Treppe zum Licht. Silke May

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Treppe zum Licht - Silke May

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weiß ich, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist«, entgegnete Solana achselzuckend.

      »Hör mal, meine Tochter, ich weiß genau, dass du ihn verärgert hast. Du wirst dich bei ihm entschuldigen – verstanden?«, befahl Mata streng. Solana brummelte ein genervtes »Ja, ja, ja …« zurück, denn sie wusste, dass ihre Mutter nicht gehen würde, bevor sie nicht dieses kleine Wörtchen mit zwei Buchstaben von ihr gehört hatte.

      Als sie endlich allein war, lümmelte sie sich wieder in ihre Kissen und starrte an die Decke. Viele Dinge gingen ihr durch den Kopf, aber vor allem zu einem Punkt kam sie immer wieder zurück.

      Bevor sie der Verschmelzung mit Janis zustimmen würde, wollte sie etwas erleben. Sie hatte vor, sich endlich den Berg anzusehen, den sie seit ihrer Geburt vor siebzehn Jahren bewohnte und von dem sie bis jetzt nur einen Bruchteil kannte. In der kommenden Nacht, wenn alle schliefen, würde sie ihren ersten Gang wagen.

      Am meisten lockte sie das Zimmer der Verurteilten, von dem man sich hinter vorgehaltener Hand viele Schauergeschichten erzählte. Außerdem wollte sie die zahlreichen Produktionsräume sehen, in denen ihre Kleidung gefertigt und das Essen zubereitet wurde. Nie hatte sie erlebt, welche Prozeduren ein Lebensmittel durchlief, ehe es auf den Tisch kam, denn sie sahen stets nur die fertig zubereiteten Speisen.

      Dieser Berg steckte voller Überraschungen und sie wollte diese unbedingt auskundschaften – schließlich war sie die Tochter des Anführers und musste über solche Dinge Bescheid wissen. Gedankenverloren nickte Solana wie zur Bekräftigung, dann drehte sie sich zur Seite und schlief ein.

      Sie hatte über eine Stunde geschlafen, als sie ein Geräusch vernahm und aufschreckte. Ihr Vater hatte das Zimmer betreten und rief jetzt mit donnernder Stimme: »Was ist los, meine Tochter? Kommst du heute nicht zum gemeinsamen Mittagsmahl?«

      »Es tut mir leid, ich muss eingeschlafen sein«, flüsterte Solana beschämt.

      Sota reichte ihr beide Hände und zog sie vom Kissenlager hoch. Er schob sie vor sich her aus dem Zimmer und sie schritten den kahlen Korridor entlang, der von vereinzelten Wandfackeln spärlich beleuchtet war.

      »Das war hoffentlich das erste und das letzte Mal! Was glaubst du, wie peinlich mir das war? Meine Tochter erscheint nicht pünktlich zum Mittagsmahl! Tz..tz..tz …« dabei schüttelte Sota seinen Kopf.

      »Verzeih Vater, es wird nicht mehr vorkommen«, flüsterte Solana beschämt und lief hinter ihrem Vater her.

      Wenig später betraten sie den großen Speisesaal, in dem bereits alle an den Tischen saßen und warteten.

      Neugierige Blicke verfolgten Solana, als sie sich setzte.

      In ihr stieg bereits wieder der Zorn hoch. Sie verabscheute es, der Mittelpunkt des Berges und aller Leute Gesprächsstoff zu sein. Warum zerrissen sie sich ausgerechnet über sie die Mäuler? Zahllose junge Mädchen wurden zu Frauen, ohne dass dies derart hochgespielt wurde. Nur weil sie die Tochter des Anführers war, machte man so ein Spektakel daraus.

      Ihr Blick traf den von Janis und der grinste sie fast unverschämt an. Der Vater eröffnete unterdessen das Mittagsmahl mit seinem täglichen Ausspruch:

      »Stärkt euch … und arbeitet heute für den Erhalt unseres Volkes.«

      Solana nahm ihren Löffel und tauchte ihn in den Brei, zum Essen trank sie einen Becher heiße Ziegenmilch. Als sie ihn zur Hand nahm, wurde sie stutzig und hielt inne. Plötzlich musste sie daran denken, dass sie noch nie eine Ziege gesehen hatte.

      »Woher kommt eigentlich unsere Ziegenmilch?«, fragte sie laut in die Runde.

      Abrupt hörten alle auf, zu essen. Irgendjemandem fiel sogar der Löffel aus der Hand. Noch nie hatte jemand gewagt nachzufragen, woher ein Lebensmittel kam. Über diese Dinge wurde bei den Gomas nicht gesprochen. Sofort ermahnte ihre Mutter sie laut und schüttelte entsetzt den Kopf.

      »Das hat dich überhaupt nicht zu interessieren, meine Tochter! Kümmere dich lieber um deine eigenen Pflichten!«

      Aber anstatt mit verschämtem Blick in sich zu gehen, entgegnete Solana schnippisch:

      »Vielleicht ist es ja überhaupt keine Ziegenmilch? Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was ich täglich in mich hineinstopfe!«

      Janis verbiss sich das Lachen, während Mata einen hochroten Kopf über den Ungehorsam ihrer Tochter bekam. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was in das Mädchen gefahren war, denn bisher war Solana stets brav und höflich gewesen. Hilfe suchend sah sie Sota ihren Mann an.

      Sota warf Solana einen strengen Blick zu.

      »Man staune, meine Tochter zweifelt unsere Worte an! Dazu glaubt sie, dass es ihr Recht sei, unser mittägliches Mahl zu stören. Iss und trink, ohne dir solche Gedanken zu machen – oder verlasse sofort den Saal!«, polterte er los.

      Alle sahen gespannt zu Solana. Es herrschte absolute Ruhe – man hätte eine Nadel fallen hören. Solana verzog wütend das Gesicht. Sie warf ihren Löffel in die Schüssel, dass es klirrte und der Brei nur so spritzte, dann stand sie geräuschvoll auf, indem sie den Stuhl einfach nach hinten wegschob, und verließ den Speiseraum. Schmollend ging sie durch die Korridore in ihr Zimmer und blies dort weiter Trübsal.

      Nach kurzer Zeit wurde stürmisch die Tür geöffnet und Mata trat ein.

      »Sag Kind, was ist denn nur in dich gefahren?«, schrie sie Solana an.

      »Willst du deinen Vater vor seinem Volk bloßstellen? Als Tochter des Anführers hast du eine Vorbildfunktion und solltest dich dementsprechend benehmen! Aber was machst du? … Du beschwerst dich, noch nie eine Ziege gesehen zu haben! Und dann, noch schlimmer, zweifelst du sogar unsere Milch an! So benimmt sich niemand, der einmal ein Volk regieren soll! Solana, du wirst dich bei deinem Vater und beim ganzen Volk für dein ungebührliches Verhalten entschuldigen!«

      »Nein, das werde ich nicht!«, wehrte Solana ab und hielt dagegen:

      »Wie soll ich später das Erbe meines Vaters antreten, wenn ich noch nicht einmal weiß, wie eine Ziege aussieht?«

      »Jetzt reicht es mir!Du bleibst so lange in deinem Zimmer, bis du wieder zu Vernunft gekommen bist. Dann wirst du dich in aller Form entschuldigen!«, beendete Mata die Diskussion und verließ das Zimmer so leise, wie sie es betreten hatte – ohne sich noch einmal nach ihrer Tochter umzudrehen.

      »Entschuldigen! Wofür sollte ich mich denn entschuldigen?«, schimpfte Solana bockig vor sich hin und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. Da wurde die Tür erneut geöffnet und Janis kam mit einem Krug und einem Brotlaib herein.

      »Das hast du ja toll hingekriegt! Noch dümmer konntest du dich wohl nicht anstellen, oder? Jetzt hast du Arrest bis zu unserer Verschmelzung«, berichtete er, stellte den Krug neben ihr Kissenlager und legte das Brot daneben.

      »Beides ist essbar – oder willst du das etwa auch noch anzweifeln?«

      Solana schlug mit dem Bein nach ihm.

      »Verschwinde! Lass mich in Ruhe!«

      »Teil dir das Brot gut ein. Es könnte sein, dass du erst am Tag unserer Verschmelzung wieder etwas zu essen bekommst.«

      Mit diesen Worten verließ Janis das Zimmer und Solana begann, zornig zu weinen. Irgendwann schlief sie ein, und

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