Otto Pfändler 1889-1966. Martin Renold

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Otto Pfändler 1889-1966 - Martin Renold

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Berti an den Tisch. Es gab ein leises Getuschel. Einige hatten letztes Mal gehört, dass Otto von Deutschland gekommen war. Unter den Bruneggern wurde bald nur noch von dem „Deutschen“ gesprochen. Walti verabschiedete sich schon bald.

      „Pass auf meine Schwester auf und bring sie nicht zu spät nach Hause“, sagte er zu Otto, als er ging. Eine Stunde später meinte Valerie, sie müsse nun wohl auch gehen. Otto war gerne bereit, sie nach Hause zu begleiten.

      „Du kannst ja nachher noch einmal kommen“, flüsterte Berti, als Otto sich von ihm verabschiedete.

      Otto sagte weder Ja noch Nein.

      Otto hielt Valerie seinen Arm hin, und sie hakte ein.

      Als Otto auf der Straße weiter bis zur Kreuzung gehen wollte, zog Valerie ihn nach links.

      „Es gibt da eine Abkürzung“, sagte sie.

      Eigentlich wäre ihm der weitere Weg lieber gewesen, aber er ließ sich widerstandslos über den kleinen Wiesenweg führen, der bald hinter einem Gartenzaun enger wurde. Er legte seinen Arm um Valeries schlanke Taille. Nach wenigen Schritten blieben sie stehen und wandten sich einander zu. Es war zwar recht finster. Es hatte weit und breit keine Laterne. Aber jedes sah im andern das Leuchten der Augen, das von innen kam. Langsam näherten sich diese Augen einander, aber auch die Lippen. Und es kam zum ersten scheuen Kuss.

      Als Otto spürte, dass sein Blut zu wallen begann, löste er sich aus der Umarmung und nahm Valerie bei der Hand. Die Finger fest ineinander verschlossen, gingen sie weiter und kamen schon bald neben dem Wasch- und Backhäuschen vorbei auf den Hof. Unter der Terrasse im Laubengang gaben sie sich noch einmal einen Kuss, dann trat Valerie unter die Tür, und Otto lauschte ihr nach, wie sie die alte knarrende Treppe hinaufstieg.

      Beim „Sternen“ hörte Otto die Musik, aber er hatte keine Lust, noch einmal hineinzugehen. Er wollte sich seine Stimmung, seine glücklichen Gefühle nicht durch die laute Musik und andere Tänzerinnen verderben lassen.

      Valerie tanzte gerne mit Otto. Er war ein stattlicher junger Mann, immer gut gekleidet und höflich. Manchmal hörten die anderen Paare auf zu tanzen und schauten nur noch den beiden zu. Sie tanzten geschmeidig. Es war als wären sie zusammengewachsen. Sie fielen nie aus dem Takt. Und beim Walzer tanzten sie sogar linksherum. Ihre Gesichter strahlten. Man sah, dass sie zusammengehörten, verliebt waren. Sie glichen einander sogar. Auch Valerie hatte eine schmale Nase, aber ein eher rundliches Gesicht und straff nach hinten gekämmtes Haar, das sie zu einem Zopf geflochten und aufgesteckt trug. Manches der Mädchen beneidete Valerie. Nicht nur wegen ihrer auffallenden Schönheit. Sie hätten auch gerne mit dem „Deutschen“ getanzt. Aber er tanzte nur noch mit Valerie.

      Es war Valerie, die schließlich Otto dazu aufforderte, doch auch ab und zu mit einer anderen zu tanzen.

      Im Dorf war schon Eifersucht und Neid aufgekommen. Valerie hatte von einer ehemaligen Schulkameradin gehört, dass die Burschen im Dorf munkelten, der Deutsche trage eine Pistole unter dem Wams. Sie hatte sogar von einer Verschwörung gesprochen. Die jungen Männer schienen es nicht gern zu sehen, dass ein Fremder ihnen die Schönste im Dorf wegnahm, obwohl keiner der Bauernsöhne je die Chance gehabt hätte, sie zu gewinnen.

      Otto versicherte ihr, er habe keine Pistole.

      „Darum musst du ganz besonders aufpassen, dass sie dir nicht im Wald auflauern“, mahnte Valerie.

      „Meinst du, ich würde sonst auf sie schießen?“, fragte Otto.

      „Nein, das wäre ja noch schlimmer“, sagte sie entsetzt. „Ich möchte dich doch nicht im Gefängnis besuchen müssen.“

      „Ich pass schon auf“, beruhigte er sie, „Berti wartet gerne auf mich. Wenn wir zu zweit gehen, werden sie es nicht wagen. Und Berti würde es schon merken, wenn sie sich aus dem Saal schleichen würden, um uns im Wald aufzulauern.“

      Es erwies sich aber als ein falsches Gerücht. Otto und sein Beschützer blieben unbehelligt. Bald brauchten sich Otto und Valerie auch nicht mehr nur beim Tanzen zu treffen. Valerie hatte Otto zu sich eingeladen, um ihn ihrer Mutter und ihren Geschwistern vorzustellen. Otto freute sich und nahm dies als Zeichen, dass Valerie bereit wäre, seine Frau zu werden. Sie hatte ihm auch bald schon einmal gestanden, dass sie sich vom ersten Augenblick an, in ihn verliebt habe.

      Es war ein Sonntagnachmittag im Herbst, als Otto nicht über den Hof, sondern draußen auf der Straße neben dem eingezäunten Garten der Witwe Renold heraufschritt und hinten um die Ecke bog, wo auf bunt bemalten Blechtafeln Maggi-Bouillonwürfel und Cailler-Schokoladen angepriesen wurden, dann vorbei über die vier Stufen zur Tür stieg und an dem Griff zog, was im Innern eine helle Glocke erklingen ließ. Otto schaute noch einmal an sich herunter, ob die Pochette richtig in der Brusttasche seines Sakkos stecke, und griff rasch noch an die Fliege, ob auch die nicht schief unter seinem hohen, steifen Kragen sitze. Doch schon öffnete sich die Tür. Valerie hatte von ihrer Kammer unter dem Dach aus ihren Liebsten kommen sehen und war heruntergerannt, um ihm rechtzeitig zu öffnen. Sie führte ihn geradeaus durch den düsteren Korridor, wo es angenehm nach Holz roch, in die Stube, wo ihre Mutter, in einen schwarzen Rock gekleidet, am Tisch saß.

      Otto ging auf sie zu.

      „Bleiben sie nur sitzen“, forderte er sie auf, als sie aufstehen wollte. Er sah auch so, dass sie eine kleine, runzlige Frau war. Es war kaum zu glauben, dass sie Kinder auf die Welt hatte bringen können, die einmal so groß werden würden.

      Die Frau sah ihn aus einem Auge an, das andere hielt sie zugekniffen. Erst bei näherem, heimlichem Zusehen sah er, dass das zweite Auge fehlte. Erst viel später erzählte Valerie ihm, dass ihre Mutter als kleines Mädchen mit dem Bruder gestritten hatte, und dieser eine Schere nach ihr geworfen habe, die sie mitten ins Auge traf.

      Die Geschwister waren natürlich neugierig, den Verehrer ihrer Schwester zu sehen. Walti, der im Sommer eine Tochter von den Wirtsleuten des „Bären“ in Birr geheiratet hatte und in das neue, auf der anderen Seite der Schreinerei angebaute Haus gezogen war, brachte auf dem Gang über der Werkstadt seine junge Frau mit, die neben Walti noch viel kleiner schien, als sie war. Sie hatte eine klangvolle, weiche Stimme, die Otto sofort sympathisch war.

      Valerie erklärte Otto leise, aber doch absichtlich so laut, dass das junge Ehepaar es hören musste, sie glaube, Walti habe sie nur so oft auch in den „Bären“ zum Tanz mitgenommen, weil er in die Wirtstochter, die Frieda Frey, verliebt gewesen sei.

      „Was heißt hier gewesen?“, wehrte sich Walti, „ich bin’s immer noch.“

      „Na, hoffentlich“, konterte Valerie.

      Miggi, die eigentlich Marie hieß, war die nächste, die von der zweiten Dachkammer neben jener von Valerie herunterkam. Sie schien es gar nicht erwarten zu können, denn man hatte sie gebeten, sich zurückzuhalten und erst nach einer Weile aufzutauchen. Auch sie hatte Otto schon die Straße heraufkommen sehen, zwar erst im letzten Moment, denn sie hatte erwartet, dass er vom schmalen Weglein herkomme, und hatte in die falsche Richtung geschaut.

      Als nächster kam Otti, der aber auch auf den Namen Otto getauft war. Er war kleiner als Walti, sogar kleiner als Otto. Er war nach Walter und Valerie das vierte Kind der einäugigen Frau. Eigentlich war zwischen Walter und Valerie noch Kari, auch er war nicht auf Kari getauft worden. Es war der Rufname für Karl. Sein Name fiel an diesem Sonntagnachmittag aber nicht. Otto erfuhr erst später, dass während der Rekrutenschule Kari ein Balken auf den Kopf gefallen sei. Genau wisse sie auch nicht, wie es passierte. Aber seither sei Kari nicht mehr bei Verstand, und er lebe jetzt in der Psychiatrischen Anstalt in Königsfelden.

      Auch

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