BonJour Liebes Leben. Rose Hardt
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Читать онлайн книгу BonJour Liebes Leben - Rose Hardt страница 9
„Nein“, lächelte Charlotte. „Die Erkenntnis ist mir gestern am späten Nachmittag auf dem Friedhof gekommen. Ausschlaggebend war eine alte Frau. Seit Gustavs Beerdigung beobachte ich sie und als ich ihr so nachsehe, wie sie, von der Last des Lebens niedergedrückt, zum Grab ihres Mannes geht, sehe ich mich, Jahre später, selbst in dieser Frau, und ganz plötzlich hat es bei mir klick gemacht!“
„Na, besser spät als nie!“; antwortete Doro wie aus der Pistole geschossen. „Sei froh, dass dieser Ehebrecher, dieser Dauerfremdgeher, der noch nicht einmal vor … ich meine, dass er endlich über die Brücke ist und dich dein Leben leben lässt“, korrigierte sie noch schnell ihre Wortwahl – beinahe hätte sie ihre beste Freundin auf eine Fährte mit fatalen Folgen gesetzt.
Nach einem kurzen Nachsinnieren über Doros Worte fragte Charlotte: „Wie? Was soll das heißen? Der noch nicht einmal vor … was willst du damit andeuten? Weißt du etwas was ich vielleicht wissen sollte?“
Verlegen wandte Doro ihren Blick hinaus zum Garten: „Du heiliges Kanonenrohr“, lenkte sie geschickt vom Thema ab, „was ist denn mit dem Buchsbaum passiert? Welcher Banause hat den so verstümmelt?“ Im nächsten Moment stand sie auf und ging über die Terrasse zu dem traurig aussehenden Gewächs hin.
Charlotte ließ vom Thema ab und folgte ihr. „Das? … Das war die Vertretung unseres alten Gärtners, er hatte wohl seine Schere nicht richtig im Griff. Tja, auch die arme Frida war ganz entsetzt über die stümperhafte Arbeit“, seufzte sie. „Ich muss ihn unbedingt anrufen, dass er den Buchsbaum wieder in seine ursprüngliche Form bringt.“
„Apropos, wie geht‘s Frida?“, fragte Doro mit besorgter Miene, „ich hab sie seit Gustavs Beerdigung nicht mehr gesehen.“
„Die arme Frida“, antwortete Charlotte kopfschüttelnd, „ihre Krankheit wird von Tag zu Tag schlimmer. Einfach unvorstellbar! Noch vor einigen Wochen war sie mit dem Auto unterwegs und eines Tages, ja, da fand sie den Weg nicht mehr zurück. Sie muss Stunden orientierungslos umhergefahren sein. Schließlich hat ein Passant sie weinend im Wagen vorgefunden, die Polizei alarmiert und die, die hatte Frida dann nach Hause gebracht. Nicht auszumalen, was alles hätte passieren können.“
„Meine Güte“, sagte Doro zutiefst gerührt, „das ist ganz schön brutal.“
„Und wie! Es ist, als ob eine Gehirnkammer nach der anderen sich schließt. Ihre geistige Klarheit, auch ihre Sprache haben … hm … wie soll ich’s formulieren?, sie haben Löcher bekommen – ja, so könnte man es ausdrücken.“ Nachdenklich und bitterlächelnd fügte sie an: „doch dann gibt es noch diese hilflose, ja, unschuldige Seite an ihr, eine Seite die man nicht übersehen kann. Verstehst du, was ich meine?“
Mit zusammengezogenen Augenbrauen nickte Doro: „Ja, ich denke schon.“
Eine Weile standen sie sprachlos einander gegenüber, um dieser scheußlichen Krankheit Gelegenheit zu geben, sich zu verflüchtigen.
„Naja“, seufzte Charlotte, „in bestimmten Situationen denke ich, dass es vielleicht besser wäre, wenn …“ nein, sie konnte das Wort Pflegeheim nicht aussprechen, es wollte einfach nicht über ihre Lippen.
„Du meinst, dass du Gustavs Wille doch nachkommen solltest?“, ergänzte Doro.
„Ja und nein“, druckste Charlotte, „doch so lange Lilo, die gute Seele, sich so rührend um sie kümmert, bleibt Frida hier, hier in ihrer vertrauten Umgebung. Und überhaupt, schließlich habe ich ihr viel zu verdanken. Ich würde es als Verrat an ihr ansehen. Sie war mir immer eine führsorgliche Schwiegermutter, mehr noch, sie war mir eine gute Freundin, die mir in all den Jahren, mit Rat und Tat zur Seite stand. Sie war mir eine große Stütze, gerade dann, wenn Gustav mal wieder einer seiner unsäglichen Affären hatte.“ Beschämt, auch unangenehm berührt von jenen Erinnerungen, senkte sie ihren Blick und ging zum Tisch zurück.
„Stütze!“, echauffierte sich Doro lautstark, „also ich hör‘ wohl nicht richtig“, sie folgte ihrer Freundin auf dem Fuße, wobei sie im Geiste wieder ihre beliebte Wutpeitsche fest umschlossen hielt. „Bei allem Verständnis, meine Liebe, aber du solltest die Kirche im Dorf lassen. Tsss … Stütze“, wiederholte sie kopfschüttelnd. Verärgert ließ sie sich auf den Gartenstuhl fallen, schnappte die Champagnerflasche und kippte das edle Getränk in die Gläser. „In erster Linie, meine liebe Charlotte, war sie Gustavs Mutter und insofern nur um sein Wohl sowie seinen Seelenfrieden bemüht – glaub mir. Aber sag, Charlotte, warst du wirklich so naiv?“, schob sie aufgebracht hinterher.
Perplex sah Charlotte zu ihrer Freundin. „Was ist plötzlich wieder in dich gefahren? Ich wusste immer über seine diversen Frauengeschichten Bescheid“, verteidigte sie sich, „und wenn ich ihn hätte verlassen wollen, so hätte ich es getan. Basta!“
„Nie im Leben hättest du das getan – never!“, fügte Doro besserwisserisch an und streckte dabei ihr schmales, adeliges Näschen arrogant in die Höhe.
„Also ich bitte dich, Doro, nur weil du schlechte Erfahrungen mit den Herren der Schöpfung gemacht hast, brauchst du mich nicht anzupflaumen, und erst recht nicht lass ich mir von dir, mein gerade erst wieder aufgebautes Ego, demontieren!“
In solchen Situationen hasste sie Doro, hasste sie für ihre destruktive Art die sie dann hervorkehrte.
Für einen Augenblick saßen sie wie Katz und Maus einander gegenüber. Jede fand sich sowohl in der Position der Katze auf dem Sprung, als auch als schutzsuchendes Mäuschen in einer Ecke kauernd.
Ein Zustand, der gottlob, nur von kurzer Dauer war.
Doro machte, ganz wie es ihrem Charakter entsprach, den ersten Versöhnungsschritt und sagte: „Ah, bevor ich es wieder vergesse, da fällt mir gerade ein, wenn du Lust hättest, könntest du, in meinem Auftrag, eine Immobilie in Südfrankreich besichtigen – ganz so wie früher“, dabei zwinkerte sie Charlotte zu und meinte: „auf dein Augenmerk war schließlich immer Verlass.“
Charlotte war von dem Angebot so überrascht, dass sie vergaß weiter sauer auf sie zu sein. Erstaunt hakte sie nach: „Wie jetzt? Ist das dein Ernst?“
„Sehe ich so aus, als ob ich scherze?“ Erleichtert, dass ihr Ablenkungsmanöver geglückt war, prostete Doro ihrer Freundin zu. „Stößchen auf dein neues Leben. Dann werde ich dir in den nächsten Tagen eine Adresse zukommen lassen. Okay?“, fügte sie mit ihrem schönsten Augenaufschlag an.
Ja, auch so war Doro, mal beherrscht, mal exaltiert, doch immer wieder versöhnlich, und wahrscheinlich hielt gerade deshalb ihre Freundschaft schon so lange.
Charlotte spürte eine leichte Beklemmung aufsteigen, die sogleich eine Maschinerie in ihrem Kopf in Gang setzte: Ich muss … ich sollte … ach … und könnte sie Lilo mit Frida wirklich alleine lassen? Was wäre wenn? Schließlich trägt sie die Verantwortung! – Nein! Kurzerhand stoppte sie dieses Gedankenkarussell das immer mehr Zweifel und Fragen zu produzieren schien und sie in einem rasanten Tempo wieder zurück in den Alltag, in das triste Allerlei zu schubsen drohte. Es ist dein Leben das vor dir liegt und vielleicht deine letzte Chance, ermahnte sie schließlich ihr nüchterner Verstand, also, nur Mut! Dann wich die Beklemmung und sie jubelte laut: „Jaaa … ich werde es tun!“, und diesem Glücksgefühl folgte ein befreiendes Lachen.
„Na, das ist doch mal eine Ansage!“, antwortete Doro in Begleitung eines zufriedenen Seufzers, „dann