Treppe zum Licht. Silke May

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Treppe zum Licht - Silke May

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schlich sie sich aus ihrem Zimmer und trat auf den Korridor hinaus. Dort horchte sie, ob sie ein Geräusch vernahm, und erkannte das leise Klappern von Geschirr. Wie spät mochte es wohl sein? Ob die anderen schon beim Abendmahl waren? Solana hörte die Stimme ihres Vaters:

      »Vermehrt euch heute … für den Erhalt unseres Volkes.«

      Jetzt wusste sie, dass das Abendessen bereits beendet war, und kehrte schleunigst in ihr Zimmer zurück. Sie musste damit rechnen, dass ihre Eltern noch einmal nach ihr sehen würden.

      Eine ganze Weile wartete Solana darauf, dass jemand kam, aber niemand ließ sich sehen. Sie war schon ganz steif vom angespannten Daliegen.

      Schließlich stand sie auf und streckte sich, dann trank sie ein Glas Wasser und brach sich eine Ecke vom Brot ab. Stück für Stück schob sie diese in den Mund und überlegte dabei, was sie nun machen sollte. Eines wusste sie genau: In diesem Zimmer zu versauern käme für sie keinesfalls infrage. Wenn sie schon büßen musste, dann wollte sie auch wissen wofür. Sie würde jetzt auf jeden Fall auf Entdeckungsreise gehen und zumindest diese Ziege suchen.

      Vorsichtig verließ sie ihr Gefängnis und lief bis zur Tür des elterlichen Zimmers. Seltsame leise Geräusche drangen dort an ihr Ohr.

      Während sie weiter den Gang entlang schlich, stellte sie fest, dass sich offenbar in allen Zimmern Ähnliches abspielte. Die Laute, die sie vernahm, ähnelten sich überall. Anscheinend kamen alle brav den Anweisungen ihres Vaters nach und verschmolzen miteinander.

      Solana schüttelte sich beim Gedanken daran, denn sofort musste sie an die Nacht denken, die ihr selbst bevorstand.

      Schnell erreichte sie das Ende des ihr vertrauten Bereichs und ging, ohne anzuhalten, weiter in den Berg hinein. Auf ihrem Ausflug ins Unbekannte horchte sie an jeder Tür.

      Jedes Mal, wenn sie nichts hörte, machte sie sie leise auf und warf einen Blick in das Zimmer dahinter. Auf diese Weise öffnete Solana etliche Türen, aber sie entdeckte nichts Interessantes dabei.

      Die Zimmer im Hauptkorridor des Berges waren alle gähnend leer. Deshalb entschied sie sich bei der nächsten Weggabelung für einen schmalen, dunklen Seitengang. Als sie ihn betrat, war ihr zwar etwas unheimlich zumute, denn sie konnte alles nur schemenhaft erkennen, aber schließlich siegte ihre Neugier.

      Sie ging ein paar Schritte in die Dunkelheit und stellte fest, dass der Gang dort bereits endete. Es gab nur zwei gegenüberliegende Türen. Solana horchte in die Stille und öffnete dann eine davon einen Spaltbreit. Vorsichtig lugte sie in das Zimmer.

      Alles war ruhig und Kälte schlug ihr entgegen, vermischt mit einem eigenartigen Geruch. Dies weckte ihre Neugier.

      Sie trat in den Raum und zündete die Fackel neben der Tür an. Als sie sich an den Schein des Lichts gewöhnt hatte, erschrak sie fürchterlich. Solana war aber klug genug, dass sie sofort erkannte, was sie in diesem Raum sah und roch.

      An den Wänden hingen an großen Haken enthäutete halbierte Tierhälften. Das Fleisch war blutunterlaufen und Solana ekelte sich fürchterlich. Schnell löschte sie die Fackel und verließ den Raum. Hier wurde also offenbar das Fleisch für die Speisen aufbewahrt, aber wo kam es her? Wo befanden sich diese Tiere im lebenden Zustand und was waren das für Tiere? In diesem Augenblick war es Solana klar, dass sie niemanden fragen konnte, ohne dass sie erneut unangenehm auffiel.

      Solana schlich zur anderen Tür und öffnete auch diese vorsichtig. Als sie mit ihrer Fackel den Raum erhellte, konnte sie sofort erkennen, dass hier Essen zubereitet wurde. In seiner Mitte stand ein großer Tisch mit Behältern, die aus demselben Material wie ihr Essbesteck gefertigt waren. An den Seiten des Zimmers gab es zwei Feuerstellen, dort erhitzte man wohl das Essen. Die Wände waren mit Brettern versehen, auf denen viele Schüsseln, Teller und Becher standen.

      Am liebsten hätte sie sich länger dort aufgehalten und alles genau betrachtet, aber dafür hatte sie keine Zeit.

      Die Nacht war kurz und sie musste zurück in ihrem Zimmer sein, bevor die anderen aufstanden. Auch hier vergaß sie nicht, die Fackel wieder zu löschen, dann lief sie zurück, um in den nächsten dunklen Gang einzubiegen. Ihre Neugier war nun endgültig geweckt und sie wollte unbedingt jedes Zimmer kennenlernen.

      Zu einem späteren Zeitpunkt konnte sie dann an die interessantesten Orte zurückkehren und sie sich in Ruhe ansehen.

      Während sie die erste Tür öffnete, kam ihr der Duft von Kräutern entgegen. Dieser Geruch erinnerte sie an heiße Getränke und an diverse Speisen. In diesem Zimmer lagen gebundene getrocknete Sträuße auf manchen Regalen, auf anderen Brettern befanden sich noch frische Kräuterbüschel. Am Boden lagen vier nicht ganz tadellos saubere Körbe, in denen offenbar die Kräuter gesammelt wurden.

      Wieder stellte sich ihr die Frage, woher diese Kräuter und die Körbe kamen. Auch hier wusste sie, dass sie es nie erfahren würde, außer Janis könnte es für sie herausfinden. Die Neugier aber kannte keine Grenzen und trieb sie eiligst weiter.

      Solana lief weiter in den Gang hinein, der immer schmaler wurde. Sie hatte das Gefühl, als würde es stetig aufwärtsgehen, denn sie kam beim Laufen leicht außer Atem. Plötzlich endete der Gang vor einer schweren Holztür.

      Solana hatte Mühe, die schwere Tür zu öffnen. Als sie es endlich geschafft hatte, blickte sie in ein dunkles Nichts. Sie erkannte eine kleine Fackel an der Wand neben sich und entzündete sie.

      Schemenhaft konnte sie einen schmalen Korridor erkennen. Sie nahm die Fackel aus der Halterung und lief weiter, bis sie an eine Kurve kam. An der Biegung stutzte sie kurz, setzte ihre Erkundungen dann aber fort. Doch plötzlich blieb sie schlagartig stehen. Unerwartet tat sich vor ihr eine steil ansteigende schmale Treppe auf. An der Wand neben den Stufen stand in großer Schrift, unmöglich zu übersehen, geschrieben:

      „Wer diese Treppe benützt, begeht Verrat und stirbt!“

      Was sollte sie tun? Sollte sie hinaufsteigen? Solana wurde unsicher, wie sie sich entscheiden sollte. Die Aussage am Treppenabsatz war unmissverständlich. Konnte sie sich wirklich darauf verlassen, dass für sie als Tochter des Anführers weniger strenge Regeln gelten?

      Schließlich siegte wieder ihre Neugier und sie nahm eilig die Stufen nach oben, eine nach der anderen.

      Oben angekommen, öffnete sie die schwere Tür und herrlich frische Nachtluft strömte ihr entgegen. Solana atmete tief ein und sah zu den Sternen, während sie im Türrahmen stand. Der Luftzug streichelte ihre Haut und spielte mit ihrem Haar. Sie hielt ganz still und genoss die Streicheleinheiten des Windes. So etwas Herrliches hatte sie noch nie gesehen und gefühlt.

      Es war eine sternenklare Nacht und alles war ruhig. Plötzlich musste sie an die Worte ihrer Mutter denken.

      Einst hatte ihr diese erzählt, dass jeder, der den Berg verließ, von der Sonne verbrannt würde. Wer aber während der Phase der dunklen Sonne durch die verbotene Tür trat, den würde erst später der Tod ereilen.

      »Das ist wohl die dunkle Sonne?«, flüsterte Solana leise und sah zum Mond hinauf.

      So stand sie eine Weile und ließ ihre Blicke abwechselnd zum Himmel und in die Ferne schweifen. Schemenhaft konnte sie die schwarzen Gipfel der umliegenden Berge erkennen.

      Die Tür hatte an der Außenseite keinen Riegel. Sie war mit Stein verkleidet und wirkte dadurch so unauffällig, als wäre sie ein Teil des Felsens. Solana sah in Armlänge von ihr entfernt einen größeren

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