Druide der Spiegelkrieger. Werner Karl

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Druide der Spiegelkrieger - Werner Karl

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mit – so hoffte sie zumindest – leisen Schritten. Nach wenigen Minuten gelangten sie an den gegenüberliegenden Rand des Schlachtfeldes. Auf der anderen Seite, halb verborgen durch Nacht und unsteten Fackelschein, warteten ihre Wagen. Die beiden Leibwächter beobachteten die Frauen, bewegten sich aber nur verhalten, da sie ohnehin mit keiner Gefahr rechneten. Den Mann hatten sie nicht wahrgenommen.

      Für einen Moment schoss Inga der Gedanke durch den Kopf, dass sie bei aller Fürsorglichkeit scheinbar doch keine so guten Leibwachen für die Frauen darstellten, und verzog missmutig den Mund.

      Der Wind hatte an Stärke zugenommen und die Wolken passierten im raschen Wechsel den Mond, der sich bleich am Himmel zeigte. Noch nicht ganz voll spendete er dennoch genügend Licht, um Einzelheiten erkennen zu können.

      Die Sklavin warf sich zu Boden und zog Lucia mit sich. Hier, am Rand des Gemetzels, lagen die Leichen weit verstreut und auch das Gras war an manchen Stellen unversehrt. Die niedrigen Halme des Feldes – oder zumindest das, was davon übrig geblieben war – lagen weit hinter ihnen. Die Krähen und Geier wirkten in der Dunkelheit wie böse Schatten, die sich zu den aufsteigenden Seelen der Gefallenen gesellten. Mancher Vogel erhob sich satt und träge und flatterte in die Nacht.

      Inga hatte den Druiden im schwachen Licht des Mondes nur entdeckt, weil der saubere Teil seines Umhanges einen hellen Fleck inmitten der Düsternis erzeugte. Wieder war er über einen Körper geduckt. Lucia und Inga strengten ihre Augen an, doch ziehende Wolken schoben sich ausgerechnet jetzt vor das Antlitz des Mondes. Ungeduldig wartete Inga, bis eine größere Wolkenlücke am Himmel entstand und sie die Szene wieder beobachten konnten.

      Der Druide hatte seinen Umhang zurückgeschlagen und seine in Leder gekleideten Beine waren zu sehen. Mit seiner linken Hand hielt er den dicht tätowierten Kopf des Liegenden ein wenig in die Höhe. In seiner Rechten hielt er einen im Mondlicht glänzenden Gegenstand.

      Die Germanin erkannte trotz der schlechten Lichtverhältnisse sofort die kurze Klinge.

      »Was will er mit dem Messer?«, flüsterte Lucia und sah gebannt in die Nacht.

      »Herrin …«, hauchte Inga dicht bei ihr und wollte Lucia auf ein weiteres Paar glühender Augen in der Dunkelheit hinweisen. Dieses Augenpaar befand sich nur einen Steinwurf weit von dem Druiden entfernt und Inga schien es, als seien sie ein wenig schräg gestellt und schwebten etwa in Hüfthöhe über dem Boden in der Dunkelheit. Doch Lucias gebieterische Geste zwang sie zum Schweigen.

      Wieder hatte es den Anschein, als spräche der Druide leise auf den am Boden Liegenden ein, dieses Mal jedoch in eindringlichem Ton. Und obwohl Inga zu weit entfernt war, um auch nur eines der Wörter verstehen zu können, hatte sie trotzdem den Eindruck, dass die Worte von Traurigkeit und Bedauern durchdrungen waren. In Lucias Augen las sie, dass es ihr genauso ging. Plötzlich öffnete der scheinbar tödlich Verletzte seine Augen und seinen Mund, doch mehr als ein gequältes Stöhnen brachte er nicht mehr hervor.

      Der Druide hob sein Gesicht zum Mond und stieß ebenfalls einen unterdrückten Laut größter Qual aus. Das zweite Augenpaar verschwand. Aus der gleichen Richtung erklang das leise Jaulen eines Wolfes. Dann rammte der Druide mit einem plötzlichen Ruck die Spitze seiner Klinge direkt ins Herz des vor ihm Liegenden.

      Inga erstarrte vor Entsetzen und hielt sich die Hände vor den Mund, um den Schrei zu ersticken, den sie beinahe ausgestoßen hätte. Lucia klammerte sich an Ingas Hand. Im Mondlicht sah Inga frische Tränen auf Lucias Wangen. Auch Ingas Augen entströmten Tränen. Aber sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Mit verschleiertem Blick beobachtete sie, wie der Druide nun den Kopf des Mannes, dem er gerade den Gnadenstoß gegeben hatte, behutsam zu Boden gleiten ließ und die Klinge in seiner Hand gegen den Weinschlauch eintauschte. Er löste den Korken vom Hals und setzte ihn an die Lippen des Toten. Der Schlauch schien nun fast leer zu sein und Inga sah zu, wie der Mörder die letzten Tropfen sorgfältig in den Mund des Erdolchten träufelte. Dann verschloss er den Schlauch hastig und raunte weitere Worte, die Stirn gegen den Kopf des Toten gedrückt, in ein Ohr des Toten. Ohne einen weiteren Blick auf den Gefallenen zu verschwenden, stand er auf, raffte seinen Umhang dicht um sich und war mit wenigen Schritten endgültig in die Finsternis eingetaucht.

      Inga schluckte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Der Druide war genau in die Richtung gegangen, aus welcher der Wolf gerufen hatte. Aber sie verzichtete darauf, ihrer Herrin davon zu erzählen, denn sie konnte sich nicht vorstellen, was ein Wolf mit einem Druiden zu schaffen haben könnte.

      Kapitel II

      Die grauen Finger des Todes

      A. D. 167, Mai

      Túan duckte sich, als das Reh auf der Lichtung erschien. Er versuchte, so flach wie möglich zu atmen, was ihm nicht leichtfiel, schließlich hatte er gerade erst eine lange Strecke im Dauerlauf zurückgelegt. Sein Dorf lag einige römische Meilen von diesem Teil des Waldes entfernt. Doch hier gab es ein paar Stellen, an denen die besten Pilze wuchsen. Seinen Eltern hatte Túan nie erzählt, woher er die großen und schön gewachsenen Pilze hatte, denn sie hätten sein Geheimnis jedem im Dorf offenbart. Nicht lange, und andere Jungen und Mädchen wären dort aufgetaucht und die Ausbeute hätte sich auf viele Münder verteilt. Túan war ja bereit, seine Habe mit anderen zu teilen, und verschenkte stets einen Teil seiner Pilze an andere Familien. Doch er befürchtete, dass zu viele Füße das unterirdische Geflecht der Pilzgewächse zerstören würden und bald niemand mehr etwas seiner kargen Kost hätte hinzufügen können. Zu oft hatte er beobachtet, wie dumm und gedankenlos manche Menschen mit den Früchten und Tieren in den Wäldern umgingen.

      Aber bis zu dem Tag, an dem in Breith wieder die Pilze wuchsen, war es noch lang. Túan hoffte, heute einen Hasen oder anderes Kleinwild zu erlegen und seinen Eltern bei der Heimkehr stolz zu präsentieren.

      Manchmal, wenn er Stunde um Stunde im Wald umherstreifte, meinte er, ein Flüstern zu hören, das weder von bewegten Blättern noch von Tieren herrührte, geschweige denn von anderen Menschen. Dann legte er sich flach auf den Boden, schloss die Augen und sog tief den Geruch der Moose und Flechten ein. In den ersten Minuten identifizierte er alle Geräusche, die er kannte, und schob sie in eine Ecke seines Geistes. Danach dachte er über neue, zunächst unbekannte Laute nach, die an seine Ohren drangen, und konnte sie nach einer Weile fast immer ebenfalls einem Tier oder einer Pflanze zuordnen. Gräser erzeugten im Wind ein anderes Geräusch als eine alte, ächzende Eiche. Das Knarren dünner Äste unterschied sich vom Brechen morschen Holzes, wenn ein Tier darauf trat oder die Pflanze dem Druck einer kräftigen Böe nachgeben musste. Was dann übrig blieb, faszinierte ihn immer wieder. Im Laufe der Jahre hatte Túan sich an die Vorstellung gewöhnt, dass Avnova persönlich zu ihm sprach. Auch wenn er ihre Worte nicht verstand, war er sich sicher, dass er – im Gegensatz zu anderen Jungen – zu einer besonderen Verbundenheit mit ihr fähig war, die ihm Einblicke ermöglichte, die anderen verwehrt blieben. Und Schutz. Ja, er fühlte sich im Wald völlig sicher. Kein Tier, kein noch so dunkler Hain vermochte ihm Angst einzuflößen.

      Einmal hatte er zaghaft versucht, seinen Eltern – Bril, seinem Vater, und Rurayleigh, seiner Mutter – diese Dinge zu erklären. Doch schon bei den ersten Worten, die andeuteten, dass er mit seinen feinen Sinnen den Wald ganz in sich aufnahm, hatten sie völlig verständnislos reagiert und ihn angeherrscht, er solle sich im Wald doch mit nützlicheren Dingen wie etwa Holz- und Früchtesammeln begnügen. Ein späterer Versuch beim Dorfältesten endete mit dem, wie Túan fand, wenig einfühlsamen Rat, er möge einen Weisen und Heiler aufsuchen und sich auf Krankheiten untersuchen lassen.

      Túan war nie mit dem zufrieden, was man ihm als Antwort auf seine vielen Fragen gab. Immer fragte er noch einmal nach und ließ nicht locker, wenn er glaubte, da wäre noch mehr Wissen verborgen als das, was man ihm anvertraute. Oft wandten sich die Befragten aufgrund

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