Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos Forrest

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Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest

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– das geht auf keinen Fall, Herr, ich kann doch den Zug nicht verlassen!“

      „Ist mir eigentlich egal, aber dann sorgen Sie dafür, dass in Frankfurt die Polizei unterrichtet wird. Können Sie den Mann beschreiben, der in diesem Abteil saß?“

      „Nein … nur so viel – es war ein großer Herr mit einem kräftigen Bart, aber ob ich ihn wiedererkennen würde – ich weiß nicht!“

      „Nun, Sie wissen, was zu tun ist. Ich erwarte Sie in Frankfurt in meinem Abteil.“

      Damit drehte ich mich um und kehrte in meinen Waggon zurück.

      Natürlich hatte ich gar nicht die Absicht, den Diebstahl anzuzeigen. Einmal war die Nachsuche ja ohnehin unmöglich, dann würde mich eine Aussage auf einem Polizeirevier viel zu lange aufhalten. Nein, ich wollte eigentlich nur dem Schaffner ein wenig Dampf machen, damit er sich bemühte. Alles Weitere bliebe abzuwarten.

      Ich verließ Freiburg wie geplant.

      Das Gespräch mit meinem Verleger verlief wie gewünscht. Ja, er war sogar so freundlich, mir von sich aus einen Vorschuss anzubieten, wenn ich meine zu erwartenden Abenteuer nach Rückkehr sofort niederschrieb. Ich hatte ihn ja durch meine Reiseerzählung Giölgeda padishanün für mich eingenommen, die seinerzeit im Deutschen Hausschatz erschien. So reiste ich inzwischen in guter Stimmung zurück und hatte den dreisten Diebstahl im Zug eigentlich überwunden, als mich bei meiner Ankunft in Dresden ein neuerlicher Zwischenfall auf seltsame Weise daran erinnern sollte. Es wurde schon langsam dämmrig, denn die Bahnfahrt dauerte lange und ich war froh, noch vor der Dunkelheit wieder in Dresden zu sein. Gerade sah ich mich vor dem Leipziger Bahnhof nach einer Droschke um, als mir ein groß gewachsener, breitschultriger Mann mit dichtem, schwarzen Bart auffiel, der kaum zehn Meter von mir entfernt aus der Bahnhofshalle getreten war und zielstrebig auf eine wartende Kutsche zueilte. Er trug, wie ich, nur eine leichte Reisetasche, und ich beeilte mich, ihn einzuholen. Schon öffnete er den Schlag und warf seine Tasche auf die Sitzbank und wollte sich gerade an dem Haltegriff hinaufziehen, als ich ihn ansprach.

      „Entschuldigung, Herr, aber sind Sie nicht Dr. Frank Großer aus Leipzig?“

      Erstaunt drehte sich der Bärtige zu mir um, musterte mich aus eiskalten, blauen Augen von Kopf bis Fuß, schüttelte den Kopf und stieg ein, ohne mich einer Antwort zu würdigen. Die Kutsche ruckte an, die Pferdehufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster, und ich hatte buchstäblich das Nachsehen.

      Doch dann entdeckte ich eine freie Droschke, aus der eben die Passagiere ausstiegen und mit ihrem Gepäck von einem Gepäckträger begleitet wurden.

      Rasch war ich bei dem Kutscher und rief ihm zu, der bereits ein Stück voraus fahrenden Kutsche nachzufahren.

      „Sind Sie ein Gendarm?“, erkundigte sich der Kutscher erstaunt, drehte aber die Bremse wieder los.

      „Nein, ein Privater!“, antwortete ich doppeldeutig und schloss den Verschlag.

      „Also ein Geheimer!“, antwortete der Kutscher etwas brummig. „Kennt man ja, dass diese Herren nur das Allernötigste bezahlen! Na, mir soll es recht sein, fahren muss ich ja, und wer will mit diesen Menschen Ärger haben!“

      Damit nahm die Droschke Fahrt auf, und ich bemühte mich, aus dem schmalen Sehschlitz nach vorn etwas zu erkennen. Es ging zunächst in die Lössnitzer Straße, dann nach rechts in die Königsbrücker und Hauptstraße hinunter zur Elbe, und von dort weiter am Elbufer Richtung Winterhafen. Mir wurde rasch klar, dass die Kutsche mit dem Bärtigen einen großen Bogen fuhr, um nach eventuellen Verfolgern Ausschau zu halten. Jetzt wurde sie auch noch langsamer, und ich klopfte an das Dach, um dem Kutscher mein neues Fahrtziel mitzuteilen.

      „Besten Dank, guter Mann, von hier aus bitte hinter dem Kaiser-Wilhelm-Platz in die Kaiserstraße und in der Hafenstraße halten Sie dann bitte.“

      „Sehr wohl, der Herr!“, kam die Antwort, und wir rumpelten in die angegebene Richtung. Die andere Kutsche behielt ihre gerade Richtung und fuhr am Packhof entlang, dadurch mit uns parallel. Das hatte ich erhofft, ließ schließlich an einer Hofeinfahrt halten und kletterte aus der Droschke.

      „Hören Sie, mein Lieber!“, sprach ich meinen Kutscher an und zog dabei die Geldbörse. Als ich mit dem Geldschein wedelte, bekam der Mann große Augen. „Sie haben noch meine Reisetasche auf der Rückbank und werden damit eine gute halbe Stunde spazieren fahren, bevor Sie mich hier wieder abholen. Dann verspreche ich Ihnen noch eine lohnende Fahrt hinaus nach Oberlößnitz. Das hier als erste Zwischenvergütung. Ich verlasse mich auf Sie und habe mir natürlich Ihre Droschkennummer gemerkt.“

      „Selbstverständlich, der Herr. Nach Oberlößnitz also?“

      „Ja, Villa Agnes, Nizzastr. 1d. Sollten Sie hier länger als eine halbe Stunde auf mich warten müssen, bin ich verhindert. Dann bringen Sie bitte meine Reisetasche zu der Adresse und informieren Sie meine Frau, sie wird dann die Polizei verständigen müssen. Hier ist meine Karte.“

      Der Kutscher versprach, alles gewissenhaft zu erledigen, und ich war nun einigermaßen beruhigt. Als er die Hafenstraße wieder verließ, sah ich mich kurz auf dem Hof der Fabrik um, an der ich ausgestiegen war.

      Da nahten sich die typischen Fahrgeräusche von Kutschenrädern auf dem groben Pflaster, und ich hatte gerade noch genügend Zeit, mich hinter die Einfahrt zurückzuziehen, als die Kutsche mit dem Bärtigen langsam vorüberrollte. Er hatte entweder einen Verdacht gefasst oder einen erneuten Umweg eingeschlagen, um mögliche Verfolger zu erkennen.

      Als ich einen raschen Blick hinter der steinernen Einfahrt riskierte, sah ich das blasse, bärtige Gesicht des Fremden am herunter gelassenen Fenster seines Fahrzeugs. Er konnte mich allerdings nicht ausmachen, und ich hörte, wie die Fahrgeräusche langsam verklangen. Gleich darauf war ich an der Einfahrt und bemerkte, wie die Kutsche gerade auf einen anderen Hof abbog. Da es hier mehrere große Lagerhallen gab, war meine weitere Annäherung unproblematisch. Sollte mir jemand entgegenkommen, konnte ich jederzeit zu einer der hier ansässigen Firmen abbiegen und vorgeben, dort etwas zu erledigen zu haben. Aber alles ging glatt. Ich erreichte ungesehen die Einfahrt, hinter der die Kutsche verschwunden war. Ich konnte sie auf dem Hof warten sehen, während der Kutscher abgestiegen war und eben dem Bärtigen half, eine offenbar schwere Kiste aus einem Gebäude zu tragen und in der Kutsche abzustellen. Dann wurde die Haustür von draußen wieder verschlossen und man machte Anstalten, die Fahrt fortzusetzen. Also sah ich mich rasch nach einem Versteck um, entdeckte eine schmale Gasse zwischen zwei langgestreckten Lagerhallen, huschte dort in das Halbdunkel und presste mich an die Hauswand, als die Kutsche in raschem Tempo die Hafenstraße zurückfuhr.

      Kaum war das Fuhrwerk in der Ferne verschwunden, war ich auf dem Hof und sah mir interessiert das Grundstück an. Hier gab es ein einfaches, schlichtes Steinhaus, wie man es häufig auf dem Gelände einer kleinen Fabrik hat, dazu eine größere Lagerhalle. An der Lagerhalle verkündete ein großes Schild Antiquitäten & Kunst.

      Dann entdeckte ich das kleine Messingschild an der Haustür und beugte mich darüber, um das eingravierte Zeichen mit dem Sinnspruch zu entziffern.

      Zunächst einmal handelte es sich um eine recht künstlerisch ausgeführte Wappenfigur, bei der ein Mann auf einem geflügelten Löwen ritt – was ich schon bemerkenswert fand. Dann entzifferte ich die lateinische Inschrift, die das ausgefallene Wappen umrandete. Amat Victoria Curam, las ich, was etwa Der Sieg liebt die Vorbereitung bedeutet und für mich etwas unpassend erschien, wenn die hier ansässige Firma mit Antiquitäten und Kunst handelte. Wozu diente einem solchen Händler eine derartige Wappeninschrift?

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