REVOLUTIONÄRE. Jacques Varicourt

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REVOLUTIONÄRE - Jacques Varicourt

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mich zu hegen?“ „In bin sowieso auf Diät,“ konterte Harry. „Das wird nicht reichen, um dich aus einem Spektrum zu ziehen, wo du einer Findung zu dir selbst am nächsten bist.“ „Was willst du überhaupt?“ Fragte Harry sichtlich gereizt. Da stand Heiner auf, stellte sich wieder vor das Fenster, ließ von Penny und Ina, zuvor noch den Tisch abräumen (indem er zweimal, unüberhörbar laut, in die Hände klatschte), und sagte dann zu Harry: „Es ist doch klar, wenn du nach Indien gehen willst, dass du auf einer Flucht vor dir selber bist. Ich rate dir hiermit, und selbstverständlich auch den anderen, die politische Bewertung einer Situation als Folge von Frust nicht dazu zu benutzen, um sich selber über andere zu erhöhen. Marx und Engels haben in ihren Werken eindeutig Stellung zum Thema Ausbeutung der Arbeiterklasse bezogen, das kann man nicht so ohne weiteres infrage stellen.“ „Mensch Heiner,“ sagte Sunny mal zur Abwechslung, „das will doch auch niemand. Wir stellen weder Marx, noch Engels, noch dich, noch die Revolution, noch den Kampf gegen den Faschismus, oder was auch immer infrage. Das musst du uns einfach glauben. Was hat das Eine mit dem anderen überhaupt zu tun? Ich verstehe im Moment echt nur Bahnhof.“ Doch Heiner gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden, er schüttelte seine langen Locken erregt hin und her; ging anschließend vor dem Fenster mehrmals unruhig auf und ab – er wirkte verstimmt. Blieb dann jedoch abrupt stehen, sah zu den anderen, die sich zwischenzeitlich wieder auf den Boden gesetzt hatten, und enorme Mengen Hasch rauchten, ja und dann deutete er mit der linken Hand auf den Schrank. Er sagte: „Dort! Was sehe ich dort?“ Alle drehten sich erschrocken zu dem Schrank um, aber sie konnten nichts entdecken, was für Aufregung hätte sorgen können. Mit schnellen Schritten marschierte Heiner zu dem Schrank, riss die Mitteltür (welche aus Glas bestand) wutentbrannt auf, ergriff eine Bildzeitung, rollte diese zusammen, und nahm anschließend (stehend) erneut seinen Platz vor dem Fenster ein. „Was hat diese reaktionäre, kontra-revolutionäre und faschistische Scheiße hier zu suchen? Seid ihr jetzt völlig durchgedreht, oder was? - Antwortet!“ Biggi sagte: „Das haben wir aufgehoben, weil die Berichterstattung von dem Attentat auf Rudi Dutschke darin steht. Wir wollten dich damit nicht provozieren.“ „Sondern?“ „Sondern,“ sagte Biggi, „wir wollten deren Berichterstattung einfach mal festhalten, für die Zukunft, falls die „Bild“ mal wieder eine Gegendarstellung machen sollte. - Bei denen weiß man ja nie.“ Heiner gab sich nach diesen Worten gnädig. Er schob seine Unterlippe gegen die Oberlippe und nickte mehrmals mit dem Kopf. Sekunden später legte er die Zeitung neben sich auf die Fensterbank, beorderte bei Ina ein Glas Rotwein und einen Joint, bevor er fortfuhr mit seinen Ratschlägen.

      Er sagte: „Was bei euch sehr deutlich zum Vorschein kommt, ist eine unterschwellige Form von Aggressivität. Wenn ihr morgens in den Spiegel seht, was seht ihr? - Ihr seht euch im Licht der Badezimmer-Atmosphäre... und dieses Licht, ist nicht unbedingt, das Licht der Erkenntnis. Es ist vielmehr, die Öffnung nach innen, die euch fehlt, weil ihr eure Ziele nicht mit eurem Konsumverhalten im Einklang gebracht habt. Ich habe weder hier im Gemeinschaftsraum, noch in irgendeinem Zimmer eine Büste von Karl Marx gesehen – das beunruhigt mich. Es nimmt eurer WG die politische Resonanz, die messbare Bereitschaft eines politischen Umbruchs und das Signal, dass ihr in einer Aufbruchstimmung seid. Ich werde dafür sorgen, dass euch, und jedem Einzelnen von euch, in absehbarer Zeit eine Büste zur Verfügung steht.“ „Mal abgesehen davon,“ fragte Sunny, „aber du warst doch vor kurzem „mal wieder“ in der „DDR“, nicht wahr? Wie ist das da so?“ Daraufhin lehnte Heiner seinen Kopf zurück gegen das Fenster-, er lächelte in Richtung Zimmerdecke; er schloss für einen Moment die Augen, summte die Nationalhymne vom „anderen Deutschland“ vor sich hin, und begann plötzlich, mit den, so schien es, wohlüberlegten Worten: „Ich war nicht nur in der „DDR“, so wie du das, ziemlich respektlos, daher sagst. Ich, Heiner Lang-Schwanz, war im „wahren Deutschland“. Ich habe die Luft des Sozialismus geatmet, die Errungenschaften dessen in Augenschein genommen; es war geradezu unbeschreiblich. Diese Freiheit, diese Übereinstimmung von Volk und Staatsführung, diese Vielfalt an Kultur und wirklichen Reichtümern, welche an riesigen Plakatwänden sich dahin gehend äußern, dass die demokratischen Staatsrats-Vorsitzenden mit ihrem Volk zufrieden sind. Hinzu kommt die klassenlose Ausdrucksform in den gut organisierten Friedensdemonstrationen der FDJ, das ist mehr als nur ein schöner Anblick, das macht ergriffen, das macht in jeder Hinsicht Lust auf mehr – ich habe geweint. Zu gerne wäre ich dort geblieben-, dort, wo Coca Cola keine Chance hat jemals Fuß zu fassen, wo es keine amerikanischen Einflüsse gibt, wo man lediglich vor der Vollendung der literarischen Werke von Marx und Engels steht, im Zusammenhang: Mit einem politischen Hauch von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, nicht zu vergessen all die anderen Helden der Arbeit. Wer noch nie da war, derjenige kann eigentlich gar nicht mitreden. Es war, alles in alles allem, eine Erfahrung, eine kulturpolitische Erfahrung, die ich niemals missen möchte.“ „Hast du irgendetwas, also irgendetwas Handliches eingekauft in Ostdeutschland?“ Fragte Penny. „Ja,“ sagte Heiner, „ich habe eine echte ostdeutsche DDR-Flagge eingekauft, die sind dort viel besser, und einwandfreier, zu bekommen, als die unsrigen, hier, im Westen. Uschi hat sich sehr darüber gefreut. Sie hat mir, „mir ganz allein“ nachdem ihr bewusst war, was ich ihr, und unserer Kommune, da zum Geschenk machen würde, spontan einen geblasen. - Es war somit, durchaus, ein revolutionärer Akt der Hingabe ihrerseits.“ „Aus politischer Sicht?“ Fragte Jimmy etwas ironisch. Heiner beantwortete die Frage mit gleichwertiger Ironie: „Uschi muss nur ab und zu richtig durchgenagelt werden – und, wie du schon sehr gut erkannt hast, Jimmy, - aus politischer Sicht, nur aus politischer Sicht. Uschi möchte nämlich nicht mit irgendwelchen faschistischen Träumereien in einen Topf geworfen werden. Sie hat ihre eigenen Ziele.“

      Kaum hatte Heiner diesen Satz beendet, klingelte in der WG das Telefon. Biggi erhob sich und nahm den Hörer ab, sah zu Heiner, und sagte: „Es ist für dich – Uschi.“ Heiner marschierte daraufhin zum Hörer, er sagte: „Ja? - Ach so, ja dann komm doch einfach hierher, nimm am besten ein Taxi. Ja, ein Taxi. OK? Bis gleich. Ich dich auch.“ Dann legte Heiner den Hörer auf, stellte sich mit dem Rücken erneut vor das Fenster, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas, und schenkte es sich anschließend selber nochmals mit Rotwein voll, welcher ihm sehr zu schmecken schien. „Die kommt gleich hierher, dann kann sie uns ein bisschen was erzählen, wie es heute auf der Demo gegen Bürgertum, Spießertum, für Freiheit, Gerechtigkeit und für einen demokratischen Sozialismus, sowie gegen die kontra-revolutionären Elemente in diesem Deutschland ablief.“ „Da sind wir aber gespannt,“ sagte Harry. Heiner reagierte auf diese kleine rhetorische Spitze von Harry nicht, Heiner war nämlich stramm, er war mit Hasch total zugeraucht, angesoffen und er hatte auch schon wieder Hunger. Ina musste nochmals zum Imbiss runter, um für Heiner eine Currywurst sowie eine große Portion Pommes zu holen, auf Kosten der WG-Gemeinschaftskasse. Während Ina bereits unterwegs war, ließ Heiner sich einen Sessel, von Sunny und Jimmy, vor das Fenster schieben. Dann nahm Heiner Platz, er schloss die Augen und schlief ein. Er fing relativ laut an zu schnarchen. Die anderen waren genervt, besonders Sunny ging das Verhalten von Heiner tierisch auf den Geist, aber er behielt seine Meinung für sich. Nachdem Ina mit der Currywurst und den Pommes erschienen war, und sie Heiner sanft wachgerüttelt hatte, sagte Heiner zu ihr (irgendwie herablassend): „Mensch! Mensch! Mensch! Das hat aber lange gedauert, brauchst du beim Bumsen etwa auch so lange?“ Ina sagte nichts, sie fand Heiner mittlerweile nur peinlich. Sie entzündete sich stattdessen einen Joint und beobachtete Heiner, so wie es alle anderen auch taten, nämlich wie er die Currywurst mit Pommes in sich, nur mit der rechten Hand, reinfrass, dabei fürchterlich schmatzte und sich anschließend die Finger ableckte. Als er damit fertig war, ließ er sich von Penny ein kühles Bier reichen, welches er auf EX aussoff, ja und mit einem lautem Bäuerchen beendete er seine Zwischenmahlzeit. Dann schlief er wieder ein und phantasierte eigenartige Dinge. Die anderen ließen ihn schlafen, die warteten lieber auf Uschi, aber die verspätete sich.

      Als Uschi endlich in der WG auftauchte, da war sie, für alle sichtbar, fürchterlich aufgekratzt, nervös und von einer innerlichen Unruhe getrieben. Sie redete wirres Zeug. Von Heiner nahm sie zwar Notiz, aber: Erst ein Joint, eine Valiumtablette und eine Flasche Wein brachten sie ganz allmählich zur Ruhe. „Kann ich heute Nacht hier bei euch pennen?“ Fragte sie Harry. Und Harry sagte: „Von mir aus kannst du hier pennen, aber ich habe hier eigentlich nichts mehr zu sagen, da musst du Sunny um Erlaubnis fragen, wenn du hier pennen willst.“ „Wieso? Was ist hier eigentlich

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