Der Agentenjäger. Peter Schmidt

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Der Agentenjäger - Peter Schmidt

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      «Bei Leberzirrhose sind die Augäpfel gelb. Man erkennt die zersetzte Leber auch an der Rotfärbung der Fingerkuppen und des Handballens. Nichts davon ist bei Reuben zu finden.»

      «Und sein Blutalkohol?»

      «Normal. Ich würde sagen, völlig normal. Was mir mysteriös erscheint, ist seine grüne Hautfarbe.»

      Sie standen auf der Dachterrasse des Hotels Incommente.

      Unter ihnen bewegten sich Indiomädchen, die Obst und Gemüse und bemalte Tonkrüge zum Markt trugen. Straßenverkäufer boten laut ausrufend tacos an, flache, gerollte Maisfladen, mit Schweine- und Truthahnfleisch in pikanter Soße gefüllt. Heilhäutige Mädchen, eine Gruppe ladinos, Mestizinnen auf dem Wege zu irgendeiner Fachschule, nahm Faber wegen der blauen Uniformjacken an, winkten ausgelassen zu ihnen hinauf, als sie die beiden Männer auf dem Dach erblickten.

      Faber winkte zurück. Gleich darauf schien er sich der Pietätlosigkeit seiner Gebärde angesichts eines unaufgeklärter Mordfalls bewusst zu werden und er fragte mit ernstem Gesicht:

      «Dafür gibt es doch sicher irgendwelche Vergleichsfälle, comisario

      «Nein, keine.»

      «Nicht einen einzigen?»

      «Wie ich schon sagte: völlig mysteriös.»

      «Und was vermuten Ihre Chemiker?»

      «Sie sind noch nicht mit den Analysen zu Rande. Möglich, dass es sich um einen indianischen Zaubertrunk handelt.»

      «Einen Zaubertrunk?»

      «Diese Burschen sind sehr abergläubisch. Und manches ist ja auch nicht von der Hand zu weisen», setzte er hinzu; dabei deutete er mit den Fingerspitzen auf seinen Jackenärmel. «Ich hatte selbst einmal ein sehr hartnäckiges Nervenleiden im linken Arm, dauernde Schmerzen, als kröchen Ameisenströme durch meine Adern. Kein Arzt in der Stadt konnte mir helfen.

      Dann traf ich eine alte Indiofrau, die vom Land kam, um auf dem Markt ihre Heilkräuter anzubieten. Sie empfahl mir, meinen Arm zu besprechen. Das könne ich selbst tun, es komme nur auf die richtigen Worte an.

      Glücklicherweise nahm ich ihren Rat ernst. Ich setzte mich in eine ruhige, abgedunkelte Ecke meiner taberna, wo ich auch zu essen pflegte, und sagte dreimal: Weiche von mir, Satan! Es waren die Worte, die sie mir auf den Weg gegeben hatte. Und seitdem sind meine Beschwerden verschwunden …»

      Er sah Faber so ungläubig an, als müsse er selbst für ihn ein gehöriges Maß an Skepsis übernehmen.

      «Bemerkenswert. Wirklich bemerkenswert», sagte Faber und versuchte seiner Stimme einen überzeugten Klang zu geben. Er nahm, dankbar für die Ablenkung, den Zettel in Empfang, den ihm der Hotelboy auf einem silbernen Tablett reichte:

       Erwarte Sie an der Rezeption. Fräulein Menge Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Guatemala

      stand dort in zierlicher Frauenhandschrift mit leicht verwischter blauer Tinte geschrieben.

      «Richten Sie der Dame aus, ich sei momentan verhindert.» Faber gab dem Boy einen halben Quetzal. Zu viel, wie er sofort argwöhnte, denn der Quetzal stand mit dem Dollar eins zu eins. «Wenn es wirklich dringend ist, soll sie gegen Abend wiederkommen. Kurz vor dem Abendessen.» Damit wandte er sich wieder dem comisario zu, der, die Arme über das Geländer der Dachterrasse gestützt, den Kampf zweier roter Hähne im Straßenstaub beobachtete.

      «Und die Schnittwunde an seinem Hals?»

      «Keine Schnittwunde. Das war unsere erste Vermutung, aber schon nicht mehr die zweite … nur von einem dünnen Strick oder Draht! Man muss ihn ein wenig damit stranguliert haben. Es reichte nicht aus, um ihn zu töten.»

      «Soll das heißen, Sie tappen noch immer im Dunkeln?»

      «Es ist schon sehr mysteriös», bestätigte der comisario. Er schien das Wort «mysteriös» zu lieben, weil es seine tägliche Arbeit charakterisierte. Es gehörte zum Beruf.

      «Und die Beerdigung?»

      «Verschoben, bis eine neue Obduktion der Leiche eindeutige Ergebnisse gebracht hat. Wir haben ihn ein wenig auf Eis gelegt, Señor Faber.»

      «Mit anderen Worten – ich muss bleiben, bis es Ihnen einfällt, seine Leiche freizugeben?»

      «Sie haben Gelegenheit, noch einige Tage unser schönes Land zu genießen. Es gehört zu den interessantesten in ganz Mittelamerika. Ihre Botschaft wird sicher für die Spesen aufkommen.» Er betonte das Wort Botschaft. «Ja, wenn es sich um einen Einheimischen handelte ... Bei Ausländern nehmen wir die Dinge sehr genau. Man kommt zu leicht in Verruf.»

      Der kleinere der beiden Hähne hatte aufgegeben, er blutete aus einer tiefen Wunde am Hals, und seine rechte Flugfeder schleifte abgeknickt durch den Straßenstaub, als er das Weite suchte. Faber setzte sich missmutig in den Schatten des Sonnenschirms. Er sog an seinem hellen Zigarillo und trank einen kleinen Schluck Martini, bis die Eiswürfel gegen seine Zähne stießen, dann stellte er das leere Glas abrupt auf die Tischplatte zurück.

      «Was macht Sie eigentlich so sicher, dass es die Guerillas waren? Wenn ich richtig informiert bin, gibt es in Ihrem Land über dreißig ultrarechte Todesschwadronen?»

      «Zweiunddreißig – nach einer Zählung unserer Tageszeitung Unomasuno», bestätigte Urbico. «Von der ESA, der antikommunistischen Geheimarmee einmal abgesehen. Aber das sind alte Zahlen, wahrscheinlich hat sich ihre Zahl längst verdoppelt.»

      «Was macht Sie so sicher?» wiederholte er.

      «Nun, sehr einfach: Sie pflegen ihr Zeichen zu hinterlassen. Den Farbabdruck einer weißen Hand, eine rote Rose … Und außerdem lieben sie es, ihren Opfern die Genitalien abzuschneiden. Oder wenigstens die Zunge oder die linke Hand. Nichts von alledem bei Ihrem Freund Reuben.»

      «Wie kommen Sie darauf, dass Reuben mein Freund war?»

      «Ein Kollege, nehme ich an?»

      «Sie glauben noch immer diesen dummen Fauxpas des Konsulats? Dass er für einen westdeutschen Geheimdienst gearbeitet hat? Wie gesagt, eine Namensverwechslung.»

      «Ja, natürlich.»

      «Man nannte Ihnen einen Dienst, der eigentlich für die innere Sicherheit unseres Landes zuständig ist, für die Treue der Verfassung gegenüber. Schon daran erkennen Sie, dass Reuben gar nicht für die Auslandsaufklärung zuständig sein konnte. Bei uns werden diese Bestimmungen sehr streng gehandhabt. Selbständige Gruppen, wie Ihre Todesschwadronen, die den Regierenden zuarbeiten, wären in unserem Lande völlig undenkbar … Ganz abgesehen von der Brutalität, mit der sie zu Werke gehen.»

      «Nun, Sie haben auch keine Indios! Unsere Generäle glauben – und wohl zu Recht –‚ dass diese Menschen besonders anfällig sind für exotische Ideologien. Aus Tradition streben sie nicht nach Grundbesitz und geben sich gern mit Gemeineigentum zufrieden. Es macht ihnen keinerlei Schwierigkeiten.

      Daher auch die Namen unserer Schwadronen, wie Adler der Gerechtigkeit, Purpur-Rose, Weiße Hand und so weiter. Eine Art Gegengewicht. Die andere Seite hat ihre Namen, und Namen beschwören in den Augen

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