Der Fall Bahran. Elke Maria Pape

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Der Fall Bahran - Elke Maria Pape

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zu sagen. Was soll ich da glauben? Überleg dir doch mal, wie viele Leute das mitbekommen haben. Alle. Und wie wird das für dich aussehen? Ich würde ja noch meinen Mund halten, aber die anderen? Verdammt, sie ist tot. Was um Himmels Willen hast du da bei ihr gemacht?”

      „Nichts, gar nichts. Ich hab dir doch schon gesagt, ich war nicht da, geht das endlich in deinen Schädel.”

      „Aber du warst doch sonst immer da. Das weißt doch jeder.”

      Pascal kratzte sich am Kopf und jetzt war sein Gesichtsausdruck trotzig. „Aber an dem Abend nicht. Ich bin sofort nach Hause gegangen, als ich von dir kam, das schwöre ich.”

      „Gibst da irgendwelche Zeugen?”

      „Du fragst schon wie ein beschissener Bulle.”

      „Die werden dich noch was ganz anderes fragen.”

      „Hab schon eine Vorladung.”

      „Was?”

      „Ja, nächste Woche muss ich hin.”

      „Dann hat schon einer aus der Kneipe gequatscht. Einer, der deinen Auftritt da mitbekommen hat. Ich hab’s gewusst.”

      „Glaub ich nicht. Die haben meinen Namen aus einem Notizbuch von Frau Bahran. Haben sie jedenfalls gesagt. Aber in letzter Zeit war ich sowieso nicht mehr da. Die hat mich nur noch genervt mit ihrem Gelaber. Und jetzt sag mir endlich, warum du hier bist.”

      „Ich hab mir halt Sorgen gemacht. Und ich wollte dir sagen, dass du dich bei der Polizei melden sollst.”

      „Und um mich auszuhorchen, ob ich wirklich da war, stimmst? Ob ich wirklich am Sonntag zu der Frau gegangen bin, deswegen bist du doch in Wirklichkeit hier, gib es zu. Du hast mir tatsächlich zugetraut, dass ich besoffen da auftauche und sie dann mal eben eiskalt erschlage?”

      „Manchmal weißt du doch gar nicht mehr, was du tust, wenn du besoffen bist.”, sagte Hans Jürgen zu seiner Verteidigung. „Das wäre doch nicht das erste Mal, dass du einen kompletten Filmriss hast.”

      „Ich war nicht da, kapiert. Ich hab sie nicht erschlagen.”

      Der Wirt zuckte mit den Schultern. „Mach doch, was du willst. Ich muss auch an den Ruf der Kneipe denken. Wie glaubst du sieht das aus, wenn in meiner Kneipe abends einer über eine Frau in übelster Art und Weise schimpft und androht, anschließend zu ihr zu gehen und sie fertig zu machen und am anderen Morgen eben diese Frau tot in ihrem Haus gefunden wird? Hä, was glaubst du? Wie sieht das für die Polizei aus und für meine Gäste? Wenn du dir immer deine Birne so voll knallst, dass du dich an nichts erinnern kannst, wirst du schon sehen, was du davon hast. Dein Leben läuft doch an dir vorbei. Und ich wette, du weißt nicht wirklich, ob du nicht doch dort warst. Du vermutetes es nur, hab ich Recht?” Hans Jürgen schnappte sich seine Lederjacke, stopfte den Zeitungsartikel, den er in seiner Wut zusammengeknüllt hatte, hinein und stampfte zur Tür. „Weißt du was, es ist mir scheißegal, was du machst. Aber wenn du weiterhin dein Leben und deine Erinnerungen weg saufen willst, dann mach das demnächst in einer anderen Kneipe.” Er ging aus der Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.

      Pascal setzte sich mit resignierter Miene auf seinen Küchenstuhl. Das Leben und die Erinnerungen weg saufen. Er dachte über die Worte seines Kneipenwirts nach und wusste, dass er Recht hatte.

      Was nutzten einem die wilden Trinkereien, die tollsten Feten und die witzigen und bisweilen albernen Gespräche mit guten Kumpels, wenn man so viel trank, dass man sich nicht erinnern konnte? Alles nur von den Erzählungen der anderen wusste. Obwohl man doch eigentlich selber dabei war. War das nicht vergeudete Zeit?

      Der zunehmende Kontrollverlust war auch etwas, was ihm zu schaffen machte.

      Und noch ein Gedanke quälte ihn.

      War er dort gewesen? Sonntagnacht?

      Nein, er war völlig betrunken nach Hause gewankt und hatte sich nur noch in sein Bett fallen lassen.

      Oder?

      Kapitel 8

      Montag, der 08. August

      Karla stand im Gang des Zuges und drückte ihre Nase an die Scheibe, als der Zug quietschend und schnaubend in den Hauptbahnhof einfuhr. Mit einem Zischen kam er zum Stehen, so als wäre auch er froh, bei dieser Hitze endlich sein Ziel erreicht zu haben, ähnlich wie die Passagiere, die er bis hier hin befördert hatte.

      Da, da war er. Zacharias Weinfeld. Ihr Kollege für die nächsten Wochen. Abschnitt C, wie vereinbart. Karlas Abteil war an der Abschnittstafel vorbei geglitten. Sie hatte noch gewunken, aber er hatte sie nicht gesehen. Also würde sie, wenn sie ausgestiegen war, ein Stück auf dem Bahnsteig zurückgehen müssen. Karla schnappte sich ihren Koffer und ging zum nächsten Ausstieg. Sie reihte sich in die Schlange der Leute ein, deren rote, in Schweiß gebadete Gesichter nur noch eins zu sagen schienen: Bloß raus hier!

      Als sie endlich auf dem Bahnsteig stand schlug sie sich durch den Strom der ihr entgegen kommenden Menschenmassen zurück zum Abschnitt C, wo sie Zacharias von weitem sehen konnte. Die Luft war unglaublich stickig, fast unerträglich.

      Er stand immer noch unter dem Schild, drehte ihr den Rücken zu und reckte seinen Kopf in Richtung der hinteren Abteile, wo er sie wahrscheinlich vermutete. Als sie endlich bei ihm angekommen war, musterte sie ihn ein paar Sekunden, wie er so da stand, die Haare nach hinten gekämmt, in seiner typischen Körperhaltung und zu ihrer Überraschung mal nicht mit Hemd und Krawatte bekleidet, sondern tatsächlich, sie konnte es kaum glauben, in einem T-Shirt. Lässig geschnitten zwar, aber dann doch mit einem ordentlichen Polokragen. Sie musste grinsen und tippte ihm auf die Schulter. Irgendwie hatte sie ihn vermisst. Das merkte sie in diesem Augenblick. Nun würden sie mal wieder zusammen arbeiten und sie freute sich ehrlich darauf.

      Er drehte sich herum und sein Gesicht strahlte. Er sah gut aus. Die Ehe schien ihm zu bekommen, dachte Karla.

      „Mensch, Karla!” Für eine Sekunde sah es so aus, als wollte er sie umarmen, aber dann reichte er ihr herzlich die Hand und drückte die andere Hand auf ihre Schulter. „Ich freue mich, dass du da bist. Wie war die Fahrt?” Er nahm ihr den Koffer ab und Karla stöhnte. „Zu lang, zu heiß, zu voll. Such dir was aus.”

      Er lächelte.

      „Und wie geht’s dir? Was macht der Fall?”, fragte sie, während sich beide in den Menschenfluß einreihten und zur Treppe strebten.

      „Einige ihrer Kunden haben wir schon angehört.”

      „Sind es viele?”

      „So um die fünfzig.”

      „Oh!” Sie sah ihn erstaunt an.

      „Wir müssen sie alle befragen. Aber wir konzentrieren uns erst mal auf die, die am häufigsten bei ihr waren.”

      „Eher ältere Leute?”

      „Nein, auch, natürlich. Aber die Kunden von Frau Patricia Bahran kommen aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten.” Zacharias sah sich um, und versuchte, nicht zu laut zu sprechen. Schließlich war der Mord hier in der Stadt immer noch ein großes Gesprächsthema. „Junge, Alte, Arme und Reiche. Alle waren da.”

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