Druide der Spiegelkrieger. Werner Karl

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Druide der Spiegelkrieger - Werner Karl

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formte sich ein neuer Mensch, der mit dem vorherigen nichts, aber auch gar nichts gemein hatte.

      Mit wenigen Schritten ging er zur Standarte und trat sie mit einem wuchtigen Tritt in den Staub, nur um sie sofort wieder aufzunehmen und mit einem wütenden Schrei in den nächsten noch brennenden Schutthaufen zu werfen. Die Funken stoben auf und das Feuer fand neue Nahrung am trockenen Schaft des Heereszeichens.

      Túan blieb so lange stehen, zitternd vor maßloser Wut, bis die Standarte völlig im Feuer vergangen war, dann hob er sein Haupt und blickte ohne Ziel über das Dorf.

      Genau in dieser Sekunde vollzog sich der Wandel vom Jungen zum Mann, auch wenn er an Größe, Kraft und Alter noch weit davon entfernt war. Seine Muskeln, seine Stärke noch nicht in der Lage waren, einem Feind mit der Vehemenz entgegenzutreten, die in seinem Geist bereits anwuchs, sich mit einem Feuer erfüllte, das heller und wilder loderte als alles, was um ihn herum züngelte. Die Bilder, die er hier sah, verschmolzen zu einer gefährlichen Glut, die sein Innerstes erfassten wie ein tief in der Erde fließender Lavastrom. Túan fühlte diese Macht in sich aufwallen, spürte jede Faser seines Körpers bis ins Kleinste hinein durchdrungen von diesem verheerenden Brand, der wie ein grummelnder Vulkan darauf wartete zu explodieren, alles niederzuwalzen, zu töten und zu vernichten.

      Seine Gedanken kehrten zu der ohnmächtigen Erkenntnis zurück, dass diese verbrannte Standarte für lange Zeit das Einzige sein würde, was er den Römern heimzuzahlen vermochte. Ein finsteres Funkeln trat in seine – endlich wieder von Tränen überströmten – Augen. Teils aus Trauer um seine Eltern, seinen Clan, seinen Stamm, teils aus Zorn für die Mörder. Zu dem Funkeln fügte sich ein freudloses Lächeln, die Mundwinkel grausam verzogen, halb die Zähne fletschend. Aus tiefer Brust bahnte sich ein Grollen, ein Brodeln seiner Stimme, wie ein langsam aus der Hölle kriechender Lindwurm hervor. Der helle Ton der Knabenstimme war verschwunden. Der kräftige Schrei, der sich über diesen Ort des Grauens erhob, war der eines Mannes. Ringsum stoben Vögel in Scharen davon. Rehe, Hasen und anderes Wild flohen ob der brachialen Wut in dem Schrei, der lang und mächtig durch die Bäume brach. In diesem Augenblick konnte er nichts anderes tun, als zu überleben. Noch konnte er seine Rache nicht vollziehen. Aber seine Zeit würde kommen.

      Für einige Augenblicke spielte er mit dem Gedanken, das Feuer im Dorf erneut anzufachen, um die Leichen zu verbrennen. Dann überlegte er, ob er sie alle begraben sollte. Er allein. Schließlich schüttelte er den Kopf und beschloss, die Spuren der römischen Freveltat nicht zu beseitigen. Jeder, der an diese Stätte kam, sollte sehen, was die Besatzer angerichtet hatten. Er bedauerte sogar, dass er die Standarte verbrannt hatte. Mit diesem letzten Gedanken drehte Túan sich um und schritt langsam zurück in den Wald.

      Túan hatte längst den Teil des Landes verlassen, den er auf seinen früheren Streifzügen erkundet hatte. Er irrte mehr oder weniger seit Wochen ziellos durch den Wald und seine anfängliche Verwirrtheit und der grenzenlose Schmerz in seiner Seele waren einem permanenten Brodeln ungestillten Zorns gewichen. Es fühlte sich an wie eine ruhig vor sich hin glimmende Schwelschicht eines niedergebrannten Feuers. Doch diese Glut würde nie mehr verlöschen. Er dachte nicht darüber nach, ob eben diese Glut, dieser Hass auf die Römer, irgendwann von selbst verschwinden würde. Aber eine Überzeugung empfand er dennoch, dass dieser Hass entweder ihn oder die Römer versengen würde. Ein Erwachsener hätte in Túans Situation längst über Rache und entsprechende Möglichkeiten nachgedacht. Aber Túan war noch nicht erwachsen. Doch er befand sich auf dem allerbesten Weg, es zu werden, bloß wusste er es noch nicht.

      Es war später Nachmittag und langsam würde er sich einen Lagerplatz suchen müssen. Sein Vorrat an Lebensmitteln war zwar noch für mehrere Tage ausreichend, aber gegen frische Beeren oder auch einen Vogel oder Hasen zum Nachtmahl hätte er nichts einzuwenden gehabt.

      Er blieb stehen und sah sich seit Stunden zum ersten Mal wieder bewusst im Wald um. Das Gelände stieg stetig, aber nur leicht an und er hob den Kopf, um Vögel zu entdecken, die ihrem Nachwuchs oder der männliche Vogel seinem brütenden Weibchen Nahrung brachte, und ihm dabei die Position des Nestes verrieten. Túan war sehr geschickt darin, Nester in Fallen zu verwandeln. Er hatte schnell gelernt, dass Eier eine willkommene Ergänzung seines Speiseplanes darstellten, dass die Elternvögel jedoch eine größere Mahlzeit abgaben. Túan vermied bei der Errichtung seiner Fallen immer sorgfältig, die Jungen zu berühren. Manche Vögel hatten es gar nicht gern, wenn ihre Nachkommen oder das Nest nach Mensch rochen. Sie flohen in der Regel und überließen zuweilen das Gelege ihrem Schicksal.

      Túan war etwa eine halbe Stunde mit frisch erwachtem Geist leise durch den wilden, unberührten Wald geschlichen, als er in einiger Distanz zwei neue Geräusche hörte. Das erste war das wütende Zwitschern und Gezeter zweier Kornweihen. Das zweite Geräusch war ein Winseln, in unregelmäßigen Abständen unterbrochen von einem unsicheren, aber ärgerlichen Fauchen. Túan kannte mehrere Waldbewohner, die für das Fauchen verantwortlich sein könnten, und ortete stillstehend die Richtung, aus der die Töne kamen.

      Als er sich einigermaßen sicher war, schlich er noch vorsichtiger dorthin. Er musste nur ein paar Dutzend Schritte machen, dann hatte er den Ort erreicht. Vorsichtig bog er den blattreichen Zweig eines Holunderbusches beiseite und lugte durch die Lücke.

      Die beiden zeternden Vögel waren tatsächlich Kornweihen. Ein unscheinbares, aber furchtloses Weibchen und ein prächtiges und noch zornigeres Männchen attackierten ein kleines graubraunes Fellbündel, das neben einem großen Haufen von gleicher Farbe vor ihnen in Deckung sprang. Jedes Mal, wenn einer der Elternvögel herabstieß, zuckte ein kleiner Kopf mit geöffnetem Maul nach oben und das Fauchen erklang. Die Tonlage wechselte von ängstlich bis ärgerlich, je nachdem, wie nahe ihm die Schnäbel kamen oder er selbst die Vögel verpasste. Als wieder der kleine Kopf hinter dem größeren Fellhügel hochsprang, erkannte Túan das Tier.

      Es war ein Wolfswelpe, der kleiner war als die beiden erwachsenen Vögel, welche gerade einen erneuten Angriff starteten. Beinahe hätte der männliche Vogel dem Kleinen ein Auge ausgehackt. Aber der tapfere Welpe stolperte über einen Ast und purzelte in einer rollenden Bewegung einen Mooshügel hinunter. Mit tapsigen Hüpfern korrigierte er sein Missgeschick und suchte nach den Vögeln. Die jedoch stoben wütend gackernd davon, als Túan aus dem Busch hervortrat.

      Nicht weit von seinen Füßen entfernt lagen eine tote Wölfin und dicht daneben ein weiterer toter Welpe. Der Kleine wies eine ganze Reihe an Verletzungen auf, die einwandfrei als Hiebe der Greifvögel zu identifizieren waren. Die Wölfin jedoch zeigte auf den ersten Blick keinen Hinweis, der ihren Tod erklärte.

      Túan trat näher und schob einen Fuß unter den Leib der Wölfin und drehte sie um. Dabei bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass der überlebende Welpe langsam und mit geducktem Kopf ein paar Schritte auf ihn zu kam, stehen blieb, wieder einen Schritt machte und sich dann etwa zehn Schritte weit entfernt zu Boden hockte. Er winselte zwar leise, aber er ließ Túan keine Sekunde aus den Augen.

      Der Junge sah nun, was der Wölfin passiert war. Das rechte Vorderbein war vor einiger Zeit durch irgendein Ereignis gebrochen und die offene Wunde hatte sich entzündet. Das ansonsten magere Fleisch der Wölfin war um den Bruch herum aufgeschwollen und rot. Viele Maden krochen darin herum und verbreiteten einen ekelerregenden Geruch.

      Die Wölfin hatte nicht mehr jagen können und war schließlich völlig entkräftet hier zusammengebrochen. Die beiden Welpen hatten so lange Milch von ihr bekommen, bis nichts mehr da war. Eine leichte Beute für jeden Jäger.

      Túan blickte sich in den Wipfeln um und fand nach kurzer Suche das Nest der Kornweihen, deren Augen böse auf ihn herunterfunkelten. Wahrscheinlich war es Zufall gewesen, dass die Wölfin ausgerechnet direkt vor deren Nest ihr Leben ausgehaucht hatte und sie die Vögel ungewollt noch im Todeskampf zur Verteidigung des Nestes provozierte. Auch ihr Körper wies einige Schnabelwunden auf, doch keine war lebensbedrohend oder für den Tod der Wölfin ausreichend gewesen. Der tote Welpe ging aber allein

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