Diebsgrund. Gitte Loew

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Diebsgrund - Gitte Loew

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weiter, ohne überhaupt auf eine Antwort zu warten.

      Meine Güte, dachte Karoline, die Frau ist schon immer hartnäckig gewesen. Sie schüttelte den Kopf:

      „Ich gehe lieber in den Garten und nutze das schöne Wetter, der Winter ist noch lang.“

      Man konnte Margarete ansehen, dass sie enttäuscht und ein bisschen ärgerlich war:

      „Ach, du immer mit dem Garten. Du lebst doch jetzt allein. Was willst du mit all dem Grünzeug?“

      Karoline hatte keine Lust, das wieder und wieder zu erklären.

      „Es geht nicht ums Grünzeug. Das habe ich dir doch schon erzählt“, antwortete sie mit leicht erhobener Stimme. „Mir geht es um die Natur. Es ist viel schöner, draußen zu sein, als ständig in der Wohnung zu hocken. Ich bin immer froh, wenn das Regenwetter vorbei ist.“

      Doch ihr Gegenüber gab sich damit nicht zufrieden, sondern legte Karoline wie zur Verstärkung die Hand auf den Arm und redete weiter auf sie ein:

      „Ich hab dir schon oft gesagt, geh unter die Leute. Das Alleinsein im Garten ist doch langweilig, du wirst noch trübsinnig davon werden.“

      Karoline atmete jetzt schwer. Margarete würde sie nie verstehen können. Sie schüttelte ungehalten den Kopf.

      „Nein, nein, ich bin gern im Garten. Alles erinnert mich an die schöne Zeit mit Friedrich.“

      Margarete zog erstaunt die Augenbraunen hoch.

      „Na, ja, das kannst du ja auch tun, aber es gibt noch anderes im Leben. Was ist schon dabei, wenn du hin und wieder Gesellschaft suchst?“

      Karoline trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

      „Lass es gut sein“, meinte sie jetzt leicht genervt.

      Doch wie immer gab Margarete sich mit diesem Einwand nicht zufrieden und unterbreitete einen weiteren Vorschlag:

      „Weißt du was, wir gehen in die Eisdiele einen Kaffee trinken und unterhalten uns ein bisschen, schließlich sind wir Rentner und haben genug Zeit. Was meinst du?“

      Es war zu spüren, dass Margarete sich nicht abwimmeln lassen würde. Karoline blickte unschlüssig in die Ferne. Für den heutigen Tag hatte sie eigentlich andere Pläne. Doch letztendlich war es egal, ob sie die Hecke heute oder morgen schneiden würde.

      „Also gut, auf eine halbe Stunde“, gab sie sich zu guter Letzt geschlagen.

      Margarete nickte sichtlich zufrieden über ihren Erfolg und hakte sich unter. So spazierten die beiden Frauen die Straße entlang und betraten nach kurzer Zeit die Eisdiele Cortina. Nachdem der Kaffee serviert worden war, begann Margarete von ihrer Tochter und ihren Enkelkindern zu erzählen.

      „Das mit den Kindern ist doch eine schöne Aufgabe“, versuchte Karoline den nicht enden wollenden Redefluss der Bekannten zu unterbrechen. Doch Margarete holte kurz Luft, und dann ging es erst richtig los.

      „Stell dir die Sache nicht so einfach vor. Die Kinder sind heute ganz anders als wir damals. Das fängt schon beim Essen an. Die ganze Familie lebt vegetarisch und trinken tun sie nur Tee. Dieser Tee sieht aus, als wenn du Heu aufgebrüht hättest. Und was die Erziehung betrifft, muss ich mich ganz raushalten, denn sonst gibt es nur Ärger.“

      Karoline hatte keine Ahnung von Erziehung, aber etwas anderes interessierte sie.

      „Was ist denn das für ein Tee?“

      Margarete presste die Lippen aufeinander und drückte das Kinn gegen ihren dicken Hals.

      „Das ist Zeug, das man in der Tasse nicht sieht und das nach nichts schmeckt. Ohne Zucker trinken sie die Brühe, und du könntest genauso gut warmes Wasser hinunterschlucken.“

      „Wasser schadet nicht“, meinte Karoline leichthin.

      „Stimmt, aber wenn ich Tee trinke, will ich auch Tee schmecken können“, fügte Margarete verärgert hinzu.

      „Und das geht so weiter. Keinen Zucker will heißen, keine Süßigkeiten. Kein Fleisch, überhaupt nichts, was zwei Augen hat, denn sie essen nicht ihre Brüder und Schwestern. Denk dran, wenn du die nächste Forelle verspeist.“

      Margarete hielt atemlos inne. Karoline war sprachlos. Das mit den Kindern schien tatsächlich nicht so einfach zu sein. Um die Sache nicht noch schwieriger zu machen, ließ sie das Thema lieber beiseite und stellte keine weiteren Fragen. Stattdessen lächelte sie etwas hilflos. Margarete hielt erstaunlicherweise den Mund. Man konnte sehen, dass sie bedrückt war. Als Frau ohne eigene Kinder wusste Karoline nicht so recht, wie man eine Oma trösten könnte. Sie beobachtete stattdessen den eloquenten Kellner des Eiscafés. Er bewegte sich schlank wie ein Matador zwischen den kleinen Tischchen hindurch und wollte wohl alle glauben machen, dass er der attraktivste Mann auf der Leipziger Straße wäre. Friedrich hatte sich bewegt wie ein Mann, selbst beim Walzertanzen war er geschritten. Das war übrigens einer der Gründe, warum Karoline auf Tanzabende verzichtet hatte.

      „Auch Linchen, du träumst ja wieder. Änderst dich auch nicht mehr“, bemerkte Margarete und gab dem Matador ein Zeichen, die Rechnung zu bringen. Sie zahlte und winkte ab, als Karoline ihr Portemonnaie in die Hand nahm.

      „Ich mach das schon. Es war doch schön, ein bisschen zu plaudern.“

      Während sie sprach, war ihr Gesicht ernst geworden und es zeigten sich auf einmal viele Falten. Sie sah plötzlich sehr alt aus. Die beiden Frauen standen auf und verließen die Eisdiele. Als Karoline sich verabschiedete, umarmte sie Margarete aus einem Impuls heraus und war über sich selbst überrascht.

      „Lass es dir gut gehen“, meinte Margarete sichtlich gerührt und fügte schnell hinzu:

      „Melde dich mal, überlass nicht alles dem Zufall.“

      „Mach ich. Ach übrigens, da fällt mir ein, wir haben im Sommer immer ein kleines Fest im Garten. Hättest du Lust zu kommen?“

      Margarete nickte begeistert und erwiderte sofort:

      „Aber natürlich, ein Picknick im Garten ist doch wunderschön. Du musst mir nur rechtzeitig Bescheid sagen. Ruf mich einfach an, du hast meine Telefonnummer.“

      „Ja, das werde ich tun. Bis dann mal wieder“, rief Karoline ihr zu, drehte sich um und ging beschwingt und sichtlich guter Laune ihrem grünen Paradies entgegen.

      5. Kapitel

      Annemarie war früh am Morgen wach geworden. Es machte sie in letzter Zeit nervös, wenn noch jemand in ihrer Wohnung schlief. Sie schlüpfte unruhig aus dem Bett, ging in die Küche und beobachtete den schlafenden Valentin. Er schnarchte mit offenem Mund und lag mittlerweile zusammengerollt wie ein Kind auf dem Sofa. Er war ein hoffnungsloser Fall. Valentin musste heute verschwinden. Wenn er plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, erschreckte sie sein schlimmer Anblick von Mal zu Mal mehr. Sie hatte ihm oft genug eine Chance gegeben, doch Valentin war schnell wieder in seine alten Gewohnheiten zurückgefallen. Er musste seine Probleme allein und vor allem woanders lösen. Sie konnte ihm nicht helfen, auch wenn er ihr leidtat. Annemarie schluckte. Sie drehte den Wasserhahn auf, füllte den Kessel und setzte ihn geräuschvoll auf den Herd. Valentin sollte aufwachen und gehen.

      Ein

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