Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos Forrest

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Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest

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verwundert.

      „Den Blick von diesem Mann auf die Karte? Und seine Bemerkung?“

      „Dass die deutschen Gelehrten an Ausgrabungen in Mesopotamien interessiert sind? Ja, und? Das ist doch nichts Neues!“

      „Der Blick war gierig, so, als wüsste er von den neuesten Funden!“

      „Was für Funde, Sir David, ich verstehe überhaupt nichts …“

      „Well, erst hier essen, dann mehr davon.“

      Schon betrat er ein Speiselokal, der Kellner geleitete uns an einen freien Tisch und überreichte uns die Speisekarte. Lindsay warf keinen Blick darauf, sondern bestellte sich Lammkeule mit mint sauce. Als der Kellner irritiert blickte, erklärte ich ihm, dass mein englischer Freund gern ein Lammgericht mit der kalten Mintsoße haben möchte. Der Kellner, noch immer begriffsstutzig, erkundigte sich:

      „Kalte Mintsoße, mein Herr? Was soll das sein?“

      Sir David schaute gelangweilt im Speisesaal umher, als ginge ihn das alles gar nichts mehr an.

      „Sagen Sie bitte dem Koch, er möge grüne Minze klein hacken und mit Essig, Zitronensaft und etwas braunem Zucker anmischen.“

      Jetzt schien der Mann zu verstehen, denn lächelnd antwortete er:

      „Ah, der Herr möchte das Fleisch mit der ‚Grünen Soße‘, wie von der Mutter unseres hochverehrten Dichterkönigs Goethe zubereitet. Selbstverständlich gern, der Koch wird das Rezept kennen, auch wenn es mehr in der Frankfurter Gegend als bei uns gebräuchlich ist.“

      Mir graute schon bei dem Gedanken, was da serviert werden mochte, denn die angeblich von Goethes Mutter verwendete Grüne Soße wird mit Mehl, Butter, Milch, Salz, Pfeffer, Muskat und anderen Kräutern angedickt.

      Ich bestellte mir sicherheitshalber einen Schweinebraten Thüringer Art mit Klößen und Rotkohl und war gespannt, wie Sir David auf das Essen reagieren würde. Zu meiner Überraschung verzehrte er es klaglos und ohne die Miene zu verziehen. Da es für ihn selbstverständlich war, die Rechnung zu übernehmen, gab er ein großzügiges Trinkgeld und wollte dann mit mir in ein Café wechseln, damit wir uns ungestört unterhalten konnten.

      Kaum wieder auf der Straße, sagte er laut zu mir:

      „Scheußliches Essen, kann mich nicht erinnern, jemals so eine Soße gegessen zu haben.“

      Aber damit war die Sache für ihn auch abgeschlossen, er bemerkte mein Grinsen nicht und stiefelte wieder schweigend neben mir her, bis wir an den Brühlschen Terrassen angekommen waren, wo wir einen Fensterplatz mit Blick auf die Elbe in einem der zahlreichen Cafés fanden.

      Hier nun schien mein englischer Bekannter förmlich aufzutauen. Die Karte lag wieder auf dem Tisch, wenn auch nicht aufgefaltet, dazu ein paar handschriftliche Aufzeichnungen sowie ein kleines Büchlein.

      „Well, Master!“, begann er und benutzte dabei seine übliche Anrede. „Werden also wieder gemeinsam reisen. Marseille, Tunis, Bagdad. Aššur. Habe starke Partner in Tunis und in Bagdad, yes!“

      Ich antwortete ihm nicht, sondern betrachtete ihn nur belustigt.

      Sein hageres, aber noch immer gebräuntes Gesicht hatte ein paar scharfe Linien mehr erhalten als bei unserem letzten Treffen. Und die Narbe seiner Aleppo-Beule auf der ohnehin großen Nase fiel als besonderes Merkmal auf.

      „Ich habe doch gesagt, dass ich weder Zeit noch Lust zu einer weiteren Orient-Reise habe.“

      Lindsay warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

      „Diesmal alles anders. Habe geheime Informationen. Werden prächtige Abenteuer erleben. Hadschi Halef Omar treffen. Und Fowling Bulls ausgraben, yes!“

      Bei so viel Zuversicht, mich doch noch umstimmen zu können, musste ich fast schon wieder lachen, aber ich schüttelte den Kopf.

      „Ich habe zu tun. Meine letzten Reiseerlebnisse müssen noch einmal vor dem Druck durchgesehen werden, und dann …“

      „Alles kein Problem, Master. Wir reisen, Ihr lest unterwegs. Zahle alles, well.“

      Damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein, er gab dem Kellner ein Zeichen und ließ sich die Rechnung bringen.

      „Hört mal, Sir David, aber ich …“

      Er musterte mich höchst erstaunt und unterbrach mich:

      „Mache Vorschlag, Master. Treffen uns heute in einer Woche auf dem Hauptbahnhof. Da geht – Moment …“ Rasch kramte er in seiner Tasche, dann zog er einen weiteren Zettel hervor. „Da geht um neun Uhr dreißig unser Zug. Ich werde alles reservieren. Wir treffen uns am Zug. Bis dahin habt Ihr Eure Schreibereien fertig und wir fahren los. Diesen Umschlag nehmt an Euch und beschäftigt Euch mit dem Inhalt. Es wird interessant, Master. Viele Abenteuer!“

      „Aber – ich muss den Abendzug nehmen, weil mich mein Verleger erwartet! Das ist mir von der Zeit her alles zu knapp, und ich kann nicht …“

      „Well!“, antwortete Lindsay und nickte mir knapp zu. „In einer Woche auf dem Bahnhof. Neun Uhr dreißig.“

      Damit griff er seinen Zylinder auf und stolzierte davon, ohne sich noch ein einziges Mal nach mir umzusehen. Fast hätte ich ihm wütend etwas nachgerufen, aber dann beruhigte ich mich wieder.

      Warum sollte ich seiner Einladung nicht folgen? Natürlich, es war zeitlich etwas eng, aber ich konnte mit meinem Verleger alles in zwei Tagen klären, wäre danach wieder zurück und hätte noch Zeit genug, meine Ausrüstung zu vervollständigen und mein ohnehin nicht umfangreiches Gepäck zu packen.

      Schon halb entschlossen, stand ich auf und – stieß mit einem Mann zusammen, der am Nebentisch gesessen hatte und sich ebenfalls erhob.

      „Verzeihung!“, sagte der Fremde, als mir mein Umschlag aus der Hand fiel, eine Karte herausrutschte und auch noch ein Foto daneben lag. Rasch bückte sich der Mann, griff nach meinen Dingen und hob sie für mich auf. „Wie ungeschickt von mir, bitte nochmals um Verzeihung!“

      Damit drückte er mir alles wieder in die Hand, nickte mir zu und war aus dem Café, noch bevor ich richtig reagiert hatte.

      Seltsam, irgendwie kam mir der Mann bekannt vor!, dachte ich, während ich ebenfalls auf die Straße trat. Aber ich konnte mir nicht erklären, wo ich ihn bereits gesehen hatte. War der Zusammenstoß vielleicht absichtlich erfolgt und hatte der Fremde unser Gespräch am Nebentisch mit angehört? Irritiert sah ich mich auf der Straße nach ihm um, konnte ihn aber nirgendwo mehr entdecken. Er war groß und breitschultrig, ein dichter, schwarzer Bart bedeckte seine Züge fast vollständig, und die Augen, mit denen er mich rasch gemustert hatte, zeigten einen verschlagenen Ausdruck.

      Etwas beunruhigt griff ich nach meiner Brieftasche, fand sie aber am gewohnten Ort und dachte mir nun nichts weiter. Es war meine Absicht, direkt vom Vortrag zum Bahnhof zu gehen, wo ich bereits meine Reisetasche aufgegeben hatte. Noch war genügend Zeit bis zur Abfahrt, und ich schlenderte langsam in die Richtung des Dresdner Bahnhofs. Manchmal blieb ich an einer Schaufensterauslage stehen, und einmal war es mir so, als würde mich der Unbekannte aus dem Café verfolgen. Rasch drehte ich mich nach der Gestalt um, musste aber feststellen, dass ich mich geirrt hatte.

      Na, Charly,

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