel. Ein Mountainbike von Karl stand im Büro auf Mallorca, in ihrer Garage parkte eine Galerie von Zweirädern. Diese Herrenriege rannte, schwamm und trat die Pedale. Mallorca, Österreich, Schweiz, sogar den Teide auf Teneriffa hatten sie erradelt. Schaut her, was ich noch alles kann, das war die Devise. Getarnt als Spaß, vorgeschoben die Gesundheit, so hechteten sie unsinnigen Zielen nach. Sicher kam demnächst die Himalaya-Besteigung dazu. Alex würde das nicht wundern. Sie fragte sich, was diese Männer sich beweisen mussten. War das die sogenannte Midlife-Crisis? War es genetisch bedingt? Fehlte ihnen das sich Messen und Krieg spielen? Zwei aus der Truppe waren ausgestiegen: Einer starb an einem Herzinfarkt, den Zweiten konnte man noch reanimieren. Einer der Herren hatte sich von seiner Frau getrennt und spazierte nun mit einem Mädel am Arm herum, jünger als die eigene Tochter. Männer zu verstehen gelang ihr in der Regel nicht.
Aber diese Sophie war der Hammer, klein zierlich, hübsch, sie löste Beschützerinstinkte in jedem Mann aus. Dazu ein Porzellangesicht und ein Kleid wie eine Schneekönigin. Sie war eindeutig die Attraktion des Abends gewesen.
Und sie war eine Zicke! Als Carsten eine Runde Margaritas ausgab, schlenderte das Luder auf ihn zu, prostete elegant in die Luft und fragte ihn, nach wem oder was der Drink benannt sei. Natürlich konnte sie selbst mal wieder den Mund nicht halten und platzte sofort heraus: Nach der Frau des Erfinders selbstverständlich. Grinsend wie ein Schimpanse belehrte die Rothaarige: selbstredend nach der Ex-Freundin. Später erkundigte sich die Giftnudel, Sophie, oder wie sie hieß, kennerisch beim Ober nach der Rebsorte des Weins, die dieser als Bourgogne bezeichnete. Und nochmals konnte sie ihre Zunge nicht zügeln, hielt ihr Glas hin mit der Bemerkung, ein Pinot sei ein feiner Tropfen. Chardonnay, entgegnete Sophie mit einem kühlen Blick,