Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos Forrest
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest страница 6
Neben zahlreichen, offenen Holzkisten, Verpackungsmaterial wie Holzwolle und kleinen Pappstücken gab es hier nur eine einzige, rechteckige, verschlossene Kiste unmittelbar hinter dem Fenster, durch das ich eingedrungen war. Ich strengte meine Augen an, um die Inschrift auf einem Zettel entziffern zu können, auf dem eine sehr akkurate Handschrift eine Adresse geschrieben hatte.
Mr Habib Bey, Umm Qasr, las ich als Empfänger.
Seltsam. Warum wollte jemand eine Kiste in eine winzige Stadt am Golf von Persien senden? Habib Bey? Der Name sagte mir nichts, aber die türkische Anrede Bey bedeutete eigentlich nur Herr, in der Hierarchie der Herrscher stand der Bey unter dem Pascha. Flüchtig galt mein Gedanke dem guten alten Krüger Bey, dem Obersten der Leibgarde beim Bey von Tunis und Sohn eines Brandenburger Bierbrauers, den ich einst kennen- und schätzen lernte. Sein Herr, Mohammed es Sadok Pascha, schenkte ihm größtes Vertrauen, und ich schätzte seine Art und seine Hilfsbereitschaft.
Kurz entschlossen nahm ich mein Taschenmesser heraus und begann, die Nägel im Deckel damit zu lockern, was eine ziemlich mühsame Arbeit war. Endlich gelang es mir, die Kiste zu öffnen, und eingebettet in zahlreiche Lagen von Stroh ertastete ich einen länglichen Gegenstand, den ich herausziehen konnte. Noch ein paar Lagen Stoff entfernt, und ich hatte etwas in der Hand, das zunächst an ein Stück einer alten, dünnen Säule erinnerte. Dann aber dämmerte mir, was es tatsächlich war – ein uraltes Rollsiegel, wie es schon vor unglaublich langer Zeit von den Herrschern im Orient verwendet wurde. Im unsicheren Licht konnte ich nicht sehr viele Einzelheiten entdecken, aber schließlich doch ein paar Figuren, darunter einen Mann, der auf einem geflügelten Löwen stand und seinen gespannten Bogen zur Seite hielt.
Eine antike Kostbarkeit, da war ich mir vollkommen sicher. Rasch wickelte ich die Stoffbahnen wieder darum, schob das Rollsiegel wieder zwischen das Stroh und sah mich dann nach einem Gegenstand um, mit dem ich die Kiste leichter wieder verschließen konnte. Einige Ziegelsteine fanden sich in einer Ecke, man legte sie vermutlich unter die Kisten, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Rasch waren die Nägel wieder eingeschlagen, ich sprang zum Fenstersims und zog mich hinauf. Dort oben verharrte ich kurz und vergewisserte mich, dass mein Einbruch nicht beobachtet war. Als ich zum Treffpunkt mit meiner Droschke zurückgekehrte, empfing mich der wartende Kutscher mit einem Seufzer der Erleichterung.
„Ein Glück, Herr, dass Sie wieder rechtzeitig zurückgekommen sind. Ich hatte schon befürchtet, dass Ihnen etwas zugestoßen ist!“
„Danke für Ihre Geduld. Jetzt also bitte nach Hause, es wird Zeit für mich, meine sicher schon sehr beunruhigte Ehefrau in die Arme zu schließen!“
Kaum saß ich auf der gepolsterten Bank, als die Pferde antrabten und wir in rascher Fahrt durch die Stadt fuhren.
Noch einmal entlohnte ich meinen Kutscher großzügig, und der Mann strahlte vor Glück, als er sich verabschiedete.
„Besten Dank, der Herr. So großzügig wurde ich noch nie entlohnt, und schon gar nicht von einem Geheimen! Wenn Sie mal wieder meine Dienste benötigen, fragen Sie nach Gustav, Droschkennummer siebenundvierzig. Einen schönen Abend noch!“
Damit fuhr er davon, und während ich noch über den Geheimen lachen musste, öffnete sich hinter mir die Tür und meine liebe Frau empfing mich mit einem besorgten Gesicht.
„Eigentlich hatte ich schon das Schlimmste befürchtet, Karl! Hatte der Zug Verspätung?“
Lachend nahm ich sie in den Arm und küsste sie.
3. Kapitel
„Karl? Karl, wach auf, da ist jemand im Haus!“
Ich fuhr aus meinen schönsten Träumen hoch und griff zur Nachttischschublade, wo ich den Colt Pocket aufbewahrte. Ich hatte mir diese handliche Waffe in den Staaten zugelegt, nachdem ich bei einem Schiffsunglück meinen Adams verloren hatte, Inzwischen war ich längst davon überzeugt, dass die Colt-Revolver wesentlich besser waren als alle anderen Produkte. Auch meine Blendlaterne entzündete ich und hielt mich nicht weiter mit dem Ankleiden auf.
Meine Frau hatte die Gasbeleuchtung aufgedreht, und ich schlich mich auf Zehenspitzen zum Treppenhaus, den gespannten Revolver in der Hand, während mir die wildesten Gedanken durch den Kopf jagten.
Ich, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, musste von meiner Ehefrau geweckt werden, weil ich den Einbrecher im eigenen Haus nicht gehört hatte! Und dabei genügte ein leises Schaben im Gras, das Schnauben eines Pferdes oder das Knirschen von Sand unter Schuhsohlen, und ich war sofort glockenwach. In der Heimat schienen meine Instinkte zu schlummern, und nun schlich ich durch das Treppenhaus der von uns gemieteten Villa Agnes, um einen Einbrecher auf frischer Tat zu schnappen!
Vollkommen lautlos erreichte ich den kalten Steinfußboden im unteren Flur und entdeckte den Schein einer Laterne im Wohnzimmer.
Ganz schön dreist – da hockt der Kerl an der Kommode mit unserem Tafelsilber und füllt seine Tasche! Was glaubt der eigentlich, wo er ist?, dachte ich, als ich die Blendlaterne öffnete und den Strahl auf die Gestalt richtete.
„Hände hoch!“, brüllte ich gleichzeitig und hob die Rechte mit dem Revolver.
Der Mann reagierte blitzschnell.
Er ließ alles stehen und liegen und war mit einem Hechtsprung am geöffneten Fenster und gleich darauf in unserem Vorgarten. Ich folgte ihm hinaus und sah noch einen schemenhaften Umriss, der gerade den niedrigen Gartenzaun überwunden hatte und die Straße hinunterlief.
Nun – ich ließ ihn laufen, was sollte ich auch anderes tun?
Wir waren in Deutschland, im lieben Oberlößnitz, und es wäre wohl wenig angebracht, wenn ich den Dieb im Schlafanzug verfolgt hätte, noch dazu ohne Schuhe. Und einen Schuss konnte ich ihm auch nicht hinterherschicken, wollte ich nicht sämtliche Polizeikräfte Dresdens alarmieren.
Also kehrte ich wieder zurück, untersuchte das aufgebrochene Fenster und begnügte mich damit, einen Schrank davor zu schieben, um den Schaden am nächsten Tag in Ordnung bringen zulassen.
„Naja, vielleicht waren wir ein wenig zu sorglos!“, erklärte ich Emma, als ich wieder im Schlafzimmer eintraf. „Jeder weiß, wo wir wohnen und dass ich häufig auf Reisen unterwegs bin. Da sollten wir so schnell wie möglich Maßnahmen ergreifen, um unser Eigentum zu sichern.“
Als das Licht wieder erlosch, hörte ich meine Frau leise kichern.
„Was ist daran so lustig, Emma?“
„Dass der große Held so unzähliger Abenteuer nicht hört, wenn ein Dieb in sein eigenes Haus einsteigt!“
„So, und das findest du also lustig?“, gab ich zurück.
Im nächsten Augenblick