Der Fall Bahran. Elke Maria Pape
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Fall Bahran - Elke Maria Pape страница 3
Was er sie noch fragen wollte, hatte er vergessen.
Sie blickte in den Spiegel im Flur und überprüfte kurz ihr Aussehen, dann ging sie los. Heute würde sie den Bus nehmen. Normalerweise ging sie immer zu Fuß. Aber heute hatte sie zwei Kilo sperrige Porree Stangen bei sich, die sie gestern für ihre Chefin auf dem Markt erstanden hatte. Eigentlich erledigte sie gerne Botengänge, dann durfte sie immer eine halbe Stunde eher gehen und konnte so auch noch für sich und ihren Mann etwas kaufen, meist für das gemeinsame Abendessen.
Um 9.15 Uhr stieg sie in die Linie 19 und ließ sich neben anderen Hausfrauen und Verkäuferinnen, die zur Arbeit fuhren, nieder.
Das Frau Bahran sie manchmal etwas später bestellte, war nicht ungewöhnlich. Im Allgemeinen empfing sie dann einen ihrer Gäste, jemand, der nicht gesehen werden wollte. Vielleicht jemand Prominentes. Ihr konnte es nur recht sein, sie bekam trotzdem die volle Stundenzahl abgerechnet. Immer von acht Uhr morgens bis ein oder zwei Uhr nachmittags. Je nachdem.
Gäste, so nannte ihre Chefin die Leute, die zu ihr kamen und diese sprachen sie immer mit „Madame Bahran” an. Gertrud Häberlein fand das ein bisschen affig. Aber was ging sie das an. Madame zahlte gut, und jetzt, da ihr Mann bereits in Rente war, konnten sie jeden Cent gebrauchen.
An der Haltestelle Birkenweg stieg sie aus. Jetzt war es nur noch einen Katzensprung bis zum Tannenweg. Vor der Hausnummer vierzig kramte sie in ihrer großen Handtasche nach dem Schlüssel, öffnete wie immer die knarrende Gartentür und ging über den Steinweg zum Haus. Die üppigen Blumen links und rechts des schmalen Weges waren jetzt in der flirrenden Hitze des Hochsommers so schwer, dass sie sich mit ihrer ganzen Pracht zur Seite bogen und man kaum noch die Steinplatten unter den Füßen erkennen konnte.
Frau Bahran war geradezu vernarrt in dieses unordentliche Blumenmeer. Gertrud Häberlein schüttelte den Kopf und schob bei jedem Schritt mit ihren Beinen die teilweise schon abgeknickte Blumen zur Seite.
Sie hatte es lieber ordentlicher.
Um punkt neun Uhr dreißig schloss sie die Haustür auf. Eine schwere alte Eichentür, deren Schloss immer ein wenig klemmte.
Historisch, nannte ihre Chefin die Tür. Sie hatte sie irgendwo teuer erstanden und extra einbauen lassen. Frau Häberlein hatte das nicht verstehen können. Zumal sich vorher dort eine sehr moderne, neue Haustür befunden hatte. Dass man die durch eine alte ersetzten wollte, leuchtete ihr nicht ein.
Der Flur mit den weißen Bodenfließen wirkte hell und freundlich und durch die halboffene Wohnzimmertür strömte zusätzliches Sonnenlicht herein.
Sie stellte wie immer ihre Handtasche unter dem Garderobenglastisch ab und trug die Leinentasche mit dem Porree Gemüse in die Küche. Wie jeden Morgen stapelte sich auf mehreren Arbeitsplatten das dreckige Geschirr des letzten Tages. Frau Bahran schaffte es nie, die Sachen in die Spülmaschine zu räumen. Wenigstens das hätte sie doch machen können, dachte Frau Häberlein jeden Morgen, wenigstens das.
Und so sortierte sie auch heute Tassen, Teller und jede Menge Gläser in die Spülmaschine, immer bedacht, möglichst wenig Lärm zu machen.
Deswegen hatte sie auch einen eigenen Schlüssel. Frau Bahran wollte nicht gestört werden, wenn sie Gäste hatte. Auf gar keinen Fall. Meistens hielt sie sich mit ihren Kunden in einem extra dafür vorgesehenen Raum im ersten Stock auf.
Kunden, so nannte Frau Häberlein diese Leute.
Heute Morgen schien allerdings niemand von diesen Leuten da zu sein. Alles war ruhig.
Vielleicht schlief sie noch.
Nichts Ungewöhnliches.
Frau Häberlein stellte die Spülmaschine an und wischte die Flächen der Einbauküche mit einem nassen Lappen ab. Frau Bahran mochte nicht, wenn man beim Hereinkommen in die Küche Fingerspuren an den Schränken erkennen konnte. Schon gar nicht am Kühlschrank.
Und Frau Bahran ging sehr oft an den Kühlschrank. Das vermutete Frau Häberlein jedenfalls, weil fast täglich die Sachen, die sich gestern noch im Kühlschrank befanden, weg waren und wieder neue Sahne- und Joghurtbecher dort standen. Auch Salami und fettige Käsesorten, Packungen mit Kartoffelsalat und diverse Fertiggerichte wurden ständig aufgefüllt.
Jeder hat wohl seine Schwächen, dachte Frau Häberlein. Und das war die Schwäche von Frau Bahran, was man ja auch an ihrem wohlgenährten Körper erkennen konnte.
Nachdem sie mit der Küche fertig war, und das dauerte meistens vierzig Minuten, ging sie zurück in den Flur und nahm sich den Kellerschlüssel, der an einem Haken an der Wand hing. Beim Blick, den sie durch die halboffene Wohnzimmertür warf, konnte sie einige rote Flecken auf dem Fußboden ausmachen. Frau Häberlein zuckte mit den Schultern. Da würde sie sich später drum kümmern.
Sie hatte immer ihren festgelegten Rhythmus. Sonst konnte man schnell etwas vergessen.
Und jetzt war zuerst das Obergeschoss dran.
Sie ging die Kellertreppe hinunter und griff sich ihre Putzutensilien, die dort unten neben einem Waschbecken standen.
Ein Eimer, ein Wischer mit mehreren, ordentlich zum Trocknen aufgehängten, passenden Bezügen, ein Fensterleder und einen Schwamm für den groben Schmutz, obwohl es den in diesem Haus eigentlich gar nicht gab.
Dazu noch einen Glasreiniger für Fenster und die vielen Spiegel, Scheuermilch und einen Allzweckreiniger. Fertig!
Sie packte alles in ein dafür vorgesehenes Körbchen und schleppte die Sachen mit samt Wischer und Eimer nach oben.
In der Küche ließ sie Wasser in den Eimer und auf dem Weg in den ersten Stock wischte sie schon einmal über das Treppengeländer.
Oben stand die Schlafzimmertür von Frau Bahran offen. Sie war also schon aufgestanden. Das Bett war ordentlich gemacht.
Seltsam.
Normalerweise kümmerte sich Frau Häberlein auch da drum. Sah nach, ob die Bettwäsche gewechselt werden musste, legte ansonsten die Bettdecke ordentlich zusammen und knickte das aufgeschlagene Kopfkissen, so dass es aussah wie in einem Luxushotel.
Wo war sie heute Morgen nur? Frau Häberlein sah auf ihre Uhr. Bereits kurz vor elf.
Die Tür zu dem so genannten Beratungszimmer war geschlossen. Aber dort schien niemand zu sein. Ansonsten konnte man bisweilen gemurmelte Stimmen aus dem Innern des Zimmers hören, manchmal sogar leises Schluchzen. Das kam auch vor.
Sollte sie hinein gehen und nachschauen? Sie legte ihre Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter. Dann überlegte sie es sich anders. Lieber nicht.
Aber wo steckte sie nur? Oder war sie gar nicht zu Hause? Wenn sie heute einen Termin gehabt hätte, dann hätte sie doch etwas gesagt. Aber sie war ihr schließlich keine Rechenschaft schuldig.
Trotzdem, es wäre nicht zu viel verlangt, ihr Bescheid zu geben, dachte Frau Häberlein. Aber was sollte man machen? Sie putzte einfach in ihrem gewohnt ruhigen aber stetigen Tempo weiter. Zuerst das Bad, dann überall Staubwischen, dann die Teppiche saugen und das Fenster im Schlafzimmer war auch mal wieder dran.
Wo war sie bloß?
Viertel