Treppe zum Licht. Silke May
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Читать онлайн книгу Treppe zum Licht - Silke May страница 4
»Ich will aber noch nicht so schnell«, jammerte sie und erneut kullerten dicke Tränen über ihre Wangen.
»Ich möchte noch kein Kind, es muss auch furchtbar wehtun. Ich hörte, wie Frauen sich erzählten, dass jedes Mal, wenn sie am Gebärzimmer vorbeikamen, sich manche Frauen die Lunge fast aus dem Hals schreien.«
»Wer sagt denn, dass wir gleich eines machen können? Vergiss nicht, ich weiß zwar, wie es geht, aber ausprobiert habe ich es noch nicht. Denk an Ela! Sie hat es mit ihrem Mann schon mindestens fünf Mal probiert und noch immer haben sie kein Kind.
Jetzt haben sie nur noch zwei Versuche miteinander, und wenn es dann immer noch nicht geklappt hat, kann sie ein anderer zur zweiten Frau haben.
Übrigens hat sie mich gestern gebeten, mich in diesem Fall ihrer anzunehmen, und wenn es dir nichts ausmacht, dann sage ich ihr zu.«
»Von mir aus kannst du mit ihr ein Kind machen und mich in Ruhe lassen«, schmollte Solana. »Du brauchst keine Angst haben! Ich werde versuchen, es so hinzubekommen, dass du nicht schon bei den ersten Malen befruchtet wirst«, beruhigte sie Janis.
Solana sah ihn dabei skeptisch an.
»Kannst du das denn überhaupt?« Janis nickte.
»Ich weiß, dass es geht, aber probiert habe ich es natürlich noch nicht. Jetzt mach dir bitte nicht mehr so viele Gedanken!
Es ist doch erst in elf Nächten so weit«, schmunzelte er und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange.
Solana durchfuhr ein angenehmes Kitzeln und sie war sehr überrascht, denn das hatte Janis bisher noch nie getan. Als er Anstalten machte aufzustehen, hielt sie ihn fest.
»Janis, versprich mir, dass du mir nie wehtun wirst«, flüsterte sie mit ängstlicher Stimme. Janis drückte sie erneut an sich.
»Meine kleine Solana, aber natürlich verspreche ich es dir.«
Erneut gab er ihr einen Kuss auf die Wange und drückte sie noch fester an sich, doch diesmal blieb das Kitzeln in ihrem Körper aus.
Sie blieben noch eine ganze Weile eng umschlungen auf den Kissen sitzen und sahen schweigend den grünen Wasserspielen zu, die von den Wänden liefen.
Leises gluckern durchbrach die Stille, bis die Tür aufging und Mata eintrat. Sie ging auf beide zu und lächelte vielsagend.
»Ach, hier seid ihr«, hörten sie Mata sagen. Solana, ich brauche dich einen Moment. Übrigens Janis – dein Vater sucht dich.«
Jetzt standen sie beide auf und Janis verließ den Raum und jeder ging vorerst wieder seinen eigenen Weg.
Die Zeit verging und der besagte Tag, an dem Solana das erste Mal zusammenkommen sollten, rückte immer näher.
Da schlich Solana sich eines Morgens aus ihrem Zimmer und tappte den dunklen Korridor entlang in Richtung der Zimmer, die für sie bis jetzt stets verboten gewesen waren.
Leise öffnete sie die erste Tür einen Spalt und schlüpfte hindurch. Sie horchte in die Stille, und als sie nichts hörte, zündete sie die Fackel an der Wand an. Jetzt konnte sie erkennen, dass sie sich in einem kleinen Raum befand, an dessen Hinterseite ein großer Tisch stand. An einem der Tischenden lag ein schweres Kissen – dick genug, um sich im Sitzen daran anzulehnen. Auf einem kleineren Tisch daneben waren fein säuberlich zusammengelegt mehrere Tücher neben einer großen Schüssel gestapelt.
Auf einem weiteren Beistelltisch stand ein größerer Korb. Solana wurde schlagartig klar, dass dies der Raum war, in dem die Kinder geboren wurden.
Sie beeilte sich, das Zimmer zu verlassen und geräuschlos die Tür hinter sich zu schließen. Im Dunkeln betrat sie das nächste Zimmer. Sie staunte nicht schlecht über das, was sie da sah: Die Felswände des ganzen Raumes waren mit Brettern versehen, auf denen mehrere Ballen mit Leinenstoff lagen, also dem Material, das die Gomas auch für ihre Bekleidung verwendeten.
Woher kam diese Menge an weichen, flauschigen Stoffen? Solana war sprachlos. In der Kammer befand sich auch eine Truhe, verborgen in einer dunklen Nische. Neugierig ging sie darauf zu und klappte den Deckel hoch. Sofort bekam sie große Augen.
In der Truhe lagen Männerkleider aus dunklem Stoff – und so etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Wem das wohl gehörte? Daneben befanden sich Schuhe aus einem harten Material, ganz anders als die aus weichem dicken Stoff, die sie und das ganze Volk trugen.
Plötzlich hörte Solana Schritte. Rasch schloss sie die Truhe geräuschlos, huschte zur Tür und löschte die Fackel. Im nächsten Moment stand Janis neben ihr.
»Was machst du denn hier? Du weißt doch, dass es uns strengstens verboten ist, diese Räume zu betreten!«, schimpfte er sie.
»Das weiß ich doch – ich habe mich … mich verlaufen«, stotterte Solana.
»Wer’s glaubt! Wenn dich dein Vater oder einer der Wächter hier erwischt, bist du dran. Los, komm, lass uns verschwinden!«
Janis packte sie an der Hand und zog sie mit sich fort.
Während sie durch den Korridor liefen, plapperte Solana aufgeregt drauflos.
»Janis, ich habe in der Truhe etwas Sonderbares gesehen …«, fing Solana zu erzählen an. Aber ihr Begleiter winkte mit der Hand ab.
»Ich möchte nichts davon hören! Komm weiter, bevor uns noch jemand erwischt. Janis zog sie energisch mit sich.«
Erst als sie ihr Zimmer erreicht hatten, ließ er sie wieder los.
»Geh rein und denk über deinen Fehler nach. Und vor allem: Mach so etwas nie wieder! Früher oder später erwischt dich der Falsche«, ermahnte er sie noch einmal eindringlich.
»Bitte komm mit«, flüsterte Solana und zog ihn am Ärmel.
»Nein, das geht nicht. Schon vergessen? Wir dürfen ab jetzt nicht mehr allein in einem Zimmer sein«, belehrte sie Janis.
»So ein Blödsinn, was sollte denn passieren?«, schmollte sie.
Janis grinste sie an.
»Na, was wohl? Dreimal darfst du raten!«
»Ich glaub’s nicht! Gibt es in diesem Berg denn noch ein anderes Thema als unsere Verschmelzung?«, fragte sie genervt. Dann schlug sie ihm die Tür wütend vor der Nase zu, warf sich auf ihr Kissenlager und starrte missmutig an die Felsendecke. Sie wollte diese Verschmelzung nicht. Ihr ging das alles viel zu schnell.
Natürlich mochte sie Janis, aber es war die Art von Gefühlen, die man für einen lieben Bruder hatte. Bei seinem Wangenkuss heute, hatte sie allerdings eine Ahnung davon bekommen, dass es noch ein anderes Gefühl von Liebe gab – aber das musste sich erst entwickeln. Sie wünschte sich, es noch viel stärker zu spüren, erst dann würde sie sich mit der Verschmelzung anfreunden können. Mata kam herein.
»Was hast du mit Janis gemacht?«
»Nichts, warum?«, fragte Solana.
»Eben wirkte