Reise - Begleitung. Jürgen H. Ruhr
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Aber die Zicke sah mich nur grinsend an: „Joh - nathan, Sherlock Holmes war ein Mann. Du könntest mich dann eher mit Casey Jones vergleichen. Obwohl ich von der Figur her doch ein wenig schlanker bin.“
„Casey wer?“, fragte ich. Mit was für einem Halbwissen wollte meine Kollegin denn jetzt wieder auftrumpfen? Außerdem könnte man doch vielleicht sagen: der weibliche Sherlo...
„Casey Jones. Eine Privatdetektivin in den Romanen von Katy Munger. Aber vielleicht kennst du ja Miss Marple?“
Ich blickte Birgit nur fragend an. Klar, von einer Miss Marp... hatte ich schon einmal gehört. War das ni...
„Jane Marple, die Amateurdetektivin in den Romanen von Agatha Christie. Jetzt sag’ nicht, dass du die auch nicht kennst.“
Ich nickte. Klar kannte ich die. Aber wen interessierten denn schon Romandetektive? Hier und jetzt spielte das wahre Leben und da galt es, dass der Privatdetektiv Jonathan Lärpers den Kaufhausdieb Elektromännchen dingfest machte. Nicht das tote Bücherwissen zählte. Ich hob die Hand, drehte mich um und stolperte fast über einen der Regaleinräumer. Mich entschuldigend hastete ich weiter. Das waren redliche, fleißige Arbeiter. Alle vier knieten vor dem Regal und holten auch noch aus der hintersten Ecke irgendwelche Kartons mit Waschmitteln, die sie ordentlich auf eine leere Palette stapelten. So war es recht, Platz für Neues schaffen.
Jetzt konnte mich aber niemand mehr aufhalten! Den Weg zur Elektroabteilung kannte ich ja noch und als ich durch die Buchabteilung ging, dachte ich kurz darüber nach, mir ein Buch von dieser Miss Kathy Mumper zu kaufen. Aber die Zeit drängte, bald würde die Mittagspause beginnen und das Männchen wäre nur noch im Aufenthaltsraum anzutreffen. Also musste der Buchkauf warten.
In der Elektroabteilung sah ich sofort meinen Verdächtigen. Der Mann sprach gerade mit einem ganz in schwarz gekleideten jungen Mann. Schwarze Hose, schwarzes Hemd und darüber ein weiter, schwarzer Mantel. Ich rieb mir die Hände. Dem Kameraden war doch seine schwarze Gesinnung schon an der Kleidung anzusehen! Jetzt hatte ich meinen Kaufhausdieb. Und auch noch in flagranti. Bei der in unauffälligem schwarz gekleideten Person konnte es sich ja nur um den Komplizen meines Diebes handeln. So stellten die das also an! Die Waren wurden unter dem weiten Mantel aus dem Kaufhaus getragen. Schlau, schlau. Ich beobachtete die beiden und ärgerte mich, keinen Fotoapparat zur Beweissicherung dabei zu haben. Jetzt hielt das Männchen dem Schwarzgekleideten eine Packung hin. Es war ziemlich sicher, dass die gleich unter dem Mantel verschwinden würde. Ich machte mich sprungbereit, um eingreifen zu können.
Aber die Packung verschwand nicht unter dem Mantel, vielmehr bewegten die beiden sich jetzt zur nächstgelegenen Kasse. Die Aktion wurde immer subtiler! Hatte der Schmächtige mich entdeckt? Das konnte aber eigentlich nicht sein, niemand sah zu mir herüber oder blickte sich verstohlen um. Jetzt griff der andere in seine Manteltasche. War dies der Augenblick? Aber er brachte lediglich seine Geldbörse zum Vorschein. Schließlich klopfte er dem schmächtigen Elektromännchen auf die Schulter, grinste breit und schüttelte ihm anschließend die Hand. Die Frau an der Kasse stand wartend daneben. War auch sie eingeweiht, deckte sie zu guter Letzt den Diebstahl?
Ich musste näher heran. Was wurde dort gesprochen? Vorsichtig umschlich ich ein Regal mit Computerspielen, ließ dabei aber die beiden nicht aus den Augen.
Und stolperte prompt über einen halbhohen CD - Ständer, der krachend zusammenbrach. Drei Augenpaare blickten mich fragend an, dann kam das Elektromännchen auf mich zu. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie der Schwarzgekleidete an der Kasse zahlte.
„Jonathan. Du wieder hier? Suchst du wieder ein Buch oder kann ich dir diesmal helfen?“ Das Männchen deutete auf den Kunden an der Kasse: „Ein schwieriger Fall, der Mann suchte ein bestimmtes Computerspiel. Zum Glück wusste ich, dass wir genauso eines noch am Lager hatten. Und: voilà - wieder ein zufriedener Kunde. Wie kann ich dir helfen?“
Ich musste zugeben, das Männchen war mit allen Wassern gewaschen. Nicht nur, dass er mich beim Namen kannte, sondern auch die Tatsache, dass er dermaßen schnell eine Ausrede parat hatte, verblüffte mich. Eine Ausrede, die mir jetzt leider fehlte. Ich konnte ja schlecht wieder erzählen, dass ich mich beim Suchen der Buchabteilung verlaufen hatte. Blitzschnell griff ich mir eine CD aus dem am Boden liegenden Haufen.
„Diese CD hier möchte ich kaufen.“
Der Mann nahm sie mir aus der Hand, betrachtete das Cover und meinte schließlich: „Eine gute Wahl. Hochmodern, diese Musik. Die CDs von diesem Wim Schlensbow gehen aber auch weg wie geröstete Semmeln!“ Er zog mich zur Kasse, blickte dann auf seine Armbanduhr und fügte an: „Zahle doch einfach bei der Kollegin. Ich habe jetzt Mittagspause und ich denke, wir sehen uns gleich im Pausenraum. Viel Spaß mit der Musik.“
Birgit blickte auf die CD in meiner Hand. Dann grinste sie breit: „Diesmal kein Buch, Jon - athan? Was hast du dir denn diesmal Schönes gekauft?“ Resigniert hielt ich ihr die CD hin, doch Birgit schob sie nur zur Seite.
„Ich habe etwas beobachtet“, eröffnete sie mir stattdessen und sprach verschwörerisch leise. Dann zog mich meine Kollegin weiter von den Mitarbeitern der Firma Pleckla fort.
„Wir haben jetzt Mittagspause“, beschied ich ihr. Mein Magen knurrte und der Misserfolg in der Elektroabteilung ließ meine Laune auf den Nullpunkt sinken. Was die Zicke jetzt wieder zu berichten hatte, würde bis nach der Pause warten können.
Aber Birgit ließ nicht locker: „Das ist wichtig, Jon - athan. Hör mir wenigstens zu, danach kannst du ja in Pause gehen.“
„Du aber auch. Wir müssen schließlich zusammen Mittagspause machen.“
Birgit nickte ungeduldig. „Ja, ja. Also - ich habe vorhin die Vier von Pleckla beobachtet und dabei festgestellt, dass sie hochwertige Waren aus den Regalen auf die Paletten laden und anschließend lediglich die vorderen Reihen mit minderwertigem Ersatz auffüllen. Die Paletten bringen sie dann - sobald eine voll ist - fort.“
Ich musste schmunzeln. Meine Miss Marple! Was Birgit sich aber auch für Gedanken machte. Natürlich mussten die vollen Paletten ja fortgeräumt werden. Sonst würde hier ja alles die Gänge verstopfen. Machte die kleine Möchtegern - Detektivin sich denn darüber keine Gedanken? Einfachste Logik. Schließlich mussten die Gänge begehbar bleiben.
„Birgit, also“, holte ich zu einer umfangreichen Erklärung aus, „natürlich können die Waren nicht im Gang auf den Paletten bleiben. Da kommt doch kein Kunde mehr durch. Also müssen sie fortgeschafft werden. Das erklärt sich doch von selbst. Und jetzt lass’ uns endlich Pause machen, ich habe noch nichts gegessen.“ Schließlich warteten meine Brote auf mich. Vollkornbrote, denn die sättigten ganz ordentlich. In dieser Hinsicht - das musste ich zugeben - befolgte ich den Rat des Elektromännchens.
Ich lächelte die Zicke an. Aber Fräulein Zickler schien mir ihre weiteren Überlegungen und Beobachtungen mitteilen zu müssen. „Also, Jon - athan. Das stinkt mir gewaltig. Die räum...“
Ich unterbrach den Redeschwall: „Birgit! Hat das nicht Zeit bis nach der Pause? Mir knurrt der Magen und die Vier dort werden uns nicht weglaufen. Sieh’ nur, wie es scheint, arbeiten die sogar die Mittagspause durch. Das sind fleißige und ordentliche Mitarbeiter.“
Birgit zuckte mit den Schultern: „Wie du willst, Jon - athan. Aber sage später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Sie drehte sich um und schlurfte vor mir Richtung Pausenraum. Was war jetzt wichtiger als ein Pausenbrot!
Diesmal gab es genügend freie Stühle. Lediglich zwei Frauen und natürlich das Männchen aus der Elektroabteilung saßen an den Tischen.