Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt. Michael Schenk
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John Redfeather, Hoch-Admiral der Direktorats-Flotte und damit Befehlshaber aller Raumstreitkräfte, inklusive der Marine und der Raumkavallerie, stand direkt vor der Panoramascheibe. Seiner Angewohnheit entsprechend hatte er die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt. Er wippte unmerklich auf den Fersen, was Joana verriet, dass ihr Vater angespannt war und sich mit einem Problem auseinandersetzte. Seine hochgewachsene Gestalt war schlank, das Haar, ebenso wie das Joanas, von blauschwarzer Farbe. Auch seine Haut zeigte den leichten Anflug einer kupfernen Tönung und verriet die reinrassige indianische Abstammung. Er war einer der drei Häuptlinge des Stammes der Sioux und hatte in seiner Jugend die beiden langen Zöpfe getragen. Mit dem Eintritt in die Offiziersakademie des Direktorats hatte er sie abschneiden müssen, doch die große Federhaube, Zeichen seiner Häuptlingswürde, begleitete ihn an jeden seiner Dienstorte. Während der Rettungsmission für die Hanari befand sie sich an Bord des Trägerschlachtschiffes D.C.S. Trafalgar, nun war sie Blickfang in einer der Vitrinen im Büro des Hoch-Admirals.
„Die Büffel sind zurück.“ Die sonore Stimme des Vaters klang leise und abwesend.
„Die Büffel?“
John Redfeather wandte sich halb um und lächelte versonnen. „Es ist schön, dich zu sehen, mein Kleines. Komm zu mir.“
Sie trat neben ihn und schmiegte sich in seinen Arm. „Also, was hat es mit den Büffeln auf sich?“
„Ich habe dir oft von unserem alten Stammesgebiet auf der Erde erzählt, nicht wahr? Von den Paha Sapa, den heiligen schwarzen Bergen unserer Vorfahren. Seit die Menschheit die alte Heimat wegen der Umweltzerstörungen verlassen musste, hat sich dort viel getan. Die Natur erholt sich von uns und in unseren alten Jagdgründen streifen wieder große Büffelherden durch das Land. Ich habe sie gesehen. Eine der Beobachtungsdrohnen hat es aufgezeichnet.
„Ich weiß, man überlegt, ob man die Erde, zumindest zu einem kleinen Teil, wieder besiedeln soll. Aber, offen gesagt, mich zieht es nicht dorthin. Ich bin auf dem Mars geboren und dort ist meine Heimat.“
John zog sie etwas enger an sich. „Vielleicht wird man die Pläne zur Rückbesiedelung sogar ganz aufgeben. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, mein Kleines, und viele Dinge werden sich ändern. Als die Erde evakuiert wurde, gab es nicht besonders viel Auswahl. Die Menschheit hat auf dem Mars, den Asteroidenstationen und einigen erdähnlichen Welten in fernen Systemen gesiedelt. Aber die Auswahl war ja, wie ich schon sagte, nicht besonders groß. Man begnügte sich oft mit Bedingungen, die kaum mehr als das Überleben ermöglichten.“ Er deutete mit einer ausholenden Geste über das Panorama, welches sich jenseits des Klarstahls bot. Nun wird sich das grundlegend ändern. Mit dem Überlichtantrieb benötigten wir viele Monate und sogar Jahre, um eine Welt zu erreichen, jetzt hat man den Nullzeit-Sturz entwickelt. Selbst zu den fernsten Sternen wird die Reise nur noch sechzehn Stunden benötigen. Acht Stunden, um auf die erforderliche Geschwindigkeit und Aufladung des Sturztriebwerkes zu kommen, und nochmals acht Stunden, um am Ziel wieder abzubremsen. Sechzehn Stunden, mein Kleines. Die Sterne sind uns jetzt nahe.
John wandte sich ihr ganz zu und sah sie ernst an. „Und noch etwas wird sich durch den neuen Antrieb verändern. Denk an unsere Reise zu den Hanari. Rechnet man die gesamte Dauer, für den Flug zu ihrer alten Heimat und ihrer neuen Welt sowie den Rückflug zum Arcturus zusammen, so waren wir über dreißig Jahre fort. Für die Menschen auf der Basis und den besiedelten Welten sind diese Jahre real vergangen, doch wir und die anderen Teilnehmer haben die meiste Zeit im Kryo-Schlaf verbracht und sind nur um wenige Monate gealtert.“
Joana lachte. „Ja, aber beim Sold bekommen wir nur die Wachperioden angerechnet.“
Ihr Vater schmunzelte. „Nun ja, auch die Flotte muss ein wenig sparen. Der Bau all der Schiffe für die Invasion auf Hanari, all die Ausrüstung und die Mannschaften … Das hat eine Menge Geld verschlungen. Von den Ressourcen einmal abgesehen. Da liegt auch eines der Probleme, denen wir uns stellen müssen. Viele Schiffe, die man nicht mehr braucht, und Zigtausende von Menschen, die nicht mehr in der Flotte benötigt werden.“
Joana schüttelte den Kopf. „Man wird sie brauchen, Vater. Denk an den neuen Antrieb. Er öffnet uns den Zugriff auf die entferntesten Sternensysteme. Bislang hat man sich gescheut, ferne Planeten zu besiedeln. Man schreckte vor der langen Reise zurück und davor, dass eine weit entfernte Welt auch Isolation bedeutete. Geriet man in Not, so konnte man zwar über den Nullzeit-Funk einen Hilferuf aussenden, doch bis die Hilfe einträfe, wären Jahre vergangen. Auch das ist nun anders. Ich wette, nun wird eine neue Kolonisierungswelle erfolgen, und zum ersten Mal wird es zwischen all den Welten einen effektiven Handel geben.“
„Damit wirst du wohl recht haben.“ John beugte sich ein wenig vor und deutete nach unten. Joana folgte seinem Blick und sah nun einen Teil der Oberschale der Basis und drei der großen Andock-Pylone. „Siehst du das Containerschiff dort? Es wird wohl bald Geschichte sein.“ Er tippte an sein Implant. „Fenstersegment Sieben vergrößern. Sechsfach.“
Die Steuereinheit der Klarstahlscheibe reagierte prompt. Ein Ausschnitt wurde vergrößert und rückte das Frachtschiff in den Mittelpunkt. Wenn man es großzügig betrachtete, war es fast vier Kilometer lang. Allerdings bestand es zum weitaus größten Teil aus einer zentralen Achse, an der Tausende von Container angeflanscht werden konnten. Am Bug befand sich das Modul mit den Mannschaftsräumen, Steuerelementen und dem Bremstriebwerk, am Heck der Maschinenteil mit dem Hauptantrieb. Die Container wurden von bemannten Arbeitsdrohnen vom Schiff gelöst und in die Frachträume der Basis gebracht. Andere kamen von dort und ersetzten die alte Fracht.
„Fenstersegment Sieben auf Normalsicht. Segment Neun vergrößern. Sechsfach.“ Ein anderes Objekt rückte in die Vergrößerung. „Das dort ist die Zukunft“, brummte John. „Siehst du das Schiff mit den sechs Auslegern? Das neueste Frachtschiff des Yahagara-Konzerns. Im Vergleich zu dem alten Containerschiff ein Winzling, aber es hat den Nullzeit-Sturzantrieb.“
„Ich bin ein wenig überrascht“, gestand Joana. „Der Sturzantrieb wurde doch erst vor relativ kurzer Zeit entwickelt und man benötigt, wenn ich mich recht entsinne, diese Hiromata-Kristalle für seinen Betrieb. Davon gibt es nicht allzu viele. Die Kristalle befinden sich doch im Besitz des Direktorats, oder nicht?“
„Politik, mein Kleines, und ein gewisses Maß an Vernunft.“ Er lachte freudlos. „Früher benötigte man die Kristalle lediglich für den Nullzeit-Funk und die Vorräte hätten wohl ein paar Jahrhunderte ausgereicht. Obwohl man für die Triebwerke nicht viel benötigt, ist jetzt ein Ende dieser Vorräte abzusehen. Man wird viele Schiffe mit dem neuen Antrieb versehen wollen. Als Hoch-Admiral der Flotte hätte ich lieber unseren Schiffen den Vorzug gegeben, doch das wäre unklug. Wie du es schon sagtest … Es wird neue Kolonien geben und Handel zwischen den Welten. Das hat Vorrang vor dem Militär. Wenigstens in Friedenszeiten und die haben wir ja schon seit über hundert Jahren. Der Hollmann-Konzern hat es durchgesetzt, ein gutes Kontingent der Kristalle zu erhalten. Dafür rüstet er allerdings drei zivile Forschungsschiffe aus, die im Auftrag des Direktorats nach besiedelbaren Welten und neuen Rohstoffvorkommen suchen.“
„Und nach Hiromata-Kristallen“, vermutete Joana.
„Vor allem nach diesen Kristallen. Davon wird die Zukunft unserer interstellaren Raumfahrt abhängen.“
„Diese Ausleger … Sie haben mit dem neuen Antrieb zu tun? Es sieht ungewohnt aus. Als besäße das Schiff an allen Seiten einen Stachel mit einer Kugel.“