Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick

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Grün ist das Leben - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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aber sie hatte ebenfalls noch nie gemolken, das war anscheinend Männersache. Ich müsste mal nachlesen, was Steiner in Bezug aufs Melken sagt, wenn er dazu überhaupt was sagt! Manchmal kam es mir so vor, als begründete der Bauer die Aufgaben der anderen zu frei auf eigene Art, aber immer in Berufung auf Steiner oder eines seiner Bücher… Die Kühe waren über mein Erscheinen so erfreut, dass zwei sogar ein Hinterbein hoben, wie ein Hund, als ich ihr Euter reinigte! Ich kam bei der Sache ganz schön ins Schwitzen, vor allem, weil ich nirgendwo sehen konnte, ob überhaupt die Milch lief, oder ob sie noch lief. Ich merkte nur, dass der Kübel, der unter dem Bauch der Kuh hing, warm wurde. Und wenn ich die Hand dranhielt, spürte ich das Einströmen der Milch. Ich wollte die Zitzenbecher abnehmen, denn mir war, als sei das Euter leer. Doch wie ging das, die Dinger waren ja festgesaugt?! Endlich schaffte ich es mit großer Anstrengung. Furzend strömte die Luft ein. Da kam es mir! Ich musste an einem Becher Luft einströmen lassen, dann fiel der Rest von selber ab! Dann abhängen, den Deckel abnehmen und den weißen Saft durch einen mit einer Papierscheibe versehenen Filter in die Kanne leeren. Die Bäuerin war ebenso erregt wie ich, um zu sehen, was da herauskommt! Langsam füllte sich der weite Aluminium-Trichter, es roch süßlich nach warmer Milch, und meine Kindheit kam mir vor Augen, als die Nolte-Buben die Nolte-Kühe molken und mich mit Milch bespritzten. Es war mir, als hätte ich die erste Stufe zum Bauern erklommen! Auch die Bäuerin schien zufrieden, und nach einer Dreiviertelstunde stiegen wir in die überheizte Stube hinauf und machten dem besorgten Bauern einen Bericht.

      Die Woche verging. Der Bauer kam wieder in die Höhe und stieg umständlich in den Stall hinunter. Er schaute, auf seinen Stock gestützt, eine Weile zu und ließ es sich nicht nehmen, Kritik zu üben, oder anders ausgedrückt, meine Technik zu verbessern. Aber seine Schmerzen zwangen ihn schnell dazu, wieder nach oben zu hinken und sich hinzulegen. Doch bald war er von neuem einsatzbereit und die alte Rangordnung wurde wieder hergestellt. Nach ein paar Tagen rief mich die Bäuerin in die Küche. Der Bauer saß da, war wie verlegen und druckste herum. Dann meinte er, dass ich eigentlich die Sache nicht so schlecht gemacht hatte, und streckte mir einen 50-Mark-Schein hin. Ich war mehr als überrascht, das musste ihn eine größere Überwindung gekostet haben als das Lob! Doch auch ich hatte meinen Stolz! Ich sagte ihm, dass es ausgemacht war, ohne Entgelt zu arbeiten, und daran wollte ich mich halten!

      „Das hättest du ruhig nehmen können“, meinte Doris, denn wir sind völlig pleite!“ „Ich war schon am Arbeitsamt. Die dort werden bald was haben!“ Inzwischen wurden die Erdbeeren reif und wir fuhren mit dem Bauern aufs Feld. Er hatte irgendwo mengenweise Holzwolle besorgt, die wir vorsichtig unter die reifen Beeren legten, damit sie nicht den Boden berührten. Dann zeigte er uns, wie man diese vorsichtig pflückt, so, dass der grüne runde ‚Blattnippel‘ mitsamt Stil an der Beere bleit. Das sei ein Beweis von Pflücken mit Hand und die Beere hielt so auch länger! Dann überließ er uns wieder uns selber und fuhr zurück zum Hof, nicht ohne uns vorher nochmals an das Essverbot erinnert zu haben. Mittags wollte er uns wieder abholen. „Der und uns zeigen, wie man Erdbeeren pflückt!“, meinte Doris, „das kann ich besser als der!“, und steckte die erste Beere in den Mund. „He, du weißt doch, was er gesagt hat! Willst du, dass er den Laden zumachen muss, und wir arbeitslos werden?“ „Der verdient nicht schlecht, scheint mir! Schau dir mal die Preise von seinem Gemüse an! Reinster Luxus! Und außerdem haben wir lange genug gefastet. Jetzt ist die erste Ernte da und die ist auch für die Arbeiter!“ Nach einer Weile legte sie aber doch ein paar Erdbeeren in ihr Körbchen, während meines schon voll war. Ich hatte meinen Stolz! Ich aß keine einzige der Erdbeeren während der ganzen Saison. Ich ermahnte Doris, ihren roten Mund abzuputzen, als sich der R4 des Bauern näherte. Freudig lud er die Körbe in den Kofferraum und ließ es sich nicht nehmen, zu sagen: „Ich hoffe, ihr habt auch keine gegessen! Ihr wisst ja, der erste Verdienst des Jahres…“ Natürlich machte unser Bauer nicht Pleite, und auch Doris ging es bestens. Die Erdbeerkur tat ihr anscheinend sehr gut, denn es schien sie hatte etwas zugenommen!

      Inzwischen wuchs nicht nur das Unkraut auf dem Feld, sondern auch das Gras auf der Weide. Die Kühe kamen selten raus, wie man für Bio-Kühe eigentlich hätte annehmen können, weil der Bauer den Dung für die Felder benötigte. Aber bestimmt war das auch der Einfachheit halber! Man zeigte mir, wie man mit dem alten Agria-Motormäher umgeht, und nun mähte ich jeden Morgen, wenn der Reif sich in Tau verwandelt hatte, ein paar Bahnen Gras in den Obstwiesen. Dieses rechte ich dann zusammen, damit es der Bauer mit dem Ladewagen einfahren konnte. Im Stall wurde es auf die Tenne geleert und den Kühen nach und nach gegeben. Diese freuten sich natürlich und machten lange Hälse und noch längere Zungen, um es zu erreichen. Samstags wurde für Sonntag mitgemäht. Doch durfte das Gras nicht zu dick gelagert werden, da es sich sonst hätte erhitzen können, was sich als schädlich auf die Verdauung auswirken würde. So verging die Zeit, man könnte sagen, in Harmonie.

      Nebenjob

      Ich war beim Arbeitsamt vorstellig geworden. Diese wollten eine Kartei von mir anlegen, da ich hier erst seit kurzem gemeldet war. Das zog sich eine Weile hin. Immer wieder schickten sie Briefe und forderten Papiere, die ich nicht hatte. Eines Tages erhielt ich einen Brief, worin sie wissen wollten, wovon ich während der Jahre 1971 und 1972 (die Zeit meines Reisens) gelebt hätte. „In besagtem Zeitraum lebte ich weitgehend von Müesli und Fladenbroten. Wenn sie noch weitere Ratschläge für vegetarische Ernährungsweise brauchen, stehe ich ihnen gerne zur Verfügung!“ Darauf kam keine Post mehr, mein Dossier war wohl vollständig. Als ich wieder vorstellig wurde, teilte man mir mit, dass ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Überbrückungshilfe hätte, da sich herausgestellt habe, dass ich Vermögen besäße. Ich war platt! Ich Antikapitalist und Vermögen! „Ich will von euch keine Beihilfe, ich will Arbeit! Und die könntet ihr mal langsam anfangen zu suchen!“ Vermögen! Das Wort ging mir nicht aus dem Kopf. Da erinnerte ich mich, dass vor langer Zeit mein Vater wollte, dass ich ihm ein paar Blätter Blanco unterschreibe. Die bräuchte er, um weniger Steuern zu zahlen oder so. Der wird schon wissen, was er macht, dachte ich und unterschrieb die Wische. Bestimmt hatte der Geld damit in meinem Namen angelegt! Ich schrieb ihm also einen Brief und forderte ihn auf, alles Geld, was er auf meinem Namen auf irgendwelchen Konten hatte, auf seine eigenen zu tun, da ich keine gute Geldanlage und außerdem ein Antikapitalist sei!

      Bald schrieb das Arbeitsamt, dass es Arbeit für mich hatte: Ausfahrer in einer Bäckerei mit Konditorei und zugleich Hausmeister… Man sagte mir, es sei ein harter Job, früh um ½ 6 Uhr anfangen, zwei Stunden Mittagspause, dann weiter bis zum Abend. Dafür Dienstagnachmittag frei! Aber auch samstags bis 12 Uhr arbeiten! Doch dafür schien der Lohn sehr gut. An Arbeit war ich ja inzwischen gewöhnt! Ich fuhr also mit dem Fahrrad hin und stellte mich vor. Gegenüber der dort herrschenden Hektik glich der Bauernhof einem Altersheim! Der Chef raste mit mir durch die Backstube und erklärte mir in Kürze alles, dann durch das dazugehörende Lebensmittelgeschäft und das Café, welches hauptsächlich von seiner Mutter geführt wurde. Gegenüber lag der Friedhof und so war zeitweise Hochbetrieb. Ich sprach mit meinem Vorgänger, der es gar nicht erwarten konnte, endlich aufzuhören! Ein Jahr lang hatte er den Job gemacht. Keinen Tag länger! Bald würde er als Küster in der Aschbacher Kirche anfangen. Endlich Ruhe und Frieden! Ich sagte also dem Chef für eine ebenso lange Zeit zu. Arbeitsbeginn morgen früh!

      Unser Bauer fiel aus allen Wolken! „Solange keine Arbeit da war, hast du dich ins warme Nest gesetzt, und jetzt, wo sie losgeht, haust du einfach ab! Das habe ich mir schon zu Anfang gedacht! Da kann ich ja gleich den Laden dichtmachen!“ Ich wies ihn darauf hin, dass es schon bei Beginn ausgemacht gewesen sei, dass einer von uns zum Arbeiten gehen würde, und außerdem sei Doris ja noch am Hof. Auch wäre da Peter, der gerne hier helfen würde. Das brachte ihn noch mehr auf die Palme. „Peter ist ein ‚Salonbauer‘, einer der lieber diskutiert als arbeitet. Der kann dich nie ersetzen!“ Und er ließ mich stehen. Ich war perplex. Plötzlich war ich unersetzbar!

      Am nächsten Morgen weckte mich unser umgebauter Wecker schon vor der ‚5-ten Nachtstunde‘ mit einer Glockenspielmelodie auf. Da ich gegen das Geräusch von Weckern allergisch war, hatte ich die Glocke entfernt und durch eine Walze mit Stimmplättchen ersetzt,

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