Treppe zum Licht. Silke May
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Читать онлайн книгу Treppe zum Licht - Silke May страница 16
»Herr, ich war mit deiner Abordnung außerhalb des Berges und habe Solana dort gesehen. Sie ist vor mir geflüchtet und ich konnte sie nicht einholen, meine Füße versagten ob ihrer Schnelligkeit.«
Sota nickte nachdenklich vor sich hin.
»So etwas habe ich mir schon gedacht. Glaubst du, dass sie draußen überleben kann?«
»Herr, sie ist deine Tochter und genauso klug wie Du. Ich denke, sie wird es schaffen.«
»Dann wird sie ihm irgendwann begegnen«, sagte Sota leise.
»Ja, Herr, das wird sie wahrscheinlich«, bejahte der alte Wächter.
»Du weißt, dass du schweigen musst? Du darfst auch nichts zu Mata ihrer Mutter sagen!«
»Aber natürlich, Herr, du kannst dich auf mich verlassen.«
Sota wies ihm mit der Hand, dass er zu gehen hatte, und der Wächter bewegte sich schwerfällig aus dem Raum. Sogleich kam Mata ins Zimmer zurück und sah ihren nachdenklichen Mann auf dem Kissenlager.
»Was ist mit dir, Sota? Hat man Solana gefunden?« Sota schüttelte den Kopf.
»Sie ist nicht mehr im Berg, sie ist deshalb nicht mehr am Leben.« Mata brach in herzzerreißendes Weinen aus und Sota forderte sie auf, neben ihm Platz zu nehmen. Er nahm sie in seine Arme.
»Deine Tochter wollte es nicht anders, der Verlust unseres Kindes ist unser Schicksal.«
Seine Frau lag in seinen Armen und weinte leise vor sich hin, und Sota streichelte ihr sanft über den Rücken. Dabei versuchte er selbst, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
»Ich möchte, dass mein totes Kind in meiner Nähe ist. Bringst du mir ihren Körper, damit ich von Solana Abschied nehmen kann?«, bat Mata plötzlich.
»In zwei Monden muss ich den Berg verlassen, um für Lebensmittelnachschub zu sorgen. Bei dieser Gelegenheit werde ich nach ihrem toten Körper Ausschau halten«, versprach er ihr, um sie zu beruhigen. Viele Stunden lagen sie eng umschlungen und schweigend zusammen.
*5*
Solana wohnte nun schon seit ein paar Wochen bei Gor und Alwin. Sie verstanden sich prächtig und sie hatte in dieser Zeit sehr viel dazugelernt. Heute war ein besonderer Tag, Alwin wollte mit Solana ins Dorf hinuntergehen und für sie etwas zum Anziehen kaufen.
Solana war beeindruckt von den schönen Gebäuden im Dorf. Als sie das Geschäft betraten, staunte sie über die Menge von Kleidern, welche hier auf den Stangen hingen.
Die Verkäuferin begrüßte beide sehr freundlich und führte sie sofort zu einem Ständer mit der passenden Größe für Solana. Sie suchte sich etwas aus und probierte es.
Ihre Wangen glühten vor Aufregung und Freude angesichts der schönen Kleider, die sie bekommen sollte. Als die beiden das Geschäft verließen, gehörten der jungen Goma zwei große Tragetaschen voll mit Bekleidung, die Alwin für sie trug.
»Ich würde sagen, jetzt gehen wir noch Eis essen«, schlug Alwin vor. Solana sah ihn fragend an.
»Was ist Eis?«
»Das werde ich dir erklären, wenn wir da sind. Lass dich einfach überraschen.«
Sie betraten das Café am Platz und setzten sich auf die Terrasse. Alwin bestellte für jeden von ihnen einen Eisbecher mit Früchten und Sahne. Solana staunte über den schön verzierten Becher, den die Bedienung kurze Zeit später vor sie auf den Tisch stellte. Sie kostete sogleich von der Sahne.
»Mmmh ... schmeckt das aber fein!«
»Das ist nur die Sahne, probier erst mal das Eis.«
Solana nahm ein bisschen auf den Löffel und kostete es.
»Das ist ja richtig kalt! Aber sehr lecker.«
»Genau deshalb nennt man es auch Eis, denn …«, und dann erklärte ihr Alwin, woraus Eis bestand und wie es zubereitet wurde.
Solana war so begeistert, dass sie es regelrecht in sich hineinschaufelte. Alwin ermahnte sie, ein wenig langsamer zu essen, und Solana grinste ihn verlegen an.
»Ich verstehe gar nicht, warum man uns immer damit gedroht hat, dass wir außerhalb des Berges sterben würden? Es ist doch so herrlich hier draußen!«, rätselte sie nach einer Weile.
»Ich könnte mir vorstellen, dass eure Anführer Angst haben, die Gomas würden aussterben, wenn alle den Berg verließen«, vermutete Alwin.
»Warum denn aussterben?«
»Weil sich die Gomas mit den Menschen verschmelzen würden, dadurch gäbe es immer weniger von ihnen.«
»Ja, das wird es wohl sein«, pflichtete ihm Solana bei.
Auf dem Heimweg hatte Alwin seinen Arm um Solanas Taille gelegt. Bald ließen sie das Dorf hinter sich und gingen den Berg hinauf in Richtung Hof. Solana spürte die Wärme, die von seinem Arm ausstrahlte, und fühlte sich sehr wohl. Immer wieder sah sie Alwin an und immer wieder musste sie feststellen, dass er ihr sehr gefiel, obwohl er das pure Gegenteil von Janis war.
Sie befanden sich jetzt auf dem schmalen Bergweg und konnten von Weitem schon den Bauernhof sehen. Als sie sich näherten, sah Solana plötzlich einen Mann aus dem Haus treten, der nicht Gor war. Sie durchfuhr ein eisiger Schreck, als sie erkannte: Es war ihr Vater. Solana blieb schlagartig stehen.
»Mein Vater!«
»Wo?«
»Der Mann, der vor eurem Haus steht!«
»Wie kann das sein? Ich dachte, die Gomas verlassen normalerweise den Berg nicht?«
»Das dachte ich auch. Vielleicht sucht er mich?«, rätselte Solana.
Alwin schob sie hinter einen Busch.
»Warte hier, bis ich dich hole.«
Er lief weiter zum Bauernhof, während Solana von ihrem Versteck aus alles beobachtete. Der Weg war noch ein ganzes Stück lang, und als Alwin am Hof ankam, ging Sota bereits bergaufwärts davon. Alwin betrat die Stube. Sein Vater saß am Tisch und trank eine Tasse Tee.
»Wer war das?«
Gor setzte die Tasse ab und fragte: »Wen meinst du?«
Alwin sah seinen Vater fragend an.
»Natürlich den Mann, der gerade hier war, wen denn sonst?«
Gor stutzte und antwortete dann lapidar:
»Den kennst du nicht.«
»Das weiß ich auch, aber kennst du ihn?«, bohrte sein Sohn nach. Gor nickte knapp: »Ja.«
In Alwin stieg langsam die Ungeduld hoch.