Tod eines Agenten. Lars Gelting

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Tod eines Agenten - Lars Gelting

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unter höchster Anspannung auf den Van gerichtet, riss ihm der Schreck fast die Brust auf und ließ seine Bewegungen einfrieren.

      Mit einem gewaltigen Donnerschlag und ebensolchem Druck flog ein Teil des Hausdaches, zerlegt in unzählige Trümmerteile, in die Luft. Und nur um einen Sekundenbruchteil verzögert brach es mit Gewalt aus der Rückseite des Hauses, warf den Lieferwagen um und begrub ihn unter einem Hagel aus Ziegeln, Mörtel und allen möglichen Teilen aus dem Innenraum.

      Es riss ihn im Sitz nach oben, riss ihn nach vorn, trieb ihn weg von diesem Ort, ließ ihn ohne jedes Bewusstsein die Automatik schalten, Gas geben, den Parkplatz verlassen. Er funktionierte einfach nur, fuhr direkt neben dem Parkplatz auf die Route 175 auf und merkte erst nach einigen Minuten, dass er sich in die falsche Richtung bewegte. In die Richtung, in die auch der dunkle Van gefahren war.

      Sein Körper schockte, schwitzte, Arme, Hände, Beine, alles zitterte, war außer Kontrolle. Der dunkle VW-Van! Er fuhr ihnen jetzt vielleicht genau in die Arme.

      Er wagte nicht, auf den nächsten Parkplatz an der Straße zu fahren, um dort zu wenden. Er fuhr daran vorbei, fuhr einfach weiter, immer weiter, fast zehn Kilometer. Dann fuhr er ab, rollte durch eine Siedlung und blieb auf dem Parkstreifen vor einer Kirche stehen. Immer noch war sein Körper in Aufruhr, sein Kopf vollkommen leer. Da war nichts. Er bekam keinen klaren Gedanken auf die Reihe. Vielleicht sollte er aussteigen, sich bewegen, einige Meter gehen.

      Er sah zur Kirche hinüber, einer kleinen, typisch nordischen Kirche mit einem breiten, nicht sehr hohen Glockenturm. Aber dann hatte er Sorge, sich nicht adäquat unter Kontrolle zu haben und deshalb aufzufallen. Er blieb sitzen, holte tief Luft, noch mal und wieder und hatte dabei alle Spiegel am Fahrzeug im Blick.

      Fünfzehn Minuten saß er so da, bis er das Gefühl hatte, wieder zuverlässig normal zu funktionieren. Er ließ er den Rover wieder an und rollte los, schlug einen Bogen und fuhr wieder auf die Route 175, diesmal in Richtung Arvika.

      Erik sah sie schon von weitem, die mächtige dunkle Rauchwolke, die von der Hitze getrieben senkrecht hinter den Wohnblocks aufstieg. Und je näher er dem Parkplatz kam, umso mehr verlangsamte sich der Verkehr, bis er sich am Ort des Geschehens nur noch im Schritttempo bewegte.

      Die Pizzeria, eine halbe Stunde zuvor noch ein einladendes Restaurant, war nur noch eine brennende Ruine. Auf ganzer Breite loderten die Flammen hoch aus dem Gebäude, trieben mit ihrer Hitze den dunklen Rauch in die Höhe.

      Am Rand des Parkplatzes, dort wo er zuvor den Rover geparkt hatte, parkten jetzt drei Polizeifahrzeuge. Mehrere Polizeibeamte standen neben dem schwarzen Volvo, der noch immer an der gleichen Stelle stand. Bei den Polizeibeamten stand die Frau im blau-weißen Kittel und lamentierte.

      Sture Bengtson! Er war die einzige logische Erklärung für diese Katastrophe. Und er musste sich noch dort aufgehalten haben, als das Inferno begann. Alles andere ergab keinen Sinn. Die hatten ihn einfach da drin gegrillt, diese beiden Typen, die er als letzte dort hatte herauskommen sehen. Sein Blick glitt kontrollierend über seine Rückspiegel.

      Der Verkehr lief wieder flüssiger und das Navi forderte ihn auf, im Kreisverkehr die nächste Ausfahrt zu nehmen.

      Wenn er da rein gegangen wäre… Erwogen hatte er das ja. Das war schon knapp gewesen. Er mochte nicht glauben, dass diese Muckitypen aus dem dunklen Van eine persönliche Rechnung mit Sture zu begleichen hatten. Das war nicht die Art der Rechten. Das hier war eine ganz andere Hausnummer.

      Sture war hier, um sich mit ihm, einem Journalisten, zu treffen. Er hatte also etwas zu verkaufen. Es war durchaus möglich, dass Sture etwas ziemlich Heißes auf der Pfanne gehabt hatte. Heiß genug, dass sich jemand daran gewaltig die Hände verbrannt hätte, wenn Sture seine Ware losgeworden wäre. Wenn.

      In den Abendnachrichten bestätigte sich Eriks Befürchtung: Sture Bengtson war in dem Lokal gewesen, als dieses in die Luft flog, Sture und der Besitzer der Pizzeria.

      Das Kind und die Frau hatten die Kerle zuvor gehen lassen. Anschließend hatten sie alle Gasflaschen geöffnet, vorhandene Zuführungen abgerissen, eine Zündquelle geschaffen und waren dann davongefahren. Die Hintergründe der Tat waren nicht erkennbar. Die Polizei fahndete nach einem dunklen Van, Kennzeichen unbekannt. Das war’s.

      Es würde nie etwas Verwertbares herauskommen, Erik war sich sicher. Nur, was steckte dann hinter dieser Aktion? Sture war erklärter Neonazi, viel weiter „rechts“ ging nicht. Aber Sture hatte die Verbindung zu ihm gesucht, weil er wusste, dass er für eine Reportage über das Abdriften des schwedischen Staates nach rechts recherchierte. So, wie er das verstand, erschien diese Aktion ziemlich unlogisch. Es musste da noch etwas anderes geben. Sture hatte etwas für ihn, das es ihm wert war, Kopf und Kragen dafür zu riskieren.

      „Du warst doch in Arvika. Hast du etwas davon mitbekommen?“ Anneke riss ihn aus seinen Gedanken. Sie saß im Sessel neben ihm und wies hinüber zum Fernseher.

      „Nein, gar nichts. Keine Feuerwehr, keine Polizei. Ich war wohl auf der anderen Seite von Arvika.“

      „Das Krankenhaus, in dem Lotta liegt, ist aber schon in der Nähe dieser Pizzeria. Ich weiß, wo das ist.“

      „Ja? Dann habe ich ja Glück gehabt und bin an dem ganzen Auflauf vorbei gekommen.“ Er schenkte Anneke ein kleines Lächeln. „Möglicherweise bin ich auch einfach nur ignorant und kriege nur mit, was mich gerade interessiert.“

      „Das wäre gut für dich.“ Anneke wandte sich wieder dem Fernseher zu.

      Erik hatte zwar gehört, was sie gesagt hatte, aber es war ihm gleichgültig, ihm war sein Smartphone eingefallen. Es war immer noch abgeschaltet, und das musste es auch zunächst noch bleiben. Aber das machte ihn unruhig. Vielleicht hatte Kai ihm eine Nachricht gesandt. Er würde später nachsehen.

      In der Nacht kam Sture Bengtson zu ihm.

      Der Traum begann damit, dass er Lotta besuchen wollte. Er sah sich selbst auf dem Flur des Krankenhauses, sah sich, wie er Lottas Zimmer betrat. Aber Lotta war nicht da. War nicht in ihrem Krankenzimmer. Überhaupt war das Zimmer vollkommen leer, keine Lotta, kein Bett, kein Schrank, nichts. Er verließ das Zimmer und lief hinüber zu dem Raum, in dem er die Schwestern wusste. Sah dort durch die große Scheibe in den Raum hinein. Aber dieser Raum war nicht mehr das Schwesternzimmer. Das Licht im Raum war eher dämmerig, die Schränke waren fort, es gab keine Tische mit Formularen, Stiften und Computer-Bildschirmen. Der Raum war vollkommen leer – bis auf Lotta und einer ungeheuren Menge Wasser.

      Lotta stand aufrecht mitten im Raum. Stand bis zum Bauch im Wasser. Regen in dicken Tropfen fiel von der Decke herab und ließ das Wasser unaufhörlich steigen.

      Lotta hielt den Kopf gesenkt, sah ihn aber von unten herauf mit leeren Augen an. Sie trug ihr weißes, langes Gewand, die grauen Haare fielen ihr nass und schwer eng am Kopf herunter bis weit über die Schultern.

      Er griff an die Tür. Verschlossen.

      Er sah sich an der Tür reißen und rütteln. Die Tür blieb verschlossen. Endlich rief er, schrie über den leeren Flur. Niemand schien ihn zu hören.

      Im Raum Lotta, die jetzt nah an die Scheibe gekommen war. Das Wasser war ihr schon über den Bauch hinaufgestiegen, stand ihr schon bis unter der Brust. Sie hatte den Kopf gehoben, blickte ihn direkt an. Unvermittelt hob sie ihren rechten Arm aus dem Wasser, streckte ihn gerade heraus zur trennenden Scheibe, hielt ihm die Hand offen entgegen.

      Er hielt das nicht aus, schrie wieder und wieder um Hilfe. Wandte sich entsetzt ab von der Scheibe, von Lotta und rannte los.

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