Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick

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Grün ist das Leben - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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der ‚Aussaatkalender‘ von Maria Thun; ich werde ihn dir mal zeigen!“ „Das ist also anders als in der Schule!“, antwortete ich, „abschauen ist erlaubt!“ „Das ist wie das Benutzen der Logarithmentafeln! Um all das selber zu errechnen, hat selbst ein Bio-Bauer keine Zeit und oft auch nicht die Kenntnisse!“ „Aber wer sagt, dass all das stimmt? Das klingt ja sehr nach Horoskop!“, konnte ich mir nicht unterstehen, zu sagen. „Früher haben die Menschen aus der Naturbeobachtung heraus und aus Erfahrungen ebenso gehandelt. Dann ging dieses Wissen verloren. Erst seit Steiner hat man sich daran gemacht, dieses aufzuzeichnen und sogar wissenschaftlich und in Versuchen zu erforschen!“

      Am Nachmittag zogen wir die entasteten Stämme mit dem Traktor mittels eines langen Stahlseiles und Ketten an den Weg am Waldrand, ebenfalls die dicken Äste. Diese wurde in der nächsten Zeit zum Hof gekarrt, in Ofenlänge gesägt und gehackt. Das wichtigste war also gewesen, den richtigen Moment für das Fällen einzuhalten! Während des ganzen Tages hatte der Bruder kein Wort mit mir gewechselt und mir keinen Blick gegönnt. „Die Äste, die noch rumliegen, könnt ihr für euren Ofen nehmen! Nehmt ja nicht von unserem Holz, denn mein Bruder würde nichts mehr hacken, wenn Hippies mit seinem Holz heizten!“ Das hatte ich mir schon gedacht! Also zogen wir nun öfters mit dem Handwagen und der Bügelsäge in den Wald und schnitten uns das Holz in Ofenlänge zurecht, um es dann an einem sonnigen Platz am Hof zu stapeln, denn so, wie es war, brannte es schlecht, und wir mussten oft den Herd entrußen. Wir stapelten die Holzmenge für ein paar Tage um den Herd und im Backrohr. Somit hatten wir immer einigermaßen trockenes Brennmaterial. Draußen im Hof hackte sich der Bruder des Bauern langsam durch die Halde von Rundlingen und stapelte sie jedes Mal säuberlich in genau ausgerichteten Reihen auf, um sehen zu können, ob sich jemand daran vergriffen hätte. Wir stellten uns vor, dass er sich bei jedem Schlag vorsagte: „Und wieder ein Hippie weniger!“ Doch dieses Phänomen hätte auch er mit seiner Axt nicht eindämmen können, und er bedachte all die langhaarigen Hilfswilligen und unsere Freunde, die auf den Hof kamen, mit bösen Blicken. Einer seiner Söhne half auch oft auf dem Hof mit, vor allem, wenn es um Arbeit mit Maschinen ging. Dann wollte der eine Lehre auf dem Hof des Onkels machen. Doch dieser weigerte sich, ihn zu nehmen, mit der Begründung, dass Lehrlinge zu viel Material kaputt machten. Also machte er seine Lehre bei einem anderen Biobauern in der Gegend. Doch dieser ließ sich den Lehrlingslohn für den Buben von dessen Vater zurückerstatten! Weil in der Landwirtschaft nichts verdient wird und weil man früher ein Lehrgeld hatte zahlen müssen! „Wenn ich einmal Bio-Bauer sein werde, werde ich so manches anders machen!“, nahm ich mir oft genug vor.

      Nebenher machten wir uns an das Überholen der Maschinen. Ich sah, dass das etwas war, was der Bauer nur ungern tat. Mich störte es nicht und ich fand es außerdem interessant, den Mechanismus auszutüfteln und zu überlegen, wie man ihn verbessern könnte. Was ich hier schon an Maschinen repariert habe, die der Bauer kaputt gemacht hatte! Das passiert einfach! Es ist zu einfach, alles immer auf die Aushilfskräfte zu schieben… Ein paar Ölwechsel waren schon lange überfällig, abgebrochene Messer der Fräse mussten gewechselt, der Mähbalken abgeschmiert und Messerklingen und -finger ersetzt werden. Der Kratzboden des Mistbreiters war ebenfalls durchgefault. Ich nahm Maß und ließ in der Sägerei die Bretter schneiden und einseitig hobeln. Als der Bauer das verrostete Gerippe des Gerätes sah, verzweifelte er und meinte, jetzt müsse er einen neuen kaufen! Und diesen ‚neuen‘ hatte er 14 Tage und zwei Töpfe Rostschutzfarbe später! Ich musste schon sehr genau hinhören, um so etwas wie ein Lob in seinen Worten zu finden…

      Klar, dass ich in dieser Zeit viel lernte, auch wenn mir vieles etwas abstrus erschien, fehlte mir doch der anthroposophische Hintergrund. Was mich am meisten störte, war das dauernde Klagen, wie schlecht es den Bio-Bauern ging und dass sie von der Welt verkannt würden, obwohl sie doch das Heil der Welt seien! Für mich wurde langsam klar, dass Nahrungsanbau auf saubere Weise geschehen muss! Aber ob ich mich mal später dieser märtyrerhaften Sichtweise anpassen würde, bezweifelte ich.

      Doris arbeitete meistens zusammen mit der Bäuerin auf dem Feld oder bei der Gemüsevorbereitung. Ich mit dem Bauern oder alleine. Wir begannen, den Dachboden der ans Haus angrenzenden Scheune aufzuräumen. Hier sollte eine Decke eingezogen werden, um mehr Lagerraum zu gewinnen. Seit einer Generation wohl war hier oben nichts mehr gemacht worden! Wir entdeckten einen Stapel Birnenholzbretter. Der Bauer war ganz gerührt, als er sie sah. Er hatte den Stamm damals sägen lassen, um ihn seiner Braut in Form eines Kleiderschrankes zur Hochzeit zu schenken! Ja, und dann war die viele Arbeit dazwischengekommen, die Zeit und das Vergessen… Und Vergessenes gab es massenweise hier oben: ein alter Holzpflug, die Schar mit Eisen beschlagen, Joche zum Ochsen einspannen, abgebrochene Sensen, die man mal hatte schweißen wollen, Rechen, Milchkannen, Küchenkästen, Kinderwiegen, Kuhglocken und vieles mehr. Einmal der Staub abgekehrt, kamen oft wunderschöne Dinge zu Tage. Das Räumen zog sich hin, denn mit jedem Gegenstand kamen auch Erinnerungen, und der Haufen dessen, was verbrannt werden sollte, blieb dementsprechend klein. Einmal die Zwischendecke eingebaut, wanderten die meisten Dinge wieder hinauf. „Das kann man wieder brauchen, wenn sich die Zeiten ändern! Man könnte sogar ein Museum damit ausrüsten…. Wir zwei bekamen eines der Birnbaum-Bretter geschenkt, woraus ich zwei niedrige Tischchen baute und eine runde Holzscheibe, um Brot darauf zu schneiden. Das heißt, Doris entwendete sie von dem zum Verbrennen vorgesehenen Haufen.

      Ich hatte es so eingerichtet, dass ich samstags frei hatte. Diesen Tag fuhr ich mit dem Radl zu einem Heilpraktiker an der Schweizer Grenze. Das war eine gute Stunde Weg, meist auf Radwegen am See entlang. Das einzige Problem war immer auf der Rückfahrt der deutsche Zoll an der Grenze. Obwohl die mich inzwischen kannten, ließen sie es sich nicht nehmen, ihre kleinen Schikanen-Tricks anzuwenden. Zumindest den Ausweis abnehmen und für zehn Minuten auf einen Schreibtisch legen, zwecks Nachforschung. Am ärgsten war das am Bahnhof, wenn ich wegen schlechten Wetters den Zug genommen hatte. Dort hielt man in der Regel meinen Ausweis so lange ein, bis der Anschlussbus weggefahren war und ich also heimlaufen musste. Doch zum Glück konnte ich oft trampen!

      Der Heilpraktiker war ein alter Mann, der Kaufmann gewesen war und während der Rente seine Liebe zu den Kräutern entdeckt hatte. Er war von einem Kreis älterer Frauen umschwärmt, die nichts lieber hatten, als sich von ihm auf unseren Kräuterwanderungen im Moos die Krampfadern massieren zu lassen. Bei schlechtem Wetter trafen wir uns bei ihm zuhause. Seine Theorie war einfach: gelbe Pflanzen halfen hauptsächlich bei Leberleiden, rote fürs Blut, weiße bei ‚Frauenleiden‘. Wir setzten mit Schweineschmalz Salben an, mit Schnaps Tinkturen und trockneten Kräuter, um sie als Tee zu verwenden. Er brachte mir auch die Grundzüge der ‚Lymphdrainage‘, einer einfachen Massageart bei. Ich sah, dass nicht das Wissen eines Doktors wichtig ist, sondern seine ‚Aura‘. Hinkende Frauen wurden zu flinken Grashüpfern, wenn er fünf Minuten ihre Beine massiert hatte! Glaube und Vertrauen können Wunder bewirken! Das hat auch die Kirche schon lange begriffen und ausgenutzt!

      Wir waren mitten in einer Sitzung, als ein Citroen-Kastenwagen, den man auch ‚Wellblechgarage‘ nannte, vor unserem Versammlungsraum hielt. Er gehörte Geoff, einem Engländer, der in Lindau für ein paar Monate in einem Architektenbüro arbeitete. Er und Doris stiegen aus und fragten nach mir. Sie war ganz aus dem Häuschen, denn der Bauer brauchte mich dringend, weil er eine Aussaat machen wollte, und nur heute wäre der Kalender günstig! Außerdem hatte er angekündigt, uns rauszuschmeißen, da ich nie da sei, wenn man mich mal wirklich bräuchte! „Das hätte er mir ja am Vorabend sagen können, dann wäre ich daheim geblieben!“, dachte ich. Also Fahrrad in den Kastenwagen und zurück! Am Hof angekommen, kein Bauer zu sehen. „Er macht gerade sein Mittagsschläfchen!“, meinte seine Frau. „Ich denke, es ist dringende Saatarbeit angesagt und er braucht mich!“, warf ich ein. „Das kann morgen auch noch gemacht werden, da ist der Kalender sogar noch günstiger!“ So kamen zu den Schikanen der Zöllner noch die Schikanen des Bauern… Geoff meinte, das sei doch nicht schlimm, rollte einen Joint und fuhr dann mit uns in den Wald, unser restliches Brennholz zu holen.

      Die schönsten Augenblicke sind immer, wenn wir abends unser Stübchen einheizen und es uns gemütlich machen. Die Blasen an unseren Händen haben sich in Schwielen verwandelt, unsere Fingernägel sind schwarz und gesprungen, die Fingerkuppen und Nagelansätze

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