Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle. Sabine Ibing
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»Sie ist nicht von deinem Blut, du hast ihr gegenüber keine Verpflichtung. Und sie war sehr ausfallend!«
Traurig blickend nahm Karl Sophie in den Arm, hob ihr Kinn zu sich hoch. Seine Stimme wirkte müde. »Es wird schon werden, lass ihr Zeit.«
Sophie drehte sich aus der Umarmung und schmollte mit vorgeschobener Unterlippe. »Sie arbeitet und kann sich selbst Kleidung kaufen.«
»Sie ist Studentin und hat einen Teilzeitjob in der Firma. Wir standen auf der Zeil und sie brauchte eine Winterjacke. Es gab eine, die ihr gefiel, aber die war ihr zu teuer. Es hat mir Freude gemacht, meiner Tochter die Jacke zu schenken. Basta.«
»Ich brauche dringend einen Mantel, mit mir gehst du nicht in die Stadt«, jammerte Sophie.
Karl verdrehte die Augen und stöhnte. »Also gut, wir gehen jetzt in die City und holen dir einen Mantel. Bist du dann zufrieden?«
Sophies Laune war wie gewandelt. Sie erzählte von ihrem Anwaltsbesuch. Hugo müsse Unterhalt zahlen. Ihr ganzes Geld habe sie ihm damals geliehen für die Firma, 150.000 Euro. Ein wenig sei schon zurückbezahlt, er sei nun verpflichtet, die Raten weiterzuzahlen. Als Ehefrau sei sie Mitinhaberin der Firma, da solle Hugo auch abdrücken. Der Anwalt leite die Scheidung ein. »Was habe ich mich früher krumm gemacht«, erklärte Sophie. »Ich habe seine Eltern lange gepflegt vor deren Tod, einer dement, einer bettlägerig. Nebenbei war ich in der Firma Sekretärin und Einkäuferin, habe Hugo den Rücken freigehalten. Ich putzte das Haus, pflegte den Garten, kaufte ein, kochte. Mein Tag hatte vierzehn Stunden an sieben Tagen. Und Hugo? Meinen Einsatz hat er nie gewürdigt, hat mich mit einer unterbezahlten Teilzeitstelle abgefüttert. Ich musste sämtliche Bons nachweisen, er hat sich aufgeregt über jedes Teil, das ich gekauft habe, Essen, Kleidung und so weiter. Wenn er nach Hause kam, hat er gesoffen und manchmal hat er mich geschlagen. Tränen standen ihr in den Augen.
Karl nahm sie zärtlich in den Arm. »Jetzt bist du bei mir und alles ist gut. Ich lasse dich nicht verhungern.« Er lächelte sanft. »Und nun gehen wir einen Wintermantel kaufen, damit du nicht erfrierst. Am Wochenende fahren wir nach Sylt. Ein Kunde von mir möchte sich von seinem Ferienhaus trennen. Wir sind eingeladen, um das Haus kennenzulernen.«
SYLT
(Sophie Barradon: Sei immer edel, niemals kitschig und immer ein bisschen frech!)
Der Wind blies scharf und Sophie drückte sich an Karl, als die beiden durch das Watt wanderten. Außerhalb des Sommers gehörte Sylt den Einheimischen und Naturfreunden. Der Strand war leer und es bot sich an, endlos zu wandern. Hungrige Möwen hielten gierig nach Futter Ausschau oder sie saßen auf muschelverklebten Buhnen. Sophies Wangen röteten sich in der Brise, die ihr stechend ins Gesicht schnitt. Die Sanddünen wirkten wie schlafende Kamele, auf deren Höcker sich das Dünengras wiegte, letzte Regentropfen hingen wie Glasperlen in windgeschützten Gräsern. Es klang wie ein leises Fiepen, wenn sich die Schilfstangen aneinander rieben. Und bei jedem Schritt im Watt es gab glucksende Geräusche. Karl zog seine gefütterte Barbourjacke über dem Polo fester zu. Sophie hatte sie ihm zusammen mit anderen für sie wichtigen Accessoires gekauft, ihn quasi neu ausstaffiert. Das gehöre sich so auf Sylt.
Sophie sagte: »Bitte lass uns reingehen, mir ist kalt.«
»Ich frage mich, warum du die dünne Lederjacke anhast und nicht den neuen Wintermantel«, schüttelte Karl den Kopf.
»Du bist schuld. Ich musste ja einen Koffer zurücklassen, da war der Mantel drin!«
»Aber Sophie! Mein Auto ist kein Lkw. Du hast drei große Gepäckstücke angeschleppt. Mehr hat nicht hineingepasst. Du wirst wohl mit zwei Koffern für ein Weekend auskommen! Er schaute an ihr herunter. »Und diese Schuhe! Mit den Pfennigabsätzen bleibst du im Sand überall hängen und im Pflaster erst recht!«
»Ich wusste ja nicht, dass wir in feuchtem Watt herumtapsen! Soll ich das ganze Wochenende frieren? Du erwartest doch nicht, dass ich mich in Öljacke und Gummistiefel zwinge, oder?« Sie murrte: »Ich will jetzt rein!« Entnervt zog sie die Augenbrauen hoch. Ihr Ton klang gnadenlos.
»Wir fahren nach Westerland und holen dir etwas Warmes zum Anziehen!«, gab sich Karl geschlagen.
»In Rantum wären wir gleich an der Sansibar, das könnten wir verbinden«, schnurrte Sophie.
Nachdem die beiden die gesamte Friedrichstraße in Westerland durchkämmt hatten, erhielten sie den Tipp, sich in einem abgelegenen Geschäft umzusehen. Sie betraten den Laden und sogen die Luft ein. Es roch verführerisch nach Leder und Pelz. Verträumt blieb Sophie vor einem Nerz stehen. »Karl, ist der schön!«
Er erkundigte sich bei der Verkäuferin gerade nach dicken Lederjacken.
»Ich ziehe ihn mal an, nur zum Spaß«, rief Sophie. Karl war überwältigt. Der Mantel schmiegte sich um Sophies Körper. Der Kupferton ihrer Haare kam auf dem dunklen Nerz perfekt zur Geltung. Sophie dreht sich elegant und ließ den Mantel leicht herunterrutschen, sodass er ihre Schulter freigab. Sie gab ihm einen erotischen Luftkuss.
»Ein Kunstwerk, wie für dich geschneidert, phänomenal!«, rutschte es ihm heraus. Sophie rannte auf Karl zu und küsste ihn.
»Danke Karl, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
Ihm fiel fast die Tüte mit den Boss-Stiefeln aus der Hand. Aber wirklich, der Mantel stand ihr ausgesprochen gut und er würde gut zum Fellbesatz der Stiefel passen.
Sophie hatte den Nerz gleich anbehalten und zog dazu die neuen Schuhe an. Karl spürte Appetit auf ein Fischbrötchen und wollte zurück nach Westerland fahren. Sophie war mehr nach einem Champagner mit Hummercocktail in der Sansibar, also fuhren sie nach Rantum. Sie gingen die Holztreppe hinunter, hüllten sich draußen in Decken ein. Die tief sinkende Sonne ließ die Dünen in weichem Licht erscheinen. Das Moos schimmerte und duftete unvergleichlich, das Meer donnerte zum Flügelschlag der Möwen. Schaumkronen bauten sich auf und fielen krachend an den Strand. Sophie setzte sich in Position, um von allen Seiten gesehen zu werden, kramte ihr Buch aus der Handtasche und legte es sichtbar auf den Tisch: Aphorismen von Oscar Wilde. Am Himmel bildeten sich Wolken wie kleine Wattebäuschchen, blau, rosa und fliederfarben durchzogen.
Der Wind hatte sich mittlerweile in einen Sturm verwandelt. Nebel streiften wie Dünengespenster über den Boden, der bleiche Umriss des Leuchtturmfeuers lugte spukhaft hervor. Karl erklärte Sophie auf dem Weg zu Söl‘ rings Hof, einem Zweisternerestaurant, wie das Meer von der Hörnum Odde und dem roten Kliff in Kampten jedes Jahr große Stücke ins Meer riss. Jahr um Jahr hinterließ der Wind tiefe Furchen im Kliff. Sophie hörte nicht zu, sondern versenkte ihren Blick in die untergehende Sonne und die Holzpflöcke, die anmutig im Abendrot standen.
Am späteren Abend ging es nach Kampen ins Pony. Für den folgenden Tag waren sie zum Champagnerfrühstück im Strönwai verabredet und zum Abendessen im Gogärtchen.
Sophie schaute aus dem Fenster. Frieden in Ultramarin, Türkis, Rosa, Orange und Lila. Das schräg stehende Licht glitzerte im Meer wie flüssiges Metall zum ohrenbetäubenden Donnern der Wellen. Die gemütliche Wärme vom Kamin zog wohlig durch ihren Körper. Champagner für alle, für immer! Glitzernde Partys und hervorragendes Essen mit snobistischem Flair. Sie liebte Sylt, wäre gerne länger geblieben. Auf anderen Inseln gab es keine Fischbude oder eine kleine Bretterbude mit Piratenemblem, die jeder kannte!